GDI IMPULS
Wissensmagazin für Wirtschaft, Gesellschaft, Handel Herbst 2007
Grüner wird’s nicht! Die Ökowelle überrollt uns. Wie es gelingt, eine gute Idee vor der gnadenlosen Vermarktung zu retten.
Mit Muhammad Yunus, Michael Schrage, Clive Hamilton, Hans Christoph Binswanger, Don Tapscott, Simonetta Carbonaro, Frank Piller, Kalle Lasn und vielen Hinweisen, wie Sie im Trendstrudel nicht baden gehen. 62
GDI Impuls 73 / 2007 . ISSN 1422-0482 Schweiz CHF 35 . Deutschland EUR 22 Österreich EUR 22
Thema: Grüner wird’s nicht!
4 Autoren 116 Summaries 118 GDI-Studien 119 GDI-Veranstaltungen 120 Gottlieb Duttweiler institut 122 GDI-Agenda 2007/2008 Impressum
> Konsum Clive Hamilton 26 Einkaufen bis zum umfallen
Zwischen der Realität und unserem Idealbild öffnet sich eine Schere. Sie setzt uns unter Druck, bessere, schlankere, reichere, gebildetere Personen zu werden. Viele flüchten ins Shopping. > Wirtschaft Gespräch mit Hans Christoph Binswanger 32 «Wir brauchen höhere Qualität in der Produktion.»
> Trend John Grant 8 Ist «grün» nur ein gesellschaftlicher Tick?
Die Konsumenten legen zunehmend Wert auf ökolo gische Produkte. Doch ist die ganze Aufregung mehr als ein Modetrend? > Gesellschaft Kalle Lasn 14 Die Müde Revolution
Jahrelang bekämpfte Kalle Lasn als globale Galionsfigur kritischer Konsumenten die Konzerne. Jetzt hat er umgedacht: Schuld an den Problemen sind wir selbst. > Konsum Gespräch mit Simonetta Carbonaro
In den 1970er-Jahren erfand er die ökologische Steuer reform. Heute fordert Hans Christoph Binswanger neue Unternehmensformen. > Die grosse Grafik 38 IDEEN FÜR EINE BESSERE WELT
Ständig tauchen neue Angebote auf, die an den Grüntrend andocken – wie beruhigend. > Unternehmer Muhammad Yunus 40 Soziales Business
Für sein Modell der Mikrokredite erhielt Muhammad Yunus den Nobelpreis. Seine neue Vision: Unsere Wirt schaft braucht eine zweite Businesswelt, deren Ziel nicht monetärer, sondern sozialer Gewinn ist.
20 «Die neue Qualität: gut, sauber, fair.»
Der Bio-Boom ist Symptom für etwas Grundlegenderes: Die Konsumenten suchen nach dem Vertrauen, das sie verloren haben.
> Foto-Essay Vincent van Gurp 48 Täuschend grün
Grün vom Fliessband verliert an Glaubwürdigkeit, wenn nur noch eines zählt – die Oberfläche.
Ideen
> Innovation Don Tapscott . Anthony D. Williams 66 «Innovation wird zu einer offenen und kollektiven
Workshop
> Zwischenruf Frank E. P. Dievernich 96 Die Ausreden für fehlende Innovation heissen
Anstrengung.»
«Organisation» und «Management»!
Ein radikaler Wandel erfasst die Suche der Unternehmen nach neuen Ideen und Produkten: An die Stelle der in ternen Forschungsabteilungen treten Communities von Wissenschaftlern, Tüftlern und Kunden.
Organisation, Management und Entscheidungen sind getrennte Systeme. Weil Organisationen dies nicht wahr nehmen wollen, resultieren Innovationsblockaden.
> Case-Study Rahel Willhardt 74 «Open Innovation ist auf dem Weg zu einem Marken-Muss.»
> Konsum Andreas Güntert 104 Long Tail auf Rädern
Ein überraschendes Beispiel für Open Innovation gibt der Spielwarenkonzern Lego. Die dänische Firma staunte Bauklötze, als sie ihre grössten Fans ans Werk liess.
Fahrende Bank, fahrender Dorfladen, fahrender Zahn arzt: Der Verkaufswagen wird als «Vanchising» wieder entdeckt – und der Laden kommt zum Kunden.
> Management Gespräch mit Frank Piller
> Handel Martina Kühne
82 «Jeder Mensch hat ein paar Produkte, um die er sich besonders kümmert.»
109 Die Shopping-Stadt der Zukunft
Wie können Unternehmen Kundeninnovation aktivieren und steuern – und wo liegen die Grenzen des Ansatzes?
Wie sehen die Metropolen der Zukunft aus? Und wie verändert sich der städtische Detailhandel? Eine neue GDI-Studie gibt Auskunft.
> Management Michael Schrage
> Beyond Max Celko
84 «Experimente entlarven die Mythen der Innovation.»
Unternehmen brauchen Innovationen – und scheitern an ihren Mythen. Dabei müssten sie nur die Regeln des kundenorientierten Experiments einhalten. > Management Elke Schlehuber . Rainer Molzahn 90 «Der Erfolg der Vergangenheit ist die Krise der Zukunft.»
Vom Fluch des Erfolgs – und wie man ihn bannen kann.
114 Das Roboterskelett
Wir stellen Produkte und Trends vor, die den Unterschied zwischen Science und Fiction vergessen lassen.
Autoren
John Grant > S. 8 ist Planungsdirektor und Mitgründer von St Luke’s sowie Autor von drei Marketing-Büchern. Seine jüngste Publikation «The Green Marketing Manifesto» erscheint im Oktober 2007. Er bloggt, schreibt Studien für den Thinktank Demos und berät Bluechip-Unternehmen und Regierungen zu Markenstrategien, Innovation, Nachhaltigkeit und Werte, Kultur und Kreativität. http://greenormal.blogspot.com Andreas Güntert > S. 104 ist freier Wirtschaftsjournalist. Seit 1994 erforscht er als kritischer Sympathisant der Wirtschaft die Schnittstellen von Konsum, Gesellschaft und Touristik. Er war für «Cash», «SonntagsZeitung» und «Facts» tätig. Wenn Güntert nicht schreibt oder forscht, liest oder
Hans Christoph Binswanger > S. 32 war von 1969 bis 1994
reist er – oder spielt Speedminton, die nächste oder übernächste Trend-
Professor für Volkswirtschaft an der Universität St. Gallen und entwickelte
sportart. www.facts.ch/factslebt/
die Idee der ökologischen Steuerreform. Er zählt zu den profiliertesten Geld- und Wachstumskritikern. Von 1967 bis 1992 war Binswanger Direk-
Clive Hamilton > S. 26 ist Geschäftsführer des Australia Institute,
tor der Forschungsgemeinschaft für Nationalökonomie. Zu seinen Arbeits-
des bedeutendsten Thinktank des Kontinents. Als Volkswirt und Politologe
schwerpunkten zählen Umwelt- und Ressourcenökonomie, Geldtheorie,
lehrte er an der Australian National University sowie den Universitäten von
ökonomische Theoriegeschichte und europäische Integration. Letzte Buch-
Sydney und Cambridge. Hamilton publiziert zu Entwicklungsfragen, Han-
publikation: «Die Wachstumsspirale» (2006). www.iwoe.unisg.ch
delspolitik, Industrieökonomie, Umweltthemen, sozialen Werten und Ethik. Er schrieb sieben Bücher, darunter: «Affluenza: When Too Much Is Never
Simonetta Carbonaro > S. 20 ist Psychologin und Autorin zahl-
Enough» (2005) und «Growth Fetish» (2003). www.tai.org.au
reicher Artikel zu Konsumpsychologie und Marketing in gesättigten Märkten. Sie lehrt an der Domus Academy (Mailand) und ist Professorin für
Martina Kühne > S. 109 ist Researcherin am Gottlieb Duttweiler
Design-Management und Humanistic Marketing an der Universität von
Institut und Autorin der Studie «Shopping and the City 2020». Sie studierte
Borås (Schweden), wo sie das Kompetenzzentrum «Design of Prosperity»
Wirtschaftswissenschaften in Zürich und Barcelona und arbeitete am Insti-
aufbaut. Als Mitgründerin von Realise berät sie internationale Unternehmen
tut für Strategie und Unternehmensökonomik der Universität Zürich. Kühne
zu innovativer Markenführung, neuen Marketing-Strategien und Prozessen
promoviert zum Thema «Städte als Marken». www.gdi.ch
des Design-Managements. www.realise.de Kalle Lasn > S. 14 ist Gründer und Chefredaktor von «Adbusters», Max Celko > S. 114 ist Autor von Fernsehdokumentationen und Jour-
Medienaktivist und führender Vertreter des «Culture-Jamming», des öffent-
nalist; er lebt in Zürich und Berlin. Seine Schwerpunkte sind gesellschaft-
lichen Meinungswandels durch neue Kommunikationsformen. Er studierte
liche Trends, Subkultur und neue Entwicklungen in Medien und Technologie.
Mathematik, leitete in Japan ein Marktforschungsunternehmen und grün-
Celko studierte Film, Medienwissenschaft und Philosophie in Zürich, Berlin
dete in Kanada eine Produktionsgesellschaft für Dokumentarfilme, die
und Peking. Zuletzt porträtierte er in einer Fernsehdokumentation für Arte
zahlreiche Auszeichnungen bekam. Daneben lanciert Lasn «Social Marke-
und VBS.tv die Skinhead-Szene in Peking.
ting»-Kampagnen gegen den totalen Konsum wie den «Buy Nothing Day» und ist Buchautor; darunter: «Culture Jam: The Uncooling of America»
Frank E. P. Dievernich > S. 96 ist Manager bei der Unternehmens
(1999) und «Design Anarchy» (2006). www.adbusters.org
beratung Kienbaum und mitverantwortlich für den Bereich HR-Strategie und Organisation. Der Betriebswirt und Soziologe ist assoziiertes Mitglied
Rainer Molzahn . Elke Schlehuber > S. 90 Molzahn ist Trainer,
des DFG-Forschungsprojektes «Organisationale Pfadabhängigkeiten» an
Berater und Coach; Schlehuber Personal- und Organis ationsentwicklerin.
der FU Berlin. Letzte Buchpublikationen: «Pfadabhängigkeit im Manage-
Gemeinsam unterhalten sie das Forum für kulturelle Kompetenz, das
ment» (2007), «Achtung Organisation! Vorsicht Management!» (2007),
Unternehmen bei Change-Management-Projekten unterstützt und Weiter-
«Strategien der Organisation» (2004). www.kienbaum.de
bildungen für Kader anbietet. Schlehuber und Molzahn forschen zur Frage,
S. 8
S. 109 S. 32
S. 66b S. 26
S. 114
S. 14
S. 82
S. 20
S. 90b
S. 40 S. 84 S.66a
S. 96 S. 74
S. 90a S. 104
vor welche transformativen Lernprozesse die globalisierte Welt Organisa-
tion von Organisationen. Er ist Gründer und CEO von New Paradigm
tionen stellt. Jüngste Buchpublikation: «Die heiligen Kühe und die Wölfe
(Toronto), lehrt Management und ist Autor diverser Bücher. Williams ist Vice
des Wandels» (2007). www.schlehuber-molzahn.de
President und Executive Editor bei New Paradigm und Studienautor im Bereich Innovation und geistiges Eigentum. Gemeinsam schrieben sie das
Frank Piller > S. 82 ist Professor für Technologie und Innovations-
einflussreiche Buch: «Wikinomics: How Mass Collaboration Changes Every
management an der RWTH Aachen. Zuvor forschte er drei Jahre am Mas-
thing» (2006). www.newparadigm.com . www.wikinomics.com.
sachusetts Institute of Technology (MIT) zum Thema Open Innovation. 1997 veröffentlichte Piller das erste deutschsprachige Buch zum Thema
Rahel Willhardt > S. 74 ist selbstständige Journalistin für Fach-
«Mass-Customization». Seither verfolgt er das Thema der Kundenintegra-
zeitschriften und Lifestyle-Magazine. Ihre Artikel siedeln an den Schnitt-
tion aus verschiedenen Blickwinkeln. Sein jüngstes Buch «Interaktive
stellen von Marketing, neuen Medien und Architektur und geben über den
Wertschöpfung» (2006) führt die Phänomene um Open Innovation, Mass-
branchenüblichen Tellerrand hinaus Einblicke ins Handels- und Wirtschafts-
Customization und Co-Creation zusammen. open-innovation.com . mass-
geschehen. Zuvor war Willhardt in der Kommunikation für Agenturen und
customization.de . mass-customization.blogs.com.
Konzerne tätig. Sie studierte Soziologie an der Universitäten Nürnberg und Bielefeld. www.visvisio.com.
Michael Schrage > S. 84 forscht am renommierten MIT Media Lab und zählt zu den weltweit führenden Experten für Innovationsökonomie. Er
Muhammad Yunus > S. 40 ist als Wirtschaftswissenschaftler einer
berät Unternehmen, Innovationsprozesse mit einem maximalen Return on
der Begründer des Mikrofinanz-Gedankens, Friedensnobelpreisträger sowie
Investment zu gestalten, lehrt an mehreren Managementschulen und ist
Gründer und Direktor der Grameen Bank, die Mikrokredite vergibt. Er lehrt
ein gefragter Keynote-Speaker. Schrage ist Experte für «Rapid Proto
seit 1972 an der Chittagong University und berät seit 1996 die Regierung
typing», «Innocentives», Simulationen und dafür, wie Innovationen die
von Bangladesch. Yunus gilt als einer der geistigen Väter des unabhängigen
Kundenbeziehungen beeinflussen. Er ist Kolumnist für die Magazine «For
Staates Bangladesch: Er war treibende Kraft der Transformation, schrieb
tune», «CIO» und «Los Angeles Times». Sein wegweisendes Buch: «Serious
Texte für die Weltöffentlichkeit und organisierte Demonstrationen für die
Play: How the World’s Best Companies Simulate to Innovate» (1999) wur-
hungerleidenden Menschen. Er ist Träger zahlreicher Preise und Ehrendok-
de in sieben Sprachen zum Bestseller. www.media.mit.edu
tortitel aus der ganzen Welt sowie Gründungsmitglied der Global Academy von Ashoka für soziales Unternehmertum. Yunus publizierte mehrere Bücher,
Don Tapscott . Anthony D. Williams > S. 66 Tapscott ist ein
sein jüngstes, «Wirtschaft, die den Menschen hilft», erscheint im November
renommierter Berater und Keynote-Speaker für Strategie und Transforma-
2007 im Hanser-Verlag. www.muhammadyunus.org
Summaries
denken, stehlen sich die Menschen der Industrie-
zwanghafte Störung. Doch während die Gesell-
nationen aus der Verantwortung: Sie nutzen tech-
schaft diverse Suchtverhalten als Erkrankungen
nische Verbesserungen, um einen dekadenten
anerkennt, wird die absurde Steigerung materiel-
Lebensstil und den verantwortungslosen Miss-
ler Bedürfnisse verniedlicht: Shopping und Reich
brauch von Ressourcen zu rechtfertigen. Für Kal-
tum gelten weiterhin als erstrebenswert.
le Lasn, die globale Galionsfigur kritischer Konsumenten, braucht es daher als Katalysator für
Gespräch mit Hans Christoph Binswanger > S. 32
eine mentale Revolution eine Katastrophe.
«Wir brauchen höhere Qualität in der Produktion.» Um wachsen zu können, ver-
Gespräch mit Simonetta Carbonaro > Seite 20
braucht die Wirtschaft mehr Natur- und Umwelt
«Die neue Qualität: gut, sauber, fair.»
ressourcen als es nachhaltig Sinn macht. Doch
Eine endlose Serie von Lebensmittelskandalen
ein unendliches Wachstum in einer endlichen
machte die Ökobewegung zum Massenphäno-
Welt ist nicht möglich: Heute geht es darum, dass
men. Immer mehr Menschen bringen den Inhalt
sich die Wachstumsspirale langsamer dreht. Ein
ihres Tellers mit dem Zustand der Welt in Verbin-
Ausweg zugunsten einer qualitativen Produktion
dung. Doch der Bio-Boom ist nur ein Symptom für
ist – neben der ökologischen Steuerreform, die
etwas Grundlegenderes. Die Konsumenten wer-
gleichzeitig Arbeitsplätze schafft und die Umwelt
John Grant > Seite 8
den sich nicht mehr mit Bio-Labeln für industriell
weniger verbraucht – die Modernisierung der auf
Ist «grün» nur ein gesellschaftlicher
produzierte anonyme Massenware zufrieden ge-
Gewinnmaximierung angelegten Unternehmens-
Tick? Der aktuelle Hype gestattet keine qualita-
ben – sie suchen nach dem Vertrauen, das sie
formen. Die Aktiengesellschaft – ein Kind des 19.
tive Aussage darüber, ob es sich beim Trend zur
verloren haben. Der Schlüssel liegt im Dreieck
Jahrhunderts – kann durch «Stiftungsunterneh
ökologischen Verantwortung um eine kurzfristige
«schmackhaft», «sauber», «fair»: Nachhaltigkeit
men» ersetzt werden. Ob die Politik dies aber leis
Modeerscheinung oder einen Wendepunkt des
ist Bestandteil eines neuen Luxus, der nicht mehr
ten kann, ist fraglich. Auch die Konsumenten sind
kollektiven Bewusstseins handelt. Im Pyramiden-
in Exklusivität, sondern in realer Qualität besteht.
gefordert, sich an der Qualität der Produkte zu
Modell unterschiedlich lang anhaltender gesell
Denn die Konsumenten haben genug vom Story-
orientieren, was auch den Ressourcenverbrauch
schaftlicher Veränderungen vom «Tick» bis zum
telling. Sie wollen Teil echter Geschichten sein
einschliesst. Zur Stabilisierung des Umweltver-
«Paradigmenwechsel» zeigt sich, dass jedem
und nehmen durch ihr Kaufverhalten politischen
brauchs sind technische Effizienzsteigerungen
Wandel ein Medienhype vorangeht. Stellt man
Einfluss. Fatal für die Industrie ist es, mit den
allein keine Lösung: Die Produktion darf nur paral
dem die Wirkung auf die Bevölkerung gegenüber,
Mitteln der Massenproduktion auf der Öko-Welle
lel zur Effizienz ansteigen – und das ist eine öko-
entsteht eine zweite, auf dem Kopf stehende Py
mitzureiten, statt ihre wahre Tiefe zu erkennen.
nomische, keine Ingenieursaufgabe.
Menschen lassen sich mitreissen – oft ohne zu
Clive Hamilton > Seite 26
Muhammad Yunus > Seite 40
wissen, worum es geht. Ob das grüne Bewusstsein
Einkaufen bis zum umfallen Obwohl die
Soziales Business Unsere Definition von
den Hype überleben wird, ist noch offen. Doch
Industrienationen ihren Wohlstand seit den
Wirtschaft weist einen grundlegenden Fehler auf.
klar ist: Heute können bereits wenige Aktivisten
1950er-Jahren verdoppelt haben, verharrt die
Ihr Zweck besteht nur im Profit, und der Mensch
die Massen mobilisieren.
Zufriedenheit der Bürger auf gleichem Niveau.
wird auf eine Dimension reduziert: Alles, was er
Viel Besitz führt zur verzerrten Wahrnehmung der
anstrebt, ist Geld. Doch wir haben noch viele an-
Die Müde Revolution Der Trend zum ökologi
Bedürfnisse: Zwischen realem und angestrebtem Ideen Lebensstandard öffnet sich eine Schere, die uns
oder Gerechtigkeit. Ebenso wie es die Grameen-
schen Verhalten wird von den Konzernen als
dem Druck aussetzt, uns in bessere, schlankere,
Bank mit ihren Mikrokrediten erreicht hat, das
Paradigmenwechsel ernst genommen. Doch wäh-
reichere, gebildetere Personen zu verwandeln.
Geschäftsprinzip der Banken, Armen kein Geld zu
rend die Autoindustrie über sparsamere Fahrzeuge
Viele flüchten ins Shopping: Inzwischen identifi-
leihen, als haltlos und sozial schädlich zu entlar-
und Ölkonzerne über erneuerbare Energien nach-
zieren Psychologen die Shoppingsucht als
ven, lässt die neue «Soziale Wirtschaft» das herr-
Thema
ramide: Je kurzlebiger ein Thema, desto mehr
Gespräch mit Kalle Lasn > Seite 14
dere Bedürfnisse – etwa Fürsorglichkeit, Frieden
GDI Impuls . Herbst 2007
schende Wirtschaftssystem als halbfertig er-
duktverliebtheit für neue Ideen – das meint «Open
von gestern auf die aktuellen Herausforderungen.
scheinen. «Soziale Unternehmen» unterscheiden
Innovation». Eines der überraschendsten Beispie
Dafür wird man heute schneller und härter bestraft
sich nur in einem Punkt von traditionellen: Ihr Ziel
le gibt die dänische Traditionsfirma Lego. Als es
als je zuvor. Elke Schlehuber und Rainer Molzahn
ist kein monetärer Gewinn, sondern ein sozialer.
darum ging, seine Bauklötze in die Digital-Ära zu
zeigen, wie eine Organisation beschaffen sein
Anders als NGOs und Spenden-Organisationen
transferieren, holte sich Lego externe Hilfe bei
muss, deren Kultur weniger mit den einst erfolg
arbeiten sie selbsttragend. Mit erfolgreichen Bei-
Leuten, die sich in Foren und Blogs als «Lead
reichen Antworten identifiziert ist als mit den Fra-
spielen weist Nobelpreisträger Muhammad Yunus
User» gezeigt hatten. Diese Outsider verhalfen
gen, die zu diesen Antworten geführt haben.
dazu den Weg.
dem Unternehmen nicht nur zu einem erfolgrei
Ideen
chen Produkt – sie änderten auch Legos Innova
Frank E. P. Dievernich > Seite 96
tionskultur und gaben der Firma einen Anstoss,
«Die Ausreden für fehlende Innovati-
ihre Organisationsstruktur zu verändern.
on heissen ‹Organisation› und ‹Ma-
Don Tapscott . Anthony D. Williams > Seite 66
nagement›.» Organisation, Management und
«Innovation wird zu einer offenen
Gespräch mit Frank Piller > Seite 82
Entscheidungen sind getrennte Systeme, die ein
und kollektiven Anstrengung.»
«Jeder Mensch hat ein paar Produkte,
Eigenleben haben. Weil in der Unternehmens
Ein radikaler Wandel erfasst die Suche der Unter-
um die er sich besonders kümmert.»
praxis diese Einsicht fehlt, resultieren diverse
nehmen nach neuen Ideen und Produkten: An die
Einer der führenden Experten für Kundeninnova
Blockaden der Organisation. Gerade in ihnen
Stelle der internen Forschungsabteilungen treten
tion erklärt, wie Unternehmen diese Grösse akti
steckt der Schlüssel für echte Innovation.
Communities von Wissenschaftlern und Tüftlern.
vieren und steuern können, und wo die Vorteile
Grosse Konzerne stellen ihre Daten frei ins Netz,
und Grenzen des neuen Ansatzes liegen.
um mit der globalen Talentgemeinschaft ihre Prozesse massiv beschleunigen zu können. Auf diver
Workshop
Michael Schrage > Seite 84
Andreas Güntert > Seite 104
sen Plattformen wird das Internet zum gigantischen
«Experimente entlarven die Mythen
Long Tail auf Rädern Im Silicon Valley rollt
Universum für Kollektivarbeit. Auch die Kunden
der Innovation.» Viele Unternehmen schre-
der Zahnarzt auf den Firmenparkplatz, gefolgt vom
dringen immer öfter durch Unternehmensgren-
cken vor den Kosten für Innovationen zurück –
Friseur. Bei Wuppertal kommt die Mode im Bus,
zen, um sich aktiv beim Kreieren neuer Produkte
weil sie den Innovationsprozess keinem Risiko
um Winterthur fährt der mobile Dorfladen vor, um
zu beteiligen; und soziale Tools geben Mitarbei-
management unterstellen und einem verbreiteten
Bern die Bank. Wo sich Konsumenten Nähe wün-
tern eine beispiellose Kommunikationsmacht. An
Missverständnis aufsitzen: Innovation besteht
schen, reüssieren mobile Vertriebskonzepte, die
vielen Orten zeigt sich heute der wachsende Ein-
nicht aus den «guten Ideen» von Innovatoren, son
sich der Logik der Massenmärkte entziehen: Wer
fluss der Netzgeneration, die mit digitalen Tech-
dern aus dem, was die Kunden davon annehmen.
den Point of Sale zum Konsumenten verlegt,
nologien aufgewachsen ist. Sind die Führungs-
Dennoch fliesst das Geld meist in Ideen und nicht
praktiziert Long Tail auf Rädern.
persönlichkeiten darauf vorbereitet? Don Tapscott
in ihre Überprüfung. Die Unternehmen testen nie
und Anthony D. Williams zeigen die wichtigsten
die Schwächen einer Idee, sondern suchen deren
Martina Kühne > Seite 109
Fragen, denen Entscheidungsträger sich im Zeit-
Bestätigung. MIT-Innovationsexperte Michael
Die Shopping-Stadt der Zukunft Wie
alter der Massenkooperation stellen müssen.
Schrage stellt dem Status Quo eine neue Ökono-
verändert sich der städtische Detailhandel der
mie des Modellings gegenüber, die Innovationen
Zukunft? Eine neue GDI-Studie gibt Auskunft.
Rahel Willhardt > Seite 74
in einem kostengünstigen System aus Modellen,
«Open Innovation ist auf dem Weg zu
Prototypen und Experimenten überprüft.
einem Marken-Muss.» Wie erfinden Firmen
Max Celko > Seite 114 Das Roboterskelett Welche Ideen treiben
neue Produkte? Meist geschieht das innerhalb
Elke Schlehuber . Rainer Molzahn > Seite 90
die Arbeit in den Forschungslabors? Was formt
der Unternehmensmauern, im Forschungs- oder
«Der Erfolg der Vergangenheit ist
die gesellschaftliche Erwartungen ans Neue? –
Marketingbereich. Aber durch die Möglichkeiten
die Krise der Zukunft.»
Wir stellen Produkte und Trends vor, die den
des Web 2.0 zapfen Firmen vermehrt Know-how
Mit dem Erfolg mutieren Entscheider von Fragen
Unterschied zwischen Science und Fiction ver-
direkt bei den Kunden an. Sie nutzen deren Pro-
den zu Wissenden und antworten mit den Ideen
gessen lassen.
117
GDI Impuls
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