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March 19, 2018 | Author: Anonymous | Category: N/A
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Die fiktionale Welt des Stefan Zweig: Verzeichnis der Figuren in seinen Erzählungen und Romanen

erstellt von Frank Geuenich

Aachen, 2014

Das Verzeichnis enthält alle fiktiven Figuren, die in den Erzählungen und Romanen Stefan Zweigs unter einem bestimmten Namen auftreten. Aufgenommen sind darüber hinaus auch alle Figuren ohne Namen, sofern sie eine Haupt- oder wesentliche Rolle in einer Erzählung spielen (z.B. der Colonel in „Das Kreuz“), sowie alle namenlosen Ich-Erzähler. Die Figuren sind alphabetisch geordnet. Am Ende des Verzeichnisses (ab Seite 81) findet sich eine Aufstellung der Figuren, geordnet nach den Erzählungen und Romanen, in denen sie auftreten. Sämtliche Verweise beziehen sich auf die im S. Fischer Verlag erschienene Ausgabe „Gesammelte Werke in Einzelbänden“, der auch die Zitate entnommen sind. Im Einzelnen wurden folgende Bände verwendet: Der Amokläufer Brennendes Geheimnis Buchmendel Clarissa Phantastische Nacht Rahel rechtet mit Gott Rausch der Verwandlung Ungeduld des Herzens Verwirrung der Gefühle

FIGUREN:

Abbé von Courbépine – Anton [2]

Abbé von Courbépine: Landpfarrer in der Erzählung „Geschichte eines Unterganges“ (Der Amokläufer, 7-53); „Alles war rot an ihm, die plumpen Hände, das Gesicht, das der Wind gegerbt hatte, und die großen Ohren, aber er wirkte doch irgendwie freundlich“ (18). -sein Neffe: der letzte Geliebte der Madame de Prie in der Erzählung „Geschichte eines Unterganges“ (Der Amokläufer, 7-53); „ein hochgewachsener Bauernbursche mit einem knochigen, rotbackigen Gesicht, gelben Strähnen und ein wenig einfältigen Augen; er wirkte plump und brutal mit seinen ungelenken Gliedern“ (21); als Madame de Prie seiner überdrüssig wird und mit ihm in Streit gerät, schlägt er auf sie ein (30); kurz vor ihrem Selbstmord lockt sie ihn noch einmal zu sich und verbringt die letzte Nacht mit ihm. Abthalion, Mose: in Rom lebender Jude in der Erzählung „Der begrabene Leuchter“ (Rahel rechtet mit Gott, 74-191); Färbermeister, „keiner der Großen unter den andern und kein Kenner der Schrift, nur ein alter harter Arbeitsmann“ (81); in seinem Haus findet die Zusammenkunft der in Rom lebenden Juden nach Eroberung der Stadt durch die Vandalen statt; Großvater des siebenjährigen Benjamin (Marnefesch), den er zum Hafen mitnimmt, wohin die elf ältesten Juden der von den Vandalen geraubten Menorah folgen. Aldridge, John: Buchhändler in London, Holborn Square, an den Jakob Mendel in der Erzählung „Buchmendel“ (Buchmendel, 197-229) schreibt, „ob er ihm nicht die letzten Nummern des „Antiquarian“ besorgen könnte“ (217). Alfons: Freund von Friedrich Michael Baron von R. in der Erzählung „Phantastische Nacht“ (Phantastische Nacht, 172-243); „ein lieber Schulkamerad und jetzt Staatsanwalt“ (210), dem R. im Prater begegnet. Amélie: Freundin/Bekannte von Irene Wagner in der Erzählung „Angst“ (Verwirrung der Gefühle, 280-353); Irene schiebt eine Besorgung mit ihr vor, um ihrem Mann zu erklären, dass sie nach einem Rendezvous mit ihrem Liebhaber so spät nach Hause kommt (285). Annemarie: Tochter von Herwarth und Luise in der Erzählung „Die unsichtbare Sammlung“ (Buchmendel, 230-247); „ein ältliches Mädchen, einfach gekleidet“ (237); sucht R. [2] in dessen Hotel auf und teilt ihm mit, dass die Kupferstichsammlung ihres erblindeten Vaters „nicht mehr ganz vollständig“ (238) ist; bittet R. [2], ihren Vater „glauben zu machen, dass alle diese Blätter … noch vorhanden sind“ (240); siehe auch unter Herwarth. Annerl: ehemalige Geliebte von Anton Hofmiller im Roman Ungeduld des Herzens (66). Annette: ein zwölfjähriges Mädchen, Tochter von Henriette und Schwester von Blanche in der Erzählung „Vierundzwanzig Stunden aus dem Leben einer Frau“ (Phantastische Nacht, 70-144). Anton [1]: Neuer Herrschaftsdiener des Freiherrn von F. nach der Ermordung seiner Frau in der Erzählung „Leporella“ (Der Amokläufer, 160-190); „Ein grauhaariger, ruhiger Mann mit gut rasiertem Gesicht“ (186); empfindet Furcht vor der Dienstmagd Crescentia („ich mein` halt, die wär einen Mord imstande“, 187), der er schließlich im Namen des Freiherrn kündigt. Anton [2]: Protagonist der Erzählung „Ein Mensch, den man nicht vergißt“ (Brennendes Geheimnis, 313-319); lebt in einer Kleinstadt, wo er dem (namenlosen) Ich-Erzähler auf einem Spaziergang begegnet und dessen Hund von einem plötzlichen Schmerz kuriert; „ein Mann von ungefähr dreißig Jahren, ärmlich gekleidet und ohne Kragen und Hut“ (313); hat kein festes Zuhause und keine feste Beschäftigung, hilft den Menschen, die ihn gerade 2

FIGUREN: Arnaud,

Michel – Balinkay, Baron

brauchen; „Das Einzigartige bei Anton aber war, daß er sich, wie hart seine Arbeit auch war, immer ganz entschieden weigerte, mehr Geld anzunehmen, als er für einen Tag brauchte“ (315-316); sein „Wirtschaftssystem“ besteht darin, anstatt „Geld auf die Sparkasse zu legen …, sich bei seiner Umwelt ein Guthaben moralischer Verpflichtung zu schaffen“ (316); wird von sämtlichen Mitmenschen hoch geschätzt. Arnaud, Michel: Pseudonym, unter dem Léonard im Romanentwurf Clarissa zwei Bücher veröffentlicht hat (90). B., Dr.: Protagonist der Erzählung „Schachnovelle“ (Buchmendel, 248-314); aus einer „hochangesehenen altösterreichischen Familie“ (273) stammender Passagier an Bord eines Dampfers von New York nach Buenos Aires; bescheiden und zurückhaltend; beobachtet zufällig ein Schachspiel zwischen dem Weltmeister Czentovic und einigen Amateuren, darunter der Ich-Erzähler, und wendet die fast schon verlorene Partie durch sein Eingreifen zum Remis; „Ein Herr von etwa fünfundvierzig Jahren, dessen schmales, scharfes Gesicht mir schon vordem … durch seine merkwürdige, fast kreidige Blässe aufgefallen war“ (267); „ich hatte … den Eindruck, dieser Mann müsse plötzlich gealtert sein“ (273); lehnt es zunächst ab, am nächsten Tag selber eine Partie gegen Czentovic zu spielen, lässt sich dann aber vom IchErzähler dazu überreden und erzählt diesem seine Geschichte, ein „kleiner Beitrag … zu unserer lieblichen großen Zeit“ (275): Er ist als Rechtsanwalt und Vermögensverwalter großer österreichischer Klöster und einiger Mitglieder der kaiserlichen Familie „einen Tag, ehe Hitler in Wien einzog“ (277) in die Fänge der Gestapo geraten, die ihn, um an Informationen über seine Klienten zu gelangen, in fast einjährige Isolationshaft nahm: „Man tat uns nichts – man stellte uns nur in das vollkommene Nichts, denn bekanntlich erzeugt kein Ding auf Erden einen solchen Druck auf die menschliche Seele als das Nichts“ (279); nach vier Monaten „im Raumlosen, im Zeitlosen“ (284), an einem 27. Juli, gelangte er durch Zufall in den Besitz eines Schachbuches, in dem 150 Meisterpartien abgedruckt waren; er begann sie daraufhin in seiner Zelle nachzuspielen, bis er alle auswendig konnte; spielte daraufhin weitere, virtuelle Partien gegen sich selbst, wobei er allmählich in eine „künstliche Schizophrenie“ (296) geriet, eine „Schachvergiftung“ (298): „Jedes meiner beiden Ich triumphierte, wenn das andere einen Fehler machte, und erbitterte sich gleichzeitig über sein eigenes Ungeschick“ (296); „Es war eine Besessenheit, deren ich mich nicht erwehren konnte“ (297); schließlich kam „dieser grauenhafte, dieser unbeschreibbare Zustand zur Krise“ (299), die ihn rettete: Nach einem Nervenzusammenbruch kam er in ein Hospital und durfte nach seiner Genesung Österreich verlassen – in diesem Zusammenhang steht die Reise nach Buenos Aires; er gewinnt die Partie gegen den Weltmeister Czentovic scheinbar ohne Anstrengung: „Jedesmal hatte es den Anschein, als hätte er den Zug des Gegners schon im voraus berechnet“ (306); „es war offenbar, daß er hundertmal schneller kombinierte als Czentovic“ (307); gerät während des Spiels aufgrund von Czentovics Langsamkeit in zunehmende Erregung; lässt sich auf eine Revanche ein, während der er immer geistesabwesender wird und parallel zum realen Spiel gegen Czentovic im Geist weitere Partien durchspielt, die er schließlich mit dem realen Spiel verwechselt: „Alles steht ganz falsch auf diesem Brett … Das ist ja eine ganz andere Partie“ (313); gibt daraufhin die Partie auf und bekräftigt: „es war das letzte Mal, daß ich mich im Schach versucht habe“ (314). Balinkay, Baron: ehemaliger Angehöriger des Regiments von Anton Hofmiller im Roman Ungeduld des Herzens; verheiratet mit einer zwölf Jahre älteren Frau; „das mauvais sujet des Regiments“ (284); „hatte … als Leutnant und dann als Oberstleutnant gedient, der beste Reiter, der tollste Bursche des Regiments, ein wilder Spieler und Ladykiller. Aber irgend etwas Peinliches war dann passiert, … in vierundzwanzig Stunden hatte er die Uniform an den Nagel gehängt und war dann kreuz und quer in der Welt herumgeschwommen, … 3

FIGUREN:

Belangur – Berger, Bertold

Schließlich hatte er sich wieder zusammengerissen dadurch, daß er sich … in Kairo eine reiche Holländerin angelte, eine Witwe mit schweren Millionen“ (284-285); lebt in Amsterdam; ist seinem alten Regiment treu verbunden, stiftet zu Weihnachten regelmäßig Schnaps und Champagner und „einen saftigen Scheck für die Kameradschaftskasse“ (285); gibt, als er wieder einmal in Österreich ist, ein großes Fest für die Angehörigen des Regiments, an dem auch Anton Hofmiller teilnimmt; „Er hat eine so sichere Art in jeder Bewegung und dazu den hellen warmen Blick der Leichtsinnigen und Leichtlebigen“ (308); von Hofmiller gefragt, ob er ihm eine Stellung außerhalb des Militärs und außerhalb Österreichs verschaffen kann, rät er diesem zunächst ab („Hier hast du deinen Rang, hier stellst du was vor. Aber im Augenblick, wo du was andres neu anfangen willst, ist der letzte Schubiak … dir über“, 309-310) und erzählt ihm von sich selbst und seinen „Blamagen und Erniedrigungen“ (313), als er nach acht Jahren beim Militär einen Neuanfang machte: Er war in Wien an einen Betrüger geraten, der ihm 200 Kronen abnahm und ihn nach Kairo schickte, wo angeblich sein Schwager einen vornehmen Klub leitete, in dem Balinkay eine gute Stellung bekommen könne; als sich dies als Betrug herausstellte, musste sich Balinkay aus Geldmangel in einem Hotel als Zimmerkellner verdingen, wo ihn der Schwager seiner späteren Frau – „so ziemlich der ordinärste Kerl, … breit, dick, schwammig, patzig“, 315) – beleidigte, was ihr („eine noble, anständige Person“, 317) sehr peinlich war; als er sie zufällig im Klub eines Bekannten wiedertraf und er ihr vorgestellt wurde, erfuhr sie von seinem wahren gesellschaftlichen Hintergrund: „Alles andere hat sich dann rasch gedeichselt. … Aber glaub mir, … ich möchte`s nicht ein zweites Mal durchleben, was ich vorher erlebt hab“ (317); als Hofmiller bei seiner Bitte beharrt, nimmt er ihn in seinem Wagen noch am selben Nachmittag mit nach Wien, um dort seine Frau nach einer Stelle für Hofmiller zu fragen; diese bietet Hofmiller eine Stellung als Assistent des Zahlmeisters auf einem ihrer Handelsschiffe an, die er sofort antreten könnte; Balinkay rät Hofmiller aber nochmals, „so was nicht aus dem Handgelenk“ (321) zu entscheiden. Belangur: älterer Bruder Viratas in der Erzählung „Die Augen des ewigen Bruders“ (Rahel rechtet mit Gott, 12-55); „der Fürst der Gebirge“ (16); wird von Virata im nächtlichen Kampf getötet, weil er gegen den König rebelliert; siehe auch unter Virata. Bella: Tante von Anton Hofmiller im Roman Ungeduld des Herzens (409). Benjamin: siehe Marnefesch, Benjamin Berger, Bertold: Protagonist der Erzählung „Scharlach“ (Brennendes Geheimnis, 86-152); ein 18-jähriger Mann aus der Provinz, der (im Herbst) nach Wien zieht, um dort Medizin zu studieren; bezieht Quartier in der Josefstadt; macht am ersten Abend die Bekanntschaft seines Zimmernachbarn Schramek, eines Jurastudenten, und empfindet es als „unsagbares Glück, gleich am ersten Tage einen Freund gefunden zu haben“ (94); empfindet Schramek als Vorbild, dem er nacheifern möchte, wobei ihm durch die Bekanntschaft mit Schramek sein Anderssein besonders bewusst wird: „Er war immer der schwächste, verzärteltste, kränklichste seiner Kameraden gewesen, immer zurückgeblieben in Spiel und Übermut, aber erst heute empfand er es schmerzlich“ (94-95); um dem Burschenschaftler Schramek, der ihn „nicht für voll nahm“ (98), zu imponieren, sucht er Streit und provoziert ein Duell mit einem anderen Studenten aus der Burschenschaft, was Schramek aber zu verhindern weiß; empfindet sein Leben in Wien zunehmend als öde und stürzt sich aufs Studium; als er Schrameks Geliebte Karla kennenlernt, fühlt er sich von ihr zunächst angezogen, die Begegnung mit ihr „hatte eine leise flimmernde Erregung in sein Blut gestrahlt“ (109); versucht eines Abends, als er allein mit ihr in Schrameks Wohnung ist, sie zu überwältigen, was ihm, obwohl sie durchaus nicht abgeneigt ist, nicht gelingt, da sie ihm körperlich überlegen ist: „Wie ein Feuer 4

FIGUREN:

Berger, Edith – Bob

brannte die Wut in ihm über seine klägliche Schwäche, daß er nicht einmal eine Willige bezwingen konnte“ (120); als sie später in Schrameks Anwesenheit, aber von diesem unbemerkt, mit ihm anbändelt und sich ihm mehr oder weniger unverhohlen anbietet, packt ihn „ein wilder zorniger Ekel … vor seinem Freund, vor dieser Dirne, vor sich selbst, … todesmüder, schauervoller und ohnmächtiger Ekel vor dem ganzen Leben“ (128); bricht daraufhin die Beziehung zu Schramek und Karla ab, gibt sein Studium auf; schreibt an seine Schwester einen Brief über seine Gefühle, den er aber zerreißt; „Er verlumpte sich allmählich, trieb sich mit Frauen herum, … aber all das geschah ohne Lust und ohne Begier“ (134); als er (im Frühling) eines Nachts zufällig erfährt, dass Mizzi, die Tochter seiner Vermieterin, an Scharlach erkrankt ist, vollzieht sich eine Wendung: „In Berger quoll ein wunderbares Gefühl auf. Zum ersten Male … würde er einem Menschen helfen können, zum ersten Male spürte er beglückt etwas von dem Glanz seines Berufs“ (136); er übernimmt die Pflege des Mädchens und kümmert sich zwei Wochen lang um die langsam Genesende, wobei er sich in sie verliebt; er beschließt, sein Studium wieder aufzunehmen; stirbt allerdings kurz darauf, weil er sich bei Mizzi mit Scharlach angesteckt hat. -seine Vermieterin: „eine ältere verhärmte Frau, Beamtenswitwe“, die mit ihrer Tochter Mizzi „nur ein armseliges Kabinett“ (87) bewohnt; kümmert sich drei Nächte lang um ihre Tochter, als diese an Scharlach erkrankt, bis Berger Mizzis Pflege übernimmt. Berger, Edith: Schwester von Bertold Berger in der Erzählung „Scharlach“ (Brennendes Geheimnis, 86-152); die beiden haben ein sehr inniges Verhältnis – sie hat ihm ein Bild von sich mit nach Wien gegeben, das er in seinem Studentenzimmer aufstellt; für Bertold Berger das Ideal einer Frau: „Freilich, nichts Wildes ersehnte er sich, sondern eine Frau, zart und sanft wie seine Schwester“ (111); reist nach Wien, als ihr Bruder im Sterben liegt, und ist bei seinem Tod am Sterbebett anwesend. Betsy: Ich-Erzählerin der Erzählung „War er es?“ (Brennendes Geheimnis, 272-312); Frau eines ehemaligen hohen Regierungsbeamten, deren Kinder „längst verheiratet“ (272) sind; lebt mit ihrem Mann in der englischen Provinz in einem „kleinen ländlichen Ort in der Nähe von Bath“, um dort „mit den kleinen stillen Dingen des Lebens wie Blumen und Büchern die restlichen, schon ein wenig abendkühlen Tage unseres Lebens zu verbringen“ (272); das Grundstück ihres Hauses grenzt – wie das des Protagonisten John Charleston Limpley, ihres Nachbarn – an den stillgelegten und versumpften Kenneth-Avon-Kanal; schließt Freundschaft mit den Limpleys und vermittelt ihnen eine junge Bulldogge, Ponto; beruhigt und tröstet den aufgeregten Limpley bei der Geburt seiner Tochter; rettet das Baby vor dem Angriff Pontos, als dieser es kurz nach der Geburt töten will; hegt nach dem Tod des Babys den starken Verdacht, Ponto habe es mitsamt dem Kinderwagen in den Kanal gestoßen. -ihr Mann: hat vor sechs Jahren „seine Dienstzeit in den Kolonien als hoher Regierungsbeamter beendet“ (272) und verbringt zurückgezogen mit Betsy seinen Ruhestand; kennt Betsy seit 32 Jahren; teilt dem Protagonisten John Charleston Limpley mit, dass dessen Frau schwanger ist; rät nach der Attacke Pontos auf das neugeborene Baby der Limpleys dazu, den Hund zu erschießen. Blanche: ein dreizehnjähriges Mädchen, Tochter von Henriette und Schwester von Annette in der Erzählung „Vierundzwanzig Stunden aus dem Leben einer Frau“ (Phantastische Nacht, 70-144). Bob: Protagonist der Erzählung „Geschichte in der Dämmerung“ (Verwirrung der Gefühle, 79-115); ein 15-jähriger Engländer, der zusammen mit anderen Verwandten einen Sommer auf dem schottischen Schloss seiner verheirateten Schwester verbringt; „außerordentlich schön. Kindhaft gekämmt fallen die schwarzen Haare glatt über die fast überhohe Stirn, und 5

FIGUREN:

Boolen, Alwin van – Boolen, Anthony van

die Hände … sind sehr zart und edel“ (81); wird eines Abends im Park des Schlosses von einer Frau, die er im Dunkel nicht erkennen kann, umschlungen und leidenschaftlich geküsst: „wie Schmerz schlägt Schauer seinen Leib, daß er die Augen schließen muß und sich willenlos als Beute diesen brennenden Lippen hingeben … bis er trunken ist, willenlos, sinnlos hintreibend in eine ungeheure Leidenschaftlichkeit“ (84); er will nun unbedingt herausfinden, wer die Leidenschaftliche ist; bemerkt beim zweiten Rendezvous (am nächsten Abend ebenfalls im bereits dunklen Park), dass seine Liebhaberin ein achteckiges Medaillon am Handgelenk trägt; als er am nächsten Morgen bemerkt, dass seine Cousine Margot eine solche Münze trägt, hält er sie für seine Liebhaberin, kann dies anfangs aber kaum glauben: „Ist das wirklich dieselbe Frau, deren Keuchen er gestern niedergepreßt, deren feuchte Lippen er getrunken, die sich nachts wie ein Raubtier auf ihn gestürzt?“ (91); er verliebt sich in sie, obwohl sie sich ihm gegenüber weiterhin kühl, stolz und unnahbar gibt; beim dritten, noch leidenschaftlicheren Rendezvous spricht er die Unbekannte mit Margot an, worauf sie sich weinend von ihm losreißt und flieht; daraufhin will er Margot seine Liebe gestehen; beim Versuch, über einen Baum an das Fenster ihre Zimmers zu klettern, stürzt er ab und bricht sich ein Bein; während seiner langen Genesung steigert sich seine Liebe zu Margot noch: „Der Gedanke, daß er um Margots, um der Geliebten willen, den Schmerz erlitten habe, gibt dem Knaben ein sehr romantisches … Selbstgefühl“ (104-105); bei einem Besuch seiner Cousine Elisabeth am Krankenbett bemerkt er, dass auch sie ein achteckiges Medaillon trägt, und erkennt „den furchtbaren Irrtum“ (109), dass er sich die ganze Zeit getäuscht hat und sie seine heimliche Liebhaberin ist; „Scham und Ärger über seine Torheit packt ihn, aber gleichzeitig auch ein wilder Schmerz. Er weiß nun, daß ihm Margot auf immer verloren ist, aber er spürt, daß er sie unverändert liebt … Und Elisabeth – wie im Zorn stößt er ihr Bild von sich, denn all die Hingabe und die jetzt so gedämpfte Glut ihrer Leidenschaft können ihm nicht mehr so viel sein wie ein Lächeln Margots … Hätte Elisabeth damals sich ihm gezeigt, er hätte sie geliebt, … aber jetzt hat sich in den tausend Träumen der Name Margots zu tief in ihn eingebrannt“ (110-111); kehrt nach seiner Genesung nach London zurück – „Er ist einer jener Menschen geworden, die kein Verhältnis mehr zur Liebe zu den Frauen finden können“ (114). Boolen, Alwin van: Sohn von Anthony und Claire van Boolen im Roman Rausch der Verwandlung (147). Boolen, Anthony van: reicher Onkel von Christine Hoflehner im Roman Rausch der Verwandlung; „Holländer, aber seit vielen Jahren eingesessener Baumwollmakler in den amerikanischen Südstaaten, … ein gutmütiger, phlegmatischer und im Grunde höchst unbeträchtlicher Mann“ (13); 67 Jahre alt (77); etwas fettleibig; verbringt mit seiner Frau Claire, der Schwester von Christines Mutter Marie, im Sommer 1926 einen Urlaub im Palace Hotel in Pontresina; „als Holländer ißt er gern, viel und behaglich“ (53); legt großen Wert auf Pünktlichkeit; pokert gerne; fühlt sich nach Christines „Verwandlung“ in eine vornehme Dame „erheitert, belebt, angeregt, erfrischt und fast verwegen“ (74) und tanzt mit ihr; schenkt Christine, als sie ihn auf Bitte ihrer Tante von einer Pokerpartie zum Diner abholt, Spielmarken im Wert von 255 Franken; ärgert sich im weiteren Verlauf des Urlaubs über Christines Unpünktlichkeit und den Trubel, die „wirbelnde Seligkeit“ (115), die sie im Hotel mit anderen jungen Leuten verursacht; als Christines soziale Herkunft entdeckt wird und seine Frau Claire aufgrund der „Schande“ (147) abreisen möchte, sieht Anthony dafür keinen Grund („Wieso Schande? Alle Amerikaner haben arme Verwandte“, 147; „es ist mir gleichgültig. Sie ist ein braves Mädel, …ob sie arm ist oder nicht, geht keinen einen Dreck an. Ich … pfeife darauf, ob sie uns nobel finden oder nicht“, 148), gibt schließlich aber nach; siehe auch unter Claire van Boolen.

6

FIGUREN:

Boolen, Claire van – Brancoric, Gottfried

Boolen, Claire van: Frau von Anthony van Boolen, Tante von Christine Hoflehner im Roman Rausch der Verwandlung; hat Österreich Anfang 1900 „im Zuge einer etwas dunklen Geschichte“ (15) verlassen – einer Affäre, die sie, damals „Probierfräulein“ „in einem vornehmen Modesalon auf dem Kohlmarkt“ (15), mit einem „ältlichen Holzindustriellen“ (15) hatte und die damit endete, dass dessen Ehefrau sie mit einer Pistole angriff, aber nur unerheblich verletzte; wanderte nach diesem Skandal auf Kosten ihres ehemaligen Liebhabers nach Amerika aus; lernte in New York Anthony van Boolen kennen, „damals nur kleiner Kommissionär für ein holländisches Exporthaus“ (17), den sie bald darauf heiratete und dem sie ihre Vergangenheit verschweigt: „Nach drei Jahren hatten sie zwei Kinder, nach fünf Jahren ein Haus, nach zehn ein stattliches Vermögen“ (17); „Vizepräsidentin der Gesellschaft für entlassene Sträflinge, in der ganzen Stadt hochgeachtet und geehrt“ (145); verbringt mit ihrem Mann im Sommer 1926 einen Urlaub im Palace Hotel in Pontresina; lädt zunächst ihre Schwester Marie Hoflehner dorthin ein, dann, als diese aus Gesundheitsgründen absagt, deren jüngste Tochter Christine; „eine künstlich blonde, künstlich junge, sehr elegante Dame“ (48); bekommt angesichts von Christines offensichtlicher Armut ein schlechtes Gewissen und empfindet „Etwas wie Scham“ (57); sie stattet Christine, die sie „reichlich kompromittabel … ausstaffiert“ (55) findet, mit luxuriöser Kleidung aus ihrer eigenen Garderobe aus und kauft ihr zusätzlich neue Kleider, Schuhe usw.; als General Elkins ihr mitteilt, dass über die soziale Herkunft ihrer Nichte Christine entsprechende Gerüchte im Hotel kursieren, ist sie „bedeutend mehr erschrocken …, als sie hat merken lassen“ (143); aufgrund ihrer eigenen Herkunft verspürt sie „eine jahrealte unauslöschbare Angst, … die Angst vor der Entdeckung der eigenen Vergangenheit“ (143); sie befürchtet plötzlich, dass der Hotelgast Löwy mit der Frau ihres ehemaligen Liebhabers verwandt ist und sie erkennen könnte; empfindet den Skandal als „Schande“ (147) und setzt bei ihrem Mann Anthony, der zunächst unwillig ist, durch, dass sie am nächsten Tag nach Interlaken abreisen; den wahren Grund für ihre Abreise teilt sie Christine nicht mit, sondern schiebt gesundheitliche Probleme Anthonys vor; sie legt Christine nahe, „von hier aus direkt nach Hause zu fahren, … gegen sieben Uhr früh“ (158). Boolen, Dicky van: Sohn von Anthony und Claire van Boolen im Roman Rausch der Verwandlung (147). Boolen, Christiane von: Name, unter dem Christine Hoflehner im Roman Rausch der Verwandlung im Palace Hotel in Pontresina auftritt; siehe unter Christine Hoflehner. Boris: Protagonist der Erzählung „Episode am Genfer See“ (Der Amokläufer, 191-200); ein einfacher russischer Soldat im Ersten Weltkrieg, der mit seiner Frau und drei Kindern in der Nähe des Baikalsees wohnte; er wird, auf einigen Balken auf dem Genfer See treibend, in einer Sommernacht 1918 von einem Fischer aufgelesen und ans Ufer gebracht; ist aus einem Lazarett geflohen und möchte in seine Heimat zurückkehren – „ein Angehöriger jener russischen Divisionen in Frankreich…, die man über die halbe Erde, über Sibirien und Wladiwostok an die französische Front geschickt hatte“ (193); als der Manager eines Gasthofs ihm erklärt, er könne aufgrund des immer noch andauernden Krieges vorerst nicht nach Russland zurückkehren, verzweifelt er und nimmt sich im Genfer See das Leben. Božena: Köchin im Hause Hoflehner bei Ausbruch des 1. Weltkrieges im Roman Rausch der Verwandlung (27). Brancoric, Gottfried: Patient im Feldlazarett und später Ehemann von Clarissa Schuhmeister im Romanentwurf Clarissa; „ein Mann von etwa siebenundzwanzig Jahren, er hatte einen kindlichen, weichen Mund, vielleicht, daß er hübsch sein mochte mit seinem braunen gelockten Haar, seiner glänzenden Stirn“ (125); Apotheker; ist als Fähnrich an der Front 7

FIGUREN:

Brancoric, Leonard Leopold – Bubencic, Svetozar

verschüttet worden und hat „eine grausame, gräßliche Angst“ (126) vor dem Krieg; spricht stotternd und nimmt heimlich ein Brechmittel, um Krankheit zu simulieren und nicht mehr zurück in den Krieg zu müssen; als Clarissa, die sich im Lazarett um ihn kümmert, dies entdeckt und ihn zur Rede stellt, gesteht er ihr seine Feigheit: „Ja… ich bin feig… ich habe Angst… Angst ist ein tausendfaches Sterben“ (135); er fleht sie an, ihn nicht zu verraten, worauf sie sich aus Mitleid einlässt; daraufhin wird er für kriegsuntauglich befunden; er bittet Clarissa, ihn zu heiraten – „ich müßte jemand haben neben mir … der mir hilft, der mich hält … jemanden wie Sie“ (140) –, was sie zunächst ablehnt; er erhält sein Angebot auch aufrecht, als Clarissa ihm mitteilt, dass sie von einem fremden Mann schwanger ist: „das macht doch nichts aus … wir denken bei uns … nicht so läppisch“ (155); „Das Kind soll leben! Es soll meinen Namen tragen!“ (156); er heiratet sie, woraufhin sie ihm ihr von der Mutter ererbtes Vermögen von 36.000 Kronen überschreibt; daraufhin beginnt er groß angelegte Schieberund Schmugglergeschäfte, wozu er ständig im Ausland unterwegs ist, während Clarissa, die er nicht einweiht, in seiner Wohnung in Wien bleibt; von der Zeit im Lazarett hat er sich schnell erholt: „Aus dem fahlen, heruntergehungerten Gespenst war ein bräunlich gebrannter Mann geworden. Hübsch war er, mit seinem kindlichen Mund“ (164); kehrt Anfang 1919, nachdem er einige Zeit in einem türkischen Gefängnis gesessen hat, zu Clarissa nach Wien zurück; stellt fest, dass sein Komplize Alois Huber ihn um 180.000 Kronen betrogen hat und er pleite ist; bemüht sich vergeblich, eine Arbeit zu finden, worauf er immer verzweifelter wird; als Clarissa ihn tröstet, wird er gegen ihren Willen mit ihr intim; er findet schließlich eine Anstellung und lebt weiter mit Clarissa zusammen, geht aber körperlich wieder auf Distanz zu ihr, „seit er gespürt, wie sehr sie ihren Widerwillen darüber behielt, daß er sie nahm“ (183). Brancoric, Leonard Leopold: Sohn von Clarissa Schuhmeister und Léonard im Romanentwurf Clarissa; 1915 geboren; erkrankt 1917 aufgrund des Nahrungsmittelmangels und magert ab, wird aber von Clarissa mit geschmuggelten Lebensmitteln von Alois Huber wieder aufgepäppelt. Bubencic, Svetozar: Oberst im Regiment von Anton Hofmiller und dessen Vorgesetzter im Roman Ungeduld des Herzens; cholerischen Gemüts; bäuerlicher Abstammung, aus dem Banat kommend; „ein hundertgrädiger Troupier und der gefürchtetste unter unseren Vorgesetzten. Kurzbeinig, kurzhalsig, kurzstirnig, verbarg er unter den struppigen Brauen ein Paar tiefsitzende glimmrige Augen, die selten jemand heiter gesehen. … Seiner krassen Unbildung, seiner rüden Sprech- und Schimpfweise und seiner wenig repräsentablen Art wegen schob ihn … seit Jahren das Ministerium von einer Provinzgarnison in die andere … Doch … in der Kaserne und auf dem Exerzierplatz kam ihm keiner gleich. Er kannte den kleinsten Paragraphen des Reglements wie ein schottischer Puritaner die Bibel“ (421); „Er lebte im allerhöchsten Dienst wie Gläubige in Gott, er gab sich nicht mit Frauen ab, er rauchte nicht, er spielte nicht, hatte zeitlebens kaum ein Theater oder Konzert besucht … für ihn existierte nichts auf Erden als die kaiserlich und königliche Armee … Daß alles bei … seinem Regiment besser als bei jedem andern klappen sollte, war in nuce der Sinn seines Lebens“ (422); „Wie den leibhaftigen Satan fürchtete ihn die Mannschaft, der er für jede Nichtigkeit Spangen und Arrest aufrasselte“ (423); zeichnet sich andererseits durch „unbedingte kameradschaftliche Solidarität“ (424) aus und ist deshalb bei seinen Untergebenen nicht unbeliebt: „Wir gehörten zu ihm und wußten genau, daß, wenn einer etwas ausgefressen hatte, er am klügsten tat, geradewegs zu ihm zu gehen, worauf er einen zunächst angrobste, dann aber sich doch in die Stiefel steckte, um einen aus dem Schlamassel herauszupaddeln“ (424); hat den Prinzen W. trotz dessen Verwandtschaft mit dem Kaiserhaus und entsprechenden Interventionen aus Wien nach einem Vergehen zu vierzehntägigem Arrest verurteilt; erteilt Hofmiller vor versammelter Mannschaft einen schweren Rüffel, als dieser bei einer Manöverübung patzt; staucht den Grafen Steinhübel zusammen, als diesem bei einer Übung 8

FIGUREN:

Buchmendel – C., Mrs.

sein neu erworbenes Pferd durchgeht; tadelt Hofmiller, als dieser ihm nachts begegnet, wegen seines nachlässigen Äußeren; als Hofmiller, der kurz vor dem Selbstmord steht, ihn um ein Gespräch bittet, stimmt Bubencic trotz der späten Stunde zu; als Hofmiller sich ihm anvertraut und ihm seinen geplanten Selbstmord ankündigt, will Bubencic davon nichts wissen („Unsinn! Wegen so was“, 428), verspricht Hofmiller, sich um die Angelegenheit zu kümmern, lässt ihn sein Ehrenwort geben, sich in dieser Nacht nichts anzutun, und kommandiert ihn für den nächsten Morgen zum Ersatzkader nach Czaslau ab; begeht nach einer Niederlage im serbischen Feldzug „angesichts des panikartigen Rückzugs, den er als schmählich für die Ehre der Armee empfand“ (425), Selbstmord, indem er sich erschießt. Buchmendel: siehe unter Jakob Mendel C., Mrs.: Protagonistin der Erzählung „Vierundzwanzig Stunden aus dem Leben einer Frau“ (Phantastische Nacht, 70-144); verbringt 1904 einen Urlaub in einer kleinen Pension an der Riviera; eine „weißhaarige, vornehme, alte englische Dame … eine wunderbare Zusammengefaßtheit und Ruhe strahlte von ihrem aristokratisch verhaltenen Wesen“ (78); 67 Jahre alt; Tochter reicher Landlords; erzählt dem (namenlosen) Ich-Erzähler anlässlich eines Skandals, der sich im benachbarten Hotel zugetragen hat, eine 25 Jahre zurückliegende, nur 24 Stunden umfassende Episode aus ihrem Leben: Nach dem plötzlichen Tod ihres Mannes begann sie zu reisen und verbrachte „Im zweiten Trauerjahr, also im zweiundvierzigsten Jahr meines Lebens“ (87) einen März in Monte Carlo; im dortigen Spielcasino „begannen jene vierundzwanzig Stunden, die erregender waren als alles Spiel und mein Schicksal auf Jahre hinaus verstörten“ (87): Sie beobachtet im Casino einen jungen Mann beim Spiel und ist zunehmend fasziniert von den Bewegungen seiner Hände und seiner Mimik – „Hier drängte ein ganzer übervoller Mensch, sofort wußte ichs, seine Leidenschaft in die Fingerspitzen zusammen, um nicht selbst von ihr auseinandergesprengt zu werden“ (91-92); sie geht ganz in der Beobachtung auf: „Ich hörte nichts, ich spürte nichts, ich merkte nicht Menschen neben mir vordrängen“ (96); als er sein gesamtes Geld verloren hat, folgt sie ihm aus dem Casino, da sie befürchtet, er wolle sich umbringen – „ich mußte ihm nach: ohne daß ich es wollte, schob sich mein Fuß“ (98); sie spricht ihn an und bringt ihn, zunächst gegen seinen Widerstand und obwohl er sie zuerst für eine Prostituierte hält, in ein Hotel, wo sie schließlich die Nacht mit ihm verbringt: „in jener Nacht rang ich mit einem Menschen um sein Leben, denn … um Leben und Sterben ging dieser Kampf“ (110); auch den nächsten Tag verbringt sie mit ihm und nimmt ihm auf einem Ausflug in einer Kirche den Schwur ab, niemals wieder zu spielen; ist anschließend überzeugt: „diesen Menschen hatte ich für immer gerettet“ (125); gibt ihm daraufhin Geld für die Heimreise und zur Auslösung zweier Schmuckstücke, die er seiner Tante gestohlen und verpfändet hat; mittlerweile ist sie ihm so verfallen, dass sie beschließt, mit ihm zu reisen – „Eine Art entzückter, begeisterter Taumel wirbelte mir im Blut“ (130); als sie den verabredeten Zug verpasst, geht sie noch einmal ins Casino – wo sie ihn wieder trifft: „Er war nicht weggefahren, wie er mir geschworen, … er hatte das Geld, das ich ihm zur Heimreise gegeben, hierhergetragen … er hatte mich vollkommen vergessen; ich war herausgesunken … aus seinem Leben“ (135-137); sie bemüht sich vergebens, ihn vom Spiel abzubringen, bis es zu einer höchst peinlichen Szene vor allen Besuchern des Casinos kommt; „ganz geduckt von dieser Jauche von Erniedrigung und Scham“ (140) verlässt sie das Casino und Monte Carlo. -ihr „Schützling“: ein etwa 24-jähriger Mann, leidenschaftlicher Spieler; aus einer alten Adelsfamilie des österreichischen Polens stammend; katholisch und religiös; ist nach Abschluss seines Studiums in Wien der „Raserei des Spieles bald beim Rennen, bald in Kaffeehäusern oder in Klubs“ (118) verfallen, „vergiftet … von seiner Leidenschaft bis in den letzten Blutstropfen“ (120); „Eine Zeitlang deckte ihn … das Spielglück – dann aber ging es unaufhaltsam abwärts“ (119); stiehlt schließlich seiner Tante zwei Boutons, um an Geld zu 9

FIGUREN:

Carla – Condor, Dr. Emmerich

gelangen, und flieht noch vor Aufdeckung des Diebstahls nach Monte Carlo, „um sich im Roulette das erträumte Vermögen zu holen“ (119); verspielt dort alles, wobei er von Mrs. C. beobachtet wird, die sich daraufhin seiner annimmt, ihn aber nicht vor seiner Spielsucht retten kann; begeht, wie Mrs. C. Jahre später erfährt, in Monte Carlo Selbstmord, indem er sich erschießt; siehe auch oben. Carla: Gast im Palace Hotel in Pontresina im Roman Rausch der Verwandlung; „Studentin der Chemie, klug und gerissen, übermütig, sinnlich, … sieht sie mit ihren scharfen schwarzen Augen alles, was vorgeht“ (113); 19 Jahre alt, aus Mannheim kommend; weiß über „alle Affairen des Hotels“ (113) Bescheid; ist „über Christines gesellschaftlichen Triumph leidenschaftlich erbittert“ (132) – vor Christine Hoflehners Ankunft hatte Edwin „mit ihr heftig geflirtet und Andeutungen ernster, vielleicht heiratlicher Absichten gegeben“ (132), nun beschäftigt er sich nur noch mit Christine; sie heuchelt Freundschaft zu Christine, findet heraus, dass diese „eigentlich aus kleinem, beengten Milieu“ (133) stammt; sie forscht weiter nach und erfährt von der Friseuse Madame Duvernois und dem Stubenmädchen von Christines Etage die Wahrheit über Christine, schließlich auch, „daß Christine gar nicht von Boolen hieße“ (134); sie verrät alles der Frau Geheimrat Strodtmann, die den Skandal im ganzen Hotel verbreitet. Condor, Anton: Wiener Kaufmann im Roman Ungeduld des Herzens (326). Condor, Dr. Emmerich: Arzt von Edith von Kekesfalva im Roman Ungeduld des Herzens; Ende vierzig (189); verlor seinen Vater („der Mensch, den ich auf Erden am meisten liebte“, 190), als er 22 Jahre alt war und dieser an Diabetes starb; untersucht und behandelt Edith regelmäßig alle zwei bis drei Wochen; hat seine Praxis in einem schäbigen Haus in Wien, VIII., Florianigasse 97; „er gehört nicht zu denen, die von sich viel Wesens machen … er sucht keine große Praxis. … ein merkwürdiger, ein ganz besonderer Mensch. … ihn interessieren nur die schweren Fälle, nur die, an denen die andern Ärzte mit Achselzucken vorübergehen“ (106); hat bereits Lajos von Kekesfalvas Frau „bis zum letzten Augenblick“ (106) behandelt: „dieser Mensch lebt und stirbt mit jedem Kranken mit“ (106); „er denkt eben nicht von sich aus, sondern von dem andern her, von dem Leidenden … ein wunderbarer Mensch“ (107); hat eine erblindete Patientin, die er trotz Versprechens nicht heilen konnte, geheiratet – „eine blinde Frau, sieben Jahre älter als er, nicht schön und ohne Geld, eine hysterische Person, die jetzt auf ihm lastet“ (107); behandelt seine Frau liebevoll und zärtlich – „ich wußte, daß diese Frau zugrunde gehen würde, wenn ich sie im Stiche ließe“ (345-346); seine äußere Erscheinung wirkt nicht vorteilhaft: ein untersetzter, dicklicher Herr, „kurzsichtig und glatzköpfig“ (114), „das bürgerlichste, behäbigste Gesicht, vollmondrundlich und von kleinen Grübchen und Pusteln durchkratert, kartofflig die Nase, verschwommen das Kinn, rötlich und von starker Bartspur beschattet die Backen, kuglig und kurz der Hals“ (115); findet Edith, nachdem sie Anton Hofmiller kennengelernt hat, psychisch verändert, bemerkt „Widerstand“ (120) gegen sich und seine Untersuchungen, was er aber als „Verstärkung des Lebenswillens, des Gesundheitswillens“ (121) deutet; spricht auf dem Weg von Kekesfalvas zum Bahnhof mit großer „Unbefangenheit“ (125) zu Hofmiller und offenbart ihm, dass er weniger um Edith als vielmehr um den Gesundheitszustand ihres Vaters besorgt ist, der „von Woche zu Woche mehr verfällt“ (127); als Hofmiller Kekesfalva als echten Edelmann bezeichnet, entgegnet Condor, „daß es mit seinem Edelmannstum nicht so weit her ist“ (129), bekräftigt aber gleichzeitig: „Sie brauchen sich nicht zu schämen, daß Sie ihm … so viel Freundschaft bezeugt haben“ (130); geht daraufhin mit Hofmiller in die „Tiroler Weinstube“, wo er ihm in einem Séparée die Geschichte und Herkunft Kekesfalvas erzählt – eine Geschichte, die ihm Kekesfalva selbst „in der schwersten Nacht seines Lebens erzählte, in der seine Frau starb“ (155); bekräftigt Hofmiller gegenüber: „Sie tun wirklich … ein gutes 10

FIGUREN:

Condor, Dr. Emmerich

Werk, wenn Sie ein bißchen von Ihrer Jugend, Ihrer Vitalität, Ihrer Unbefangenheit in dies tragische Haus bringen“ (183); von Hofmiller gefragt, ob er Ediths Krankheit für heilbar oder unheilbar halte, teilt er diesem seine ärztliche Überzeugung mit: „mich werden Sie nie dazu bekommen, das Word „unheilbar“ auszusprechen. … Ein Arzt, der von vorneweg den Begriff „unheilbar“ akzeptiert, desertiert von seiner eigentlichen Aufgabe, er kapituliert vor der Schlacht“ (188); „Das Äußerste, was ich auch im verzweifeltsten Falle behaupten würde, wäre, daß ich eine Krankheit „noch-nicht-heilbar“ nenne“ (189); berichtet Hofmiller, er habe in einer medizinischen Zeitschrift von einer neuen Therapie des französischen Professors Viennot gelesen, der in einem ähnlichen Fall Erfolge erzielt habe; hat an Viennot geschrieben und wartet nun auf „genauere Daten“ (196), um zu entscheiden, ob die Methode auch auf Edith anwendbar ist; erfährt durch einen Brief von Edith, dass Hofmiller ihr bereits von der neuen Therapie als absolut sicherer Heilmethode berichtet hat; bittet Hofmiller daraufhin zu einem dringenden Gespräch in die „Tiroler Weinstube“; teilt Hofmiller dort mit, dass die neue Heilmethode, über die er mittlerweile durch Professor Viennot Näheres weiß, auf Edith nicht anwendbar ist; wirft Hofmiller vor: „es ist eine verflucht zweischneidige Sache mit dem Mitleid; wer damit nicht umzugehen weiß, soll die Hand davon lassen“ (233) – vor allem dann, wenn es (wie bei Hofmiller) „nur Ungeduld des Herzens ist, sich möglichst schnell freizumachen von der peinlichen Ergriffenheit vor einem fremden Unglück, … nur instinktive Abwehr des fremden Leidens von der eigenen Seele“ (235); will Edith und ihrem Vater die Wahrheit sagen und sie aus ihrer Illusion hinsichtlich der neuen Behandlungsmethode herausholen; lässt sich aber von Hofmiller überreden, damit noch zu warten und stattdessen „die psychischen Kräfte“ Ediths für eine mögliche Heilung zu nutzen, nachdem Hofmiller ihm versichert hat, er werde im Falle einer Enttäuschung Ediths die „Verantwortung auf sich nehmen, Edith wieder ins Gleichgewicht zu bringen, falls eine Krise eintreten sollte“ (240); rät Edith daraufhin zu einer Kur im Engadin; als Hofmiller ihn abends in Wien aufsucht und ihm von Ediths Liebe zu ihm, Hofmiller, erzählt und ihn bittet, er solle Edith ihre „Verliebtheit … ausreden“ (338), hält er dies für aussichtslos: „Einer Frau ihre Leidenschaft ausreden? Ihr sagen, sie soll nicht fühlen, wie sie fühlt?“ (339); erinnert Hofmiller daran, dass dieser „ausdrücklich alle Verantwortung auf sich genommen“ (339) habe; redet ihm streng und zornig ins Gewissen, als er ahnt, dass Hofmiller seine Besuche bei Kekesfalvas einstellen will: „Wissen Sie, was das wäre, wenn Sie sich jetzt aus dem Staube machten …, nachdem Sie mit Ihrem famosen Mitleid dem Mädel den Kopf verdreht haben? … eine jämmerliche Feigheit wäre ein solches Auskneifen“ (340); „Hier geht`s um einen lebendigen, einen jungen, einen wertvollen Menschen … Ihr Echappieren in einem so kritischen Augenblick wäre … ein niederträchtiges Verbrechen an einem unschuldigen Wesen, … es wäre Mord!“ (341); erkennt richtig, dass Hofmillers „Erschrecken“, von einer Behinderten geliebt zu werden, „gar nicht der Tatsache selbst galt, sondern den Konsequenzen“ (344): „meiner Meinung nach ist … Ihre unmäßige Verstörtheit nichts anderes als eine Art Angst … lächerlich zu werden vor den andern, vor Ihren Kameraden“ (344); er ermutigt Hofmiller („Glauben Sie mir … es lohnt sich schon, etwas Schweres auf sich zu nehmen, wenn man es einem anderen Menschen damit leichter macht“, 346) und bringt ihn schließlich dazu, sein Abschiedsgesuch, das Hofmiller am folgenden Tag einreichen will, zu vernichten; bittet ihn dann, die nächsten acht Tage bis zu Ediths Abreise zur Kur seine Rolle bei Kekesfalvas weiterzuspielen und „nichts Brüskes, nichts Plötzliches zu tun, und vor allem, mit keinem Wort und keiner Geste zu verraten, daß die Neigung dieses armen Kindes Sie dermaßen verstört“ (349); bietet Hofmiller an, er könne „zu jeder Stunde bei Tag oder Nacht kommen oder mich anrufen“ (351); fährt auf Bitte Hofmillers sofort zu Kekesfalvas, nachdem er durch schriftliche Nachricht erfahren hat, dass dieser seine Verlobung mit Edith vor seinen Kameraden geleugnet hat und nun vor dem drohenden Skandal flieht (bzw. auf Befehl seines Oberst Bubencic nach Czaslau abkommandiert wurde); als er bei Kekesfalvas eintrifft, hat sich Edith, die von dem Skandal erfahren hat, bereits von der Terrasse des Aussichtsturms gestürzt; „Condor fand sie noch am 11

FIGUREN:

Condor, Klara – Czentovic, Mirko

Leben“ (450) und bringt sie sofort in ein Wiener Krankenhaus, von wo er vergeblich versucht, Hofmiller anzurufen; berichtet Hofmiller am nächsten Tag telefonisch von diesen Vorgängen und dass Edith in der Nacht gestorben ist; reagiert auf Hofmillers schriftliche Rechtfertigungsversuche nicht. -sein Vater: erkrankte an Diabetes, als Condor 22 Jahre alt war und im 4. Semester Medizin studierte; „bis dahin ein starker, vollkommen gesunder, unermüdlich tätiger Mann, den ich [Emmerich Condor] leidenschaftlich liebte und verehrte“ (189); starb drei Jahre später an der damals unheilbaren Krankheit. Condor, Klara: Frau und ehemalige Patientin von Emmerich Condor, die dieser geheiratet hat, nachdem er sie nicht wie versprochen von einer Erblindung heilen konnte; sieben Jahre älter als er; „nicht schön und ohne Geld, eine hysterische Person, die jetzt auf ihm lastet“ (107); „eine hagere Frau … mit grauem, etwas wirrem Haar“ (330); will Anton Hofmiller wieder fortschicken, als er die Praxis ihres Mannes außerhalb der Ordinationsstunden aufsucht: „Gehn sie, hab ich gesagt. … Laßt ihn doch essen und schlafen wie andere Menschen! Krallt euch nicht alle an ihn! … ich duld es nicht, ich erlaub es nicht“ (331); ist ängstlich besorgt, ihr Mann überarbeite sich: „er ißt nicht, er schläft nicht wegen seiner Kranken. Jeder beutet ihn aus, und ich, mit meinen blinden Augen, kann ihm nichts wegschaffen. Wenn Sie wüßten, wie ich um ihn in Sorge bin“ (354); entschuldigt sich bei Hofmiller für ihre Unfreundlichkeit, als sie von ihrem Mann erfährt, dass dieser ihm bei seiner Patientin Edith von Kekesfalva helfe. Czentovic, Mirko: 21-jähriger Schachweltmeister, der in der Erzählung „Schachnovelle“ (Buchmendel, 248-314) auf einem Passagierdampfer von New York nach Buenos Aires zunächst gegen McConnor, dann gegen Dr. B. spielt; „Sohn eines blutarmen südslawischen Donauschiffers, dessen winzige Barke eines Nachts von einem Getreidedampfer überrannt wurde“ (249); wird als Zwölfjähriger vom Dorfpfarrer aufgenommen und erweist sich als dumpf und schwer von Begriff: „auch für die simpelsten Unterrichtsgegenstände fehlte seinem schwerfällig arbeitenden Gehirn jede festhaltende Kraft“ (249); als durch Zufall Czentovics besonderes Talent für Schach zutage tritt, erhält er auf Kosten einiger lokaler Schachfreunde eine Ausbildung bei einem Schachmeister in Wien: „Nach einem halben Jahre beherrschte Mirko sämtliche Geheimnisse der Schachtechnik, allerdings mit einer seltsamen Einschränkung … Denn Czentovic brachte es nie dazu, auch nur eine einzige Schachpartie auswendig – oder wie man fachgemäß sagt: blind – zu spielen. Ihm fehlte vollkommen die Fähigkeit, das Schlachtfeld in den unbegrenzten Raum der Phantasie zu stellen“ (253); „Mit siebzehn Jahren hatte er schon ein Dutzend Schachpreise gewonnen, mit achtzehn sich die ungarische Meisterschaft, mit zwanzig endlich die Weltmeisterschaft erobert“ (254); ist außerhalb des Schachspiels „in seinem Gehaben und seinen Manieren derselbe beschränkte Bauernjunge, der im Dorf die Stube des Pfarrers gefegt“ (254); versucht „aus seiner Begabung und seinem Ruhm mit einer kleinlichen und sogar oft ordinären Habgier herauszuholen, was an Geld herauszuholen war“ (254-255); „Kein sehr angenehmer Herr“ (263); „Nachdenken schien bei ihm eine geradezu physische Anstrengung, die alle seine Organe zu äußerster Konzentration nötigte“ (306); spielt gegen ein Honorar von 250 Dollar pro Partie gegen den Mitreisenden McConnor, der vom Ich-Erzähler und weiteren Passagieren unterstützt wird; gewinnt die erste Partie souverän, wobei er seinen Gegnern gegenüber „kalten Hochmut“ 269) zeigt; die zweite Partie endet als Remis, nachdem Dr. B. eingegriffen hat; spielt am folgenden Tag auf Initiative McConnors gegen Dr. B.; verliert die erste Partie trotz „endlosem Überlegen“ und „nach geschlagenen zweidreiviertel Stunden“ (307); gewinnt die Revanche, weil Dr. B. sich während des Spiels aufgrund von Czentovics Langsamkeit parallel mit imaginären anderen Partien beschäftigt, an entscheidender Stelle falsch zieht und die Partie aufgibt. 12

FIGUREN:

D., Roland v.

D., Roland v.: Ich-Erzähler und Protagonist der Erzählung „Verwirrung der Gefühle“ (Verwirrung der Gefühle, 182-279); ein renommierter Anglist, der zu seinem 60. Geburtstag von seinen Schülern und Kollegen eine Festschrift über seinen Werdegang erhält und nach der Lektüre feststellt, dass sein Mentor, „von dem aller schöpferischer Impuls ausging, der Name des Mannes, der mein Schicksal bestimmte“ (183), darin nicht erwähnt wird – für ihn Anlass, sich diesen Mann und seine eigene Studienzeit noch einmal in Erinnerung zu rufen: Als „Rektorssohn“ in einer „norddeutschen Kleinstadt“ (184) ist Roland der Philologie zunächst abgeneigt, möchte nach dem Abitur „Offizier werden, Seemann oder Ingenieur“ (185); sein Vater besteht aber auf ein Studium, so dass sich Roland für die englische Philologie entscheidet; während seines ersten Semesters in Berlin studiert er kaum: „von früh bis nachts trieb ich mich um in den Straßen“ (186); als sein Vater ihn bei einem unangemeldeten Besuch mit einem Mädchen überrascht und bemerkt, dass Roland sein Studium vernachlässigt, stellt er ihn zur Rede und rät ihm schließlich, Berlin zu verlassen und an eine kleine Universität in einer Provinzstadt in Mitteldeutschland zu wechseln; aus Scham und Zerknirschung nimmt Roland den Rat an; an der neuen Universität lernt er seinen Mentor, einen Englischprofessor, kennen und ist sofort begeistert und fasziniert von ihm und seinem Enthusiasmus: „Niemals noch hatte ich einen Menschen so begeistert, so wahrhaft mitreißend reden gehört“ (194); „ich war wie auf das Herz getroffen. Leidenschaftlich ich selbst, … hatte ich zum erstenmal von einem Lehrer, von einem Menschen mich gefaßt gefühlt“ (198-199); Roland mietet im Haus des Professors, der sich freundschaftlich-hilfsbereit zeigt, ein Zimmer; seine Begeisterung für den Professor wächst schnell zur „Verehrung eines Jünglings“ (207); er widmet sich nun mit „einem leidenschaftlichen Furor des Lesens und Lernens“ (209) seinem Studium, angespornt von dem Wunsch, „vor meinem Lehrer zu bestehen, … ein zustimmendes Lächeln zu erobern, von ihm gespürt zu werden, wie ich ihn spürte“ (210); als Roland eines Tages, um vom Lernen zu entspannen, schwimmen geht, lässt er sich auf ein Wettschwimmen mit einer Frau ein, der er hinterher seine Begleitung anträgt, die sich schließlich aber als Frau des Professors zu erkennen gibt; Roland ist sehr beschämt, spürt dann aber ein Geheimnis, einen „Schatten“ (218) in der Beziehung zwischen dem Professor und seiner Frau: „Nicht daß in Wort oder Geste sich eine Spannung oder Verstimmung zwischen beiden kundgetan hätte: im Gegenteil, das Nichts war es, das Nichtvorhandensein irgendeiner Spannung zu- oder gegeneinander, das so seltsam sie beide verhüllte“ (217); der Professor nimmt sich Rolands an, verhält sich ihm gegenüber aber bald nah-vertraulich, bald distanziert: „Wie habe ich gelitten unter diesem wetterleuchtend grellen, vom Heißen zum Kalten fahrenden Menschen, der mich unbewußt hitzte, um mich plötzlich mit Frost zu übergießen, … ja, ich hatte das grausame Gefühl, je mehr ich zu ihm drängte, desto härter, ja angstvoller stieß er mich zurück“ (222-223); bald fallen ihm auch die „Eskapaden“ (223) des Professors auf, der in gewissen Abständen für mehrere Tage verschwindet, um in Berlin, wie Roland aber erst später erfährt, seine homosexuellen Neigungen auszuleben; als Roland ihn eines Tages fragt, „warum er sein großes Werk „Die Geschichte des Globe-Theaters“ nicht vollendet habe“ (225), und der Professor ihm eröffnet, er sei zum Schreiben nicht mehr konzentriert genug, bietet Roland ihm an, der Professor solle ihm das Werk diktieren, worauf dieser eingeht; Roland ist selig: „Diese Stunden, wie soll ich sie schildern! Ich wartete ihnen entgegen den ganzen Tag. … Zum erstenmal war es mir … gegeben, in das Geheimnis der Produktion einzudringen“ (226227); er geht völlig in dieser Arbeit für und mit dem Professor auf, arbeitet bis zur Erschöpfung; aufgrund des teilweise abwehrenden Verhaltens des Professors („dieses Heiß und Kalt, dieses bald Aufwühlend-Nahe, bald Ärgerlich-Rückstoßende seines Wesens“, 233) kommt er dessen Frau näher, die ihm aber ebenfalls ihr „Geheimnis“ (234) nicht verrät; nach vier Monaten ist der erste Teil des diktierten Werkes fertig; der Professor dankt Roland, bietet ihm das Du an und möchte ihm aus seiner Jugend erzählen, als Roland, der das Zimmer kurz verlassen hat, bemerkt, dass die Frau des Professors an der Tür lauscht; daraufhin wehrt Roland ab: „Der Gedanke war mir zu furchtbar, er könnte sich einem Lauscher verraten, 13

FIGUREN:

D., Roland v.

dessen Gegenwart ich ihm verschweigen mußte“ (243); der Professor ist enttäuscht, steigt nachts ins Zimmer Rolands hinauf und distanziert sich wieder von ihm („Man muß Distanz halten … Distanz … Distanz“, 247), worauf Roland eine Achterbahnfahrt der Gefühle durchlebt: „ein kalter Zorn wechselte wild mit einer ratlos glühenden Verzweiflung“ (247); als der Professor am nächsten Tag verschwunden ist, bricht Roland „in hysterischem Schluchzen“ (249) zusammen und wird von der Frau des Professors getröstet und vor einem zu engen Umgang mit dem Professor gewarnt, der „selbst ohne Halt ist“ (250); Roland stürzt sich zunächst in einen „Rausch wütiger Bosheit“ (254) mit zwei Halbweltdamen, begleitet aber am folgenden Tag, wieder zur Besinnung gekommen, die Frau des Professors zusammen mit dem Dozenten W. und dessen Frau auf einen Ausflug an einen See, auf dem er der Frau des Professors körperlich näherkommt; er begeht anschließend mit ihr Ehebruch („es geschah ohne Willen, beide stürzten wir unwissend-unbewußt in diesen brennenden Abgrund“, 262), wobei sie ihm verrät, dass der Professor sie seit Jahren körperlich meidet; aus „Ekel und Scham“ will Roland das Haus des Professors verlassen; er ist schon beim Packen, als der Professor zurückkehrt und ein letztes Gespräch mit Roland wünscht, bevor dieser ihn verlässt; Roland gesteht ihm den Ehebruch, den der Professor gelassen zur Kenntnis nimmt; im Gegenzug gesteht der Professor Roland, dass er ihn liebt; Roland reagiert „verlegen, betäubt“ (267): „ich fand, ich verwirrter, zitternder, überfallener Knabe, kein Wort für seine unvermutet mir aufgetane Leidenschaft“ (268); Roland versteht nun rückblickend das Verhalten des Professors ihm gegenüber: „denn gerade von mir, dem rein Geliebten, wollte er nicht Hohn- und Rückstoß, den Schauer beleidigter Leiblichkeit erfahren … Darum setzte er meinem Zudrängen so erbitterten Widerstand entgegen, scheuchte mein flutendes Gefühl mit jähem Guß eiskalter Ironie … – nur um meinetwillen erzwang er von sich all die Schroffheiten, die mich ernüchtern sollten und ihn bewahren, und die mir durch Wochen die Seele verstörten“ (277); Roland lässt sich zum Abschied von ihm küssen („ein Kuß, wild und verzweifelt wie ein Todesschrei. … Ich schauerte von einem fremd-furchtbaren Empfinden zwiefältig gefaßt“, 278) und verlässt ihn für immer; 40 Jahre nach diesen Erlebnissen gesteht er rückblickend: „keinem danke ich mehr. Keinen habe ich mehr geliebt“ (279). -sein Vater: Schuldirektor in einer norddeutschen Kleinstadt; hat „fanatische Ehrfurcht vor allem Universitätlichen“ (185) und besteht darauf, dass sein Sohn ein Studium ergreift; wird „zu einer Rektorenkonferenz für einen Tag nach Berlin ins Ministerium beordert“ (189) und stattet aus diesem Anlass seinem Sohn in dessen Studentenbude einen überraschenden Besuch ab, wobei er entdeckt, dass Roland ein Lotterleben führt; rät ihm daraufhin, die Universität zu wechseln. -sein Mentor: Englischprofessor an einer Universität in einer mitteldeutschen Provinzstadt; homosexuell; ca. 46-47 Jahre alt; verheiratet mit einer deutlich jüngeren Frau, die er geheiratet hat in der Hoffnung, seine Homosexualität zu überwinden, „das Gespann auf die rechte Bahn zu reißen“ (272), was aber nicht gelingt: „Und von nun ab dient die enttäuschende Enttäuschte nur mehr als Attrappe, um gesellschaftlich die rückfälligen Neigungen zu maskieren“ (273); lebt seine Homosexualität von Zeit zu Zeit in Berlin aus; „ein Römerkopf, marmorn die Stirn gewölbt, … an den Seiten überbuscht von rückschlagender Welle weißen schopfigen Haares; ein imponierend kühner Oberbau geistiger Fraktur – unterhalb der tiefen Augenschatten aber rasch weich, fast weibisch werdend durch die glatte Rundung des Kinns, die unruhige Lippe, um die … die Nerven flatterten. Was oben die Stirne mannhaft schön zusammenhielt, löste die nachgiebigere Plastik des Fleischlichen in etwas schlaffe Wangen und einen unsteten Mund; … Auch die körperliche Haltung sprach ein ähnlich Zwiefältiges aus“ (199-200); Shakespeare-Experte; hat in 20 Jahren nur eine „dünne Reihe loser Bändchen, Einleitungen, Vorreden“ (205) veröffentlicht, ein seit Langem angekündigtes großes Werk über „Das Globe-Theater, seine Geschichte, seine Darstellung, seine Dichter“ (205) ist nie erschienen; wird von seinen Kollegen gemieden: „Dieser

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FIGUREN:

Dessauer – Dimoff

aufgetane, durchaus expansiv veranlagte Mann hatte keinerlei Freund, seine Schüler allein waren ihm Umgang und Trost“ (217); siehe auch oben. --dessen Frau: etwa 35 Jahre alt, deutlich jünger als der Professor; seit 15 Jahren mit ihm verheiratet; sportlich veranlagt; hat einen „ephebisch schmalen, vielleicht etwas zu schmalen Körper“ (213); hat keinen Sinn für das Intellektuelle: „Ihr schien nur wohl zu sein, wenn sie – immer trällernd, gern lachend und stets zu spitzem Gespräch bereit – ihre Glieder im Tanz, im Schwimmen, im Lauf, in irgend etwas Vehementem ausfahren lassen konnte“ (218-219); siehe auch oben. Dessauer: „Eskompteur“ (144) bzw. Geldverleiher im Roman Ungeduld des Herzens; verlangt von der Fürstin Orosvár eine schriftliche Zusicherung, dass ihr Großneffe Deszö, sein Schuldner, einer ihrer Erben sein wird. Deszö: Großneffe der Fürstin Orosvár im Roman Ungeduld des Herzens; Schuldner des Eskompteurs Dessauer (144). Deubler: ehemaliger Oberkellner im Café Gluck in der Erzählung „Buchmendel“ (Buchmendel, 197-229) (211). Diane: Bekannte des Barons Friedrich Michael von R. in der Erzählung „Phantastische Nacht“ (Phantastische Nacht, 172-243); „eine schöne Schauspielerin“ (187). Dietzenhof, Annette Beate Maria: Gesellschafterin der Fürstin Orosvár im Roman Ungeduld des Herzens; Frau von Lajos von Kekesfalva/Leopold Kanitz; aus Westfalen stammend; „Die arme, stille Person muße tagtäglich drei widerliche raunzige Pinscher füttern, bürsten und ausführen, der alten Närrin [der Fürstin] Klavier vorspielen … und sich ohne jeden Grund auf das wüsteste beschimpfen lassen“ (142); „eine dünne, blasse, blonde Person mit verschreckten Augen“ (143); erbt von der schwerreichen Fürstin deren gesamten Besitz, darunter Schloss Kekesfalva; lässt sich vom Advokat der enterbten Verwandten, Wiezner, dazu überreden, diesen „drei Viertel ihrer Erbschaft“ (141) abzutreten; unsicher und schüchtern, in Geschäften völlig unerfahren; „Die Augen scheinen von einem zarten Kornblumenblau, weiche und warme Augen, aber sie wagen nicht, herzhaft zu strahlen, scheu ducken sie sich immer wieder hinter die Lider zurück. … ein Wesen, dem man das Rückgrat gebrochen hat“ (152-153); möchte Schloss Kekesfalva, das „bloß als ein Sack Sorge auf ihren schmalen Schultern lastet“ (153), am liebsten verkaufen und vertraut sich in dieser Angelegenheit ganz Leopold Kanitz an: „wie ein Himmelsbote erschien ihr dieser ernste, gefällige, vielwissende Mann“ (163); „Geduldig und folgsam wie ein Kind tat sie, was Kanitz ihr nahelegte“ (166); verkauft das Anwesen, ohne zu wissen, dass Kanitz der Käufer ist, zu einem Bruchteil seines tatsächlichen Wertes; ist Kanitz überaus dankbar für seine „Beratung“: „es ist noch nie ein Mensch zu mir so gut, so hilfreich gewesen“ (172); als Kanitz, durch ihre Dankbarkeit bewegt, sie liebgewinnt und schließlich bittet, seine Frau zu werden, stimmt sie zu; es folgt „eine selten glückliche Ehe“ (179): „Allmählich blühte das schon halb verdorrte Mädchen auf. Sie wurde hübsch, bekam weiche Formen“ (180); stirbt an einem Krebsgeschwür – ihr Tod bedeutet für ihren Mann einen schweren Schlag. Dimoff: Teilnehmerin am im Juni 1914 in Luzern stattfindenden Kongress „L`éducation nouvelle“ im Romanentwurf Clarissa; gerät als serbische Delegierte nach der Ermordung Franz Ferdinands am 28. Juni mit der österreichischen Teilnehmerin Dr. Kutschera in Streit: „die beiden Frauen beschimpften sich … wie Marktweiber“ (76).

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FIGUREN:

Duvernois, Madame – Edgar

Duvernois, Madame: Friseuse in Pontresina im Roman Rausch der Verwandlung; ihre Frisierzelle ist „gleichzeitig Großmarkthalle sämtlicher Neuigkeiten“ (134); verrät Carla, dass die Protagonistin Christine Hoflehner bei ihrer Ankunft in Pontresina „wie ein Bauernmädel“ (134) ausgesehen habe. E., Gräfin: eine junge Frau, Gattin eines älteren Mannes, die in der Erzählung „Geschichte in der Dämmerung“ (Verwirrung der Gefühle, 79-115) wie der Protagonist Bob den Sommer auf dem Schloss von Bobs Schwester verbringt. Ebeseder, Dr.: „Rechtsfreund“ (42) des Vaters von Clarissa Schuhmeister im Romanentwurf Clarissa; „ein älterer, durch seine Tätigkeit in philanthropischen Vereinen weit über den Rahmen seiner eigentlichen Sphäre bekannter Mann“ (42); Präsident des Vereins zur Berufsberatung entlassener Sträflinge; rät Clarissa, sich nach der Schule beruflich der Pädagogik bzw. psychologischen Pädagogie zuzuwenden. Edgar: Protagonist der Erzählung „Brennendes Geheimnis“ (Brennendes Geheimnis, 7-85); „ein scheuer, unentwickelter nervöser Junge von etwa zwölf Jahren mit fahrigen Bewegungen und dunkel herumjagenden Augen“ (13); „sehr klug, etwas frühreif“ (17); ist mit seiner Mutter Mathilde zur Erholung nach einer nicht näher bezeichneten Krankheit auf dem Semmering; lernt dort den Baron Grundheim kennen, der sich mit ihm beschäftigt, sein Vertrauen erlangt und ihn zum Freund gewinnt, um sich an seine Mutter heranzumachen und sie zu verführen; Edgar ist vom Baron zunächst hingerissen: „er liebte diesen Menschen, wie er nie einen Freund, nie Vater und Mutter und nicht einmal Gott geliebt hatte“ (21); als der noch unschuldige Junge nach und nach merkt, dass der Baron nicht an ihm, sondern – aus ihm allerdings nicht ersichtlichen Gründen – an seiner Mutter interessiert ist, schlägt sein Gefühl in „Haß und offene Feindschaft“ (42) gegen den Baron und seine Mutter um; er bemerkt, dass „Irgendein Geheimnis … zwischen ihnen“ (38) besteht, und beschließt: „Ich will es ihnen entreißen, dieses furchtbare Geheimnis“ (38); indem er ständig bei seiner Mutter bleibt, verhindert er, dass diese allein mit dem Baron sein kann: „Wie ein Alp lastete nun seine unerbetene Gegenwart auf den beiden“ (44); als seine Mutter Edgar nach einer Szene, die er dem Baron in der Hotelhalle coram publico gemacht hat, abends in sein Hotelzimmer sperrt, klettert er durch das Fenster und folgt seiner Mutter und dem Baron unerkannt in den Wald, wo sich die Mutter dessen Avancen aber widersetzt; Edgar fürchtet nun, der Baron sei „ein Mörder, daß er immer das Entlegene suchte und seine Mutter hinschleppen wollte, wo es dunkel war“ (62); als die beiden ins Hotel zurückkehren, missdeutet er die Annäherungsversuche des Barons auf dem Hotelflur als physische Gewalt gegen seine Mutter („preßt er ihr die Kehle zu?“, 63) und greift den Baron tätlich an; als seine Mutter am nächsten Tag von Edgar eine Entschuldigung beim Baron verlangt und leugnet, mit diesem im Wald und auf dem Hotelflur gewesen zu sein, kommt es zum Streit, bei dem seine Mutter ihn und anschließend er seine Mutter schlägt; entsetzt über „das Ungeheure“ (71) flieht Edgar mit dem Zug zu seiner Großmutter nach Baden; als er dort verspätet eintrifft, erwarten ihn seine Großmutter und auch seine Mutter, die ihm nachgereist ist, schon, und er spürt „die harten Vorwürfe, die sie ihm sagten, nicht …, weil er in ihren Augen doch die Freude und die Liebe sah“ (80); als auch sein Vater eintrifft und ihn zur Rede stellt, bemerkt er in den Augen seiner Mutter „eine flehende Bitte“ (82), nichts zu verraten: „Und wilder, jauchzender Stolz erfüllte ihn, daß sie ihm vertraute“ (83), worauf er alle Schuld auf sich nimmt und dem Vater nichts über den Baron erzählt. -seine Großmutter: lebt in einer Villa in Baden („ein weißes, altväterisch freundliches Haus“, 76), wohin Edgar vom Semmering aus mit dem Zug flieht, nachdem er sich mit seiner Mutter gestritten und sie geschlagen hat; eine „alte, gute, freundliche Frau, die ihn von Kindheit an verzärtelt hatte, immer sein Schutz gewesen war“ (72). 16

FIGUREN:

Edler von Pisek – Elkins, General

-sein Vater: ein Wiener Advokat „aus der vermögenden jüdischen Bourgeoisie“ (17); „streng, … der einzige, den er [Edgar] wirklich fürchtete“ (82); zwischen ihm und seiner Frau Mathilde steht „nicht alles zum besten“ (17). Edler von Pisek: Kunde von Jakob Buchmendel in der Erzählung „Buchmendel“ (Buchmendel, 197-229); 80 Jahre alter pensionierter Flottenadmiral (221). Eduard: Geliebter von Irene Wagner in der Erzählung „Angst“ (Verwirrung der Gefühle, 280-353); ein Pianist „von Ruf“ (287); versteht nicht, warum Irene sich von ihm abwendet; siehe auch unter Irene Wagner. Edwin: Gast im Palace Hotel in Pontresina im Roman Rausch der Verwandlung; ein „Ingenieur aus Gladbach“ (79); „ein hochgewachsener, breitschultriger Mann, das scharfrasierte kriegerische Gesicht bergsonnenbraun über dem Schneepanzer des Smokings“ (77); lernt in Pontresina die Protagonistin Christine Hoflehner kennen, die er für eine Adlige hält; stellt sie seinen Freunden vor, flirtet mit ihr, nimmt sie auf Ausflüge mit etc.; schließlich überredet er sie eines Abends zu einem nächtlichen Ausflug „in die Bar nach St. Moritz“ (126); auf der Fahrt dorthin küsst und liebkost er sie leidenschaftlich, was sie „nur gewollt und erwartet“ (128) hat; auf dem Rückweg bedrängt Edwin Christine, noch mit auf sein Zimmer zu kommen – diese Gunst gewährt sie ihm jedoch nicht; als Christine ihn, nachdem ihre soziale Herkunft allgemein bekannt geworden ist und sie am nächsten Tag abreisen muss, weinend um Hilfe anfleht, hat Edwin zwar Mitleid mit ihr, entzieht sich ihr aber: „Abstoppen, denkt der praktisch gesinnte Mann, jetzt nur rasch und energisch abstoppen. … sonst wird die Sache peinlich“ (166). Efdopulos: angeblicher Leiter des Royal Poloklub in Kairo im Roman Ungeduld des Herzens; tatsächlich die Erfindung eines Betrügers, der von Baron Balinkay 200 Kronen Provision erhält gegen das Versprechen, Balinkay an Efdopulos zu vermitteln (313-314). Elieser, Rabbi: ein in Rom lebender Jude in der Erzählung „Der begrabene Leuchter“ (Rahel rechtet mit Gott, 74-191); „der Oberste der Gemeinde, der Älteste, der Weiseste, … den sie Kab ve Nake, den Reinen und Klaren, nannten. Achtzig Jahre fast war er alt und schlohweiß umrauschte der Bart sein Antlitz. Zerfurcht war seine Stirn von der schmerzhaften Pflugschar unerbittlichen Denkens, aber das Auge … war … gütig und klar“ (85); beschließt, dass die ältesten Juden der Gemeinde der von den Vandalen geraubten Menorah bis zum Hafen folgen sollen; will dabei ein Kind mitnehmen, „daß er Zeuge sei für das nächste und abernächste Geschlecht“ (90); erklärt dem siebenjährigen Benjamin (Marnefesch) auf dem Weg zum Hafen die Bedeutung der Menorah für das jüdische Volk („das Heiligste, das wir hatten als Zeichen auf unserer Wanderschaft … waren die Schrift und der Leuchter, die Thora und die Menorah“, 101 – „Und so wie man die Leiche eines geliebten Menschen zu Grabe geleitet, … so begleiten wir heute die Menorah auf ihrem Fortgang in die Fremde“, 108). Elisabeth: die Jüngste der drei Cousinen von Bob in der Erzählung „Geschichte in der Dämmerung“ (Verwirrung der Gefühle, 79-115); Liebhaberin von Bob, was dieser aber erst am Schluss der Geschichte erkennt; siehe auch unter Bob. Elkins, General: Gast im Palace Hotel in Pontresina im Roman Rausch der Verwandlung; ein älterer Herr, 68 Jahre alt (96), Präsident der Geographischen Gesellschaft in London; hat „zwischen seinen Dienstjahren große Entdeckungen in Tibet gemacht, ein berühmter Mann“ (71); verkehrt bei Hof; hat vor über 40 Jahren in Heidelberg studiert und spricht daher etwas Deutsch; „gelernter Geograph“ (94); „seine Frau ist ihm jung gestorben, … sein einziger Sohn 17

FIGUREN:

Ellen – Esther

ist vom Flugzeug bei Soissons von den Deutschen abgeschossen worden, am gleichen Tage, wo er selbst verwundet wurde“ (96-97); lebt allein in einem Schloss bei Nottingham („ein seltsam hohes Kastell, vielleicht noch aus normannischer Zeit“, 108); „Seit dem Krieg denkt er hart von den Menschen, hart von den Nationen, weil er sie alle als selbstsüchtig und phantasielos für das Unrecht, das sie anderen bereiteten, erkannt hat“ (151); besitzt einen Rolls Royce; bittet die Protagonistin Christine Hoflehner, die er im Palace Hotel kennenlernt, um einen Tanz; bittet sie für den nächsten Tag um einen gemeinsamen Ausflug „in seinem Auto nach Maloja“ (80), was sie dankend annimmt; behandelt Christine mit großem Respekt und dankt ihr für den Ausflug („es war der beste für mich seit langer Zeit“, 96); er fühlt sich zu Christine hingezogen und zeigt „eine werbende Neigung“ (107), schickt ihr Blumen aufs Zimmer und leiht ihr Bücher aus – doch Christine in ihrer Unerfahrenheit „spürt die Andeutungen als Zeichen besonderer Sympathie gleichzeitig ängstlich und beglückt, ohne zu wagen, ihnen zu glauben, indes er sich quält, dies ihr verlegenes Ausweichen richtig zu deuten“ (108); er berichtet Christines Tante Claire van Boolen über die Gerüchte, die über Christines Herkunft im Hotel kursieren, und fragt sie, ob sie wirklich Christines Tante sei; er steht weiterhin zu Christine: „jedenfalls wünsche ich den Herrschaften sichtbar zu zeigen, daß ich sie [Christine] mehr achte als diese ganze Geldkrapüle und daß, wer sich eine Ungezogenheit gegen sie erlaubt, es mit mir persönlich zu tun hat“ (141); lädt Christine daraufhin ostentativ zu einem Autoausflug ein und behandelt sie vor aller Augen mit dem größten Respekt; fühlt sich immer stärker zu Christine hingezogen und überlegt auf dem Ausflug, „wie auf unauffälligste Weise noch in dieser vielleicht letzten Stunde eine Werbung zu versuchen“ (152) sei; als Christine „in ihrer sprudelnden Begeisterung“ (152) seine Absicht nicht erkennt, distanziert er sich schließlich: „Nein, denkt er, es wäre ein Verbrechen, einen jungen Menschen … in ein altes Schloß zu sperren, zu einem alten Mann. … Nimm Abschied, alter Mann! Vorbei! Zu spät!“ (153). Ellen: Freundin von Margaret in der Erzählung „Die spät bezahlte Schuld“ (Phantastische Nacht, 39-69); hat mit Margaret in ihrer Jugend die schwärmerische Verehrung für den Schauspieler Peter Sturz in Innsbruck, wo die beiden wohnten, geteilt; Adressatin des Briefes, in dem Margaret ihr von ihrer zufälligen Wiederbegegnung mit Sturz berichtet. Erwin: Kamerad von Anton Hofmiller in der Kadettenschule im Roman Ungeduld des Herzens; „zart und blond wie ein Mädchen; ich [Hofmiller] glaube, ich war sogar auf uneingestandene Weise ein wenig in ihn verliebt“ (336-337). Esther: Protagonistin der Erzählung „Die Wunder des Lebens“ (Buchmendel, 15-95); eine 15-jährige Jüdin, die einem Antwerpener Maler Modell für ein Muttergottesbild sitzt; wohnt bei einem Schankwirt, der sie und ihren Großvater aus einer deutschen Stadt vor dem judenmordenden Mob rettete und sie nach dem Tod des Großvaters nach Antwerpen mitnahm; scheu und unsicher; fasst schnell Vertrauen zur „väterlichen Güte“ (42) des Malers, lehnt es aber entschieden ab, als dieser sie zum Christentum bekehren will: „Ich hasse die Christen. … wenn wir zu Hause von den Christen sprachen, so war eine Angst und ein Haß in den Worten …. Alle haßten sie“ (49); da der Maler sie als Madonna mit dem Kinde malen will, muss sie während der Sitzungen „ein kleines, nacktes, derbes Kind von mehreren Monaten“ (56) halten, das sie nach anfänglicher Ablehnung und Scham lieb gewinnt und in das sie sich regelrecht vernarrt: „Ihr Haß war jählings in eine wilde und fast gierige Zärtlichkeit umgeschlagen, … unbewußt lebte sie den erhabensten Gedanken der Frau, die Mutterschaft, in einem hingebenden leidenschaftlichen Spiel“ (63); sie fixiert sich immer mehr auf das Kind, „das sie mit Zärtlichkeit gleichsam überflutete“ (70); „Dieses Kind umschloß nun für sie den Begriff des Lebens“ (71); als das Bild vollendet ist und sie von dem Maler erfährt, das Kind habe mit seiner Mutter das Land verlassen, ist sie zunächst völlig 18

FIGUREN:

Eugen – Ewald, Erika

verzweifelt: „Mir gehörte es ja nur, mir ganz allein ….. Diese vielen schönen Tage …. Ich war seine Mutter“ (76); als der Maler ihr daraufhin das Bild zeigt, empfindet sie ein „seliges Fieber“ (78); sie besucht nun Tag für Tag die (christliche) Kirche, in der das Bild hängt, „als sei es ihr eigen Kind, das sie hier finde. … Stundenlang lag sie hingestreckt vor dem Bilde, wie eine Heilige vor des Heilands Bild“ (80); als protestantische Bilderstürmer die Kirche zerstören, versucht sie, das Bild zu retten; dabei wird sie aufgrund ihrer Ähnlichkeit mit dem Bildnis kurz für die auf wundersame Weise lebendig gewordene Madonna selbst gehalten, dann aber erkannt und erdolcht. -ihr Adoptivvater: ein Antwerpener Schankwirt; „Breit, mit aufgequollenem, aber gutmütigem Gesicht“ (34); war früher Soldat in Italien und in Deutschland und rettete sie und ihren Großvater gegen Bezahlung vor dem judenmordenden Mob in einer deutschen Stadt; als der Großvater kurz darauf starb, befahl dieser ihm sein „Enkelkind … noch sterbend an“ (37) und gab ihm sein gesamtes Vermögen; daraufhin nahm er Esther mit nach Antwerpen, auch in der Hoffnung, „sie würde, wenn sie heranwachse, mir altem Hagestolz das Haus besorgen“ (37). Eugen: Oberkellner im Roman Ungeduld des Herzens (22). Eve: Französischlehrerin von Clarissa Schuhmeister und Marion im Romanentwurf Clarissa (28). Ewald, Erika: Protagonistin der Erzählung „Die Liebe der Erika Ewald“ (Verwirrung der Gefühle, 19-70); eine junge Frau, die mit ihrem Vater und ihrer Schwester in einem Vorort Wiens wohnt; gibt Klavierunterricht; lernt auf einer Gesellschaft einen jungen Geigenvirtuosen kennen, in den sie sich verliebt: „Sie liebte in seiner Person alle ihre Traumgestalten, die in den langen Jahren des Alleinseins eine gewisse Wirklichkeit gewonnen hatten, sie verehrte den Künstler, der sich in seinem Wesen verkörperte, weil sie den mädchenhaften Glauben hatte, daß ein Künstler auch in seiner Lebensführung die priesterliche Würde verwirklichen müsse“ (26); wehrt sich gegen körperliche Annäherungsversuche seinerseits; als er ihr sein Begehren gesteht („Ich bin nur so, wie alle Männer sind, ich verehre nicht nur die Frau, wenn ich sie liebe, ich … verlange sie auch“, 40), verspricht sie ihm zunächst, ihn glücklich machen zu wollen, begleitet ihn zu seiner Wohnung, flieht dann aber im entscheidenden Augenblick, da sie „kein Begehren nach einem Manne, nur Abscheu vor der brutalen, zwingenden Macht“ (42) empfindet; wartet in den Tagen danach auf ein Zeichen von ihm, das aber nicht kommt: „diese Tage waren ihr unerträglich lang und wollten kein Ende nehmen“ (49); glaubt schließlich „ihre Liebe überwunden zu haben und dachte ihrer, wie man eines Toten gedenkt“ (51); eines Tages erwacht in ihr doch noch körperliches Verlangen nach ihm („dann kamen Nächte, da sie ihr Blut brennen fühlte von glühendem Begehren“, 53); sie möchte ihn wieder sehen und besucht ein Konzert von ihm; als er dabei ein Lied spielt, das er ihr bei einem früheren Treffen einmal vorgespielt hat, missdeutet sie dies dahingehend, dass er sie immer noch liebe; als sie ihn anschließend am Ausgang erwartet, geht er in Begleitung einer Opernsängerin an ihr vorbei, „ohne den Blick noch einmal zurückzuwenden zur Erika Ewald, die dort einsam stand mit ihrer verratenen Liebe“ (59); daraufhin will sie sich zunächst umbringen, beschließt dann aber, sich zu „rächen“, indem sie sich dem erstbesten Mann hingibt – „eine grausame Selbstpeinigung, die eine neue Schmach wählt, um eine alte brennende zu vergessen“ (64); sie folgt einem jungen Kavalleristen, der sie anspricht, in ein Separée und betrinkt sich dort; als er sich ihr körperlich nähert, beginnt sie „furchtbar zu weinen“ (66): „es war ihr ganzer heiliger und tiefer Schmerz, der … sich jetzt in bebenden Schauern erlöste“ (67); aus Mitleid lässt er daraufhin von ihr ab und bringt sie nach Hause; von da an ist ihr bewusst, „dass die Liebe nicht mehr zu ihr kommen würde, und dass sie ihr nicht entgegengehen dürfe“ (68); sie 19

FIGUREN:

Ewald, Jeanette – Farrner, Ferdinand

verbringt ihr weiteres Leben ruhig und gleichgültig: „Ihr konnte das Leben nichts mehr anhaben mit seiner stürmischen Gewalt“ (69). -ihr Vater: durch „eine langjährige gleichfarbige Bureautätigkeit der Welt entfremdet, und insbesondere seit dem Tode seiner Frau umfing ihn jene harte Verstimmung und trotzige Schweigsamkeit, mit der alte Leute gerne ihre physischen Leiden verbergen“ (19). -der Geigenvirtuose: „er bewunderte die vornehme Zurückhaltung ihrer Seele, die sich nur ihm offenbarte und sich zagend zu seinen Füßen warf ... Er liebte ihre tausendfachen Feinheiten, die schlichte Gewalt des Empfindens … Aber diese zarten und innigen Empfindungen … waren ihm selbst fremd. Schon von Jugend auf … war er zu sehr von Frauen als Künstler verhätschelt und verführt worden, um in einer vergeistigten Liebe Befriedigung zu finden. … Temperamentvoll und blasiert zugleich liebte er mit jenem schroffen Begehren, das der letztlichen sinnlichen Erfüllung zustrebt“ (25-26); als Erika sich seinem Begehren verweigert, beendet er die Beziehung; siehe auch oben. -der Kavallerist: „sehr jung noch und ein bißchen ungeschickt“ (63); „Eigentlich war er noch ein halbes Kind, das in einer Uniform sich so seltsam ausnahm, wie in einem kriegerischen Maskenkostüm“ (64); „ein guter Kerl, von einer gesunden rotwangigen Derbheit, ein bißchen eitel und nicht zu klug“ (65); siehe auch oben. Ewald, Jeanette: Schwester von Erika in der Erzählung „Die Liebe der Erika Ewald“ (Verwirrung der Gefühle, 19-70); „unscheinbar und häßlich; eine jahrelange Erfahrung, stets überhört oder bespöttelt zu werden, hatte ihr jene altjüngferliche stumpfe Resignation gegeben, die jeden Tag mit einem Lächeln scheiden sieht“ (19); kurzsichtig; heiratet später einen Beamten. F.: Oberstleutnant aus dem Kriegsministerium im Roman Ungeduld des Herzens; trifft den Protagonisten Anton Hofmiller bei einem Diner bei Lajos von Kekesfalva und behandelt diesen dank Kekesfalvas Protektion „ohne jede rangliche Überlegenheit“ (60). F., Freiherr von: Dienstherr von Cresentia Finkenhuber in der Erzählung „Leporella“ (Der Amokläufer, 160-190); verheiratet mit einer deutschen Fabrikantentochter, die nicht zu ihm passt und um die er sich kaum kümmert – „Er wollte ein leichtes Leben, sie eine solide ordentliche Häuslichkeit rheinisch-bürgerlicher Art: das stieg ihm in die Nerven“ (164); ein „bildhübscher, auf aristokratischen Charme zugespitzter Windhund“ (164); betrügt seine Frau, als diese aufgrund psychischer Probleme in ein Sanatorium muss, mit diversen Geliebten, wobei ihm seine Dienstmagd nach Kräften hilft; nach der Ermordung seiner Frau durch Crescentia, die er erahnt, empfindet er zunehmendes Grauen vor Crescentia: „Aber der unerträgliche Alp seines Schlafens und Wachens war die unbekümmerte, kalte Gleichgültigkeit seiner ehemaligen Vertrauten“ (183); lässt ihr schließlich kündigen. -seine Frau: „Ältliche Tochter eines schwerreichen Essener Fabrikanten“ (164), eine „breitnackige massive Norddeutsche“ (165); lässt ihren Frust über ihre Vernachlässigung durch ihren Ehemann an den Dienstboten aus; wird aufgrund psychischer Probleme für zwei Monate in einem Sanatorium behandelt; nach ihrer Rückkehr eskalieren die Streitereien mit ihrem Mann, die schon vorher zu Spannungen geführt haben, weiter; wird schließlich von der Dienstmagd Crescentia Finkenhuber mittels Leuchtgas umgebracht. Farrner, Ferdinand: Bekannter von Franz [2] im Roman Rausch der Verwandlung; „ein schmaler hoher Mann“ (202); 30 Jahre alt; „wohnt bei einer alten Frau, durch deren Zimmer er gehen muß, in einer kleinen Kammer“ (262); war mit Franz zwei Jahre lang im 1. Weltkrieg in Sibirien; wird von Franz, als dieser ihn zufällig in der Straßenbahn in Wien trifft, in dessen Haus eingeladen; verbrachte nach dem Krieg fast drei Jahre in Kriegsgefangenschaft in Sibirien; hat sich beim Rücktransport nach Österreich in einem völlig 20

FIGUREN:

Farrner, Ferdinand

überfüllten Güterwaggon zwei Finger gebrochen und eine Handsehne gerissen – ist daher an der Hand dauerhaft behindert; leidet an Geldmangel, da seine einst wohlhabende Familie im Krieg bzw. durch die Inflation und Währungsreform alles verloren hat; erhält vom Staat aus diversen bürokratischen Gründen keinerlei Invaliditätsrente; lehnt Franz` Hilfe in dieser Angelegenheit ab („ich geh` keinen Schritt mehr. Ich habe genug, … lieber krepieren als noch einmal diesen Eselsweg von Amt zu Amt“, 210-211); schlägt sich mit Gelegenheitsarbeiten durch („Bis auf weiteres bin ich in Floridsdorf bei einem Bau technischer Aufseher, so halber Architekt und halb Aufpasser. … sie werden mich halten, bis der Bau fertig ist oder die Firma pleite“, 211); ein „mit dem Geiste der Revolte geladener“ (208) Mensch: „das aber ist ja unsere Schuld, … daß wir so gutmütig waren, so gutgläubig, und darum haben die anderen alles mit uns gemacht, was sie wollten. Nein, … das ist bei mir vorbei. Ich lasse mir nicht mehr etwas vormachen … Ich glaube an nichts mehr, an keinen Gott und keinen Staat und keinen Sinn der Welt, an nichts, solange ich nicht spüre, daß ich zu meinem Recht komme“ (215-216); findet mit seinen Ansichten Zustimmung bei Christine Hoflehner; nachdem er sich von Franz verabschiedet hat, wartet er auf der Straße auf Christine, bei der er sich für seine schroffe Art entschuldigt und der er sich näher erklärt: „Ich gönne jedem seine Freude, nur das natürlich … dafür kann ich nichts, dafür kann niemand, daß er sich manchmal sagt, wenn er die andern warm in der Wolle sieht … warum nicht auch ich“ (223); Christine versteht ihn genau; er kommt mit ihr ins Gespräch, begleitet sie zum Bahnhof: „Sie sind ganz ohne Intimität, nur klar und einverständlich, und sie merkt mit Respekt seine scharf abgrenzende, rasch begreifende Intelligenz“ (227); er verbringt den ganzen Tag mit Christine, die ihre Abreise auf den Abend verschiebt und ihm von ihrem Urlaubserlebnis erzählt, was ihn tief beeindruckt; er erklärt ihr, dass er nicht mehr länger auf bessere Zeiten warten will: „Ich bin dreißig Jahre, davon sind elf vertan. Ich … habe nichts gesehen als Dreck und Blut und Schweiß. Ich habe nichts getan als gewartet … Ich kann es nicht mehr ertragen, dieses Untensein, dieses Außensein“ (233); begleitet Christine abends wieder zum Bahnhof; als sie ihre Abreise abermals auf den nächsten Morgen verschiebt, reagiert er mit großer Freude; er verbringt die Nacht mit ihr in einem billigen Hotel; versteht ihren Widerwillen vor „diesem Haus, wo sich die Menschen gegen Geld wie Tiere paaren“ (244), und erzählt ihr, wie er in sibirischer Kriegsgefangenschaft einmal ähnlich empfunden hat, „gerade das erste Mal, wie ich mit einer Frau war“ (246); auf eine nächtliche Polizeikontrolle im Hotel reagiert er verbittert und wütend („Nur unsereinen stöbern sie auf in der Nacht, nur uns hetzen sie wie die Hunde herum“, 251); noch in der Nacht bringt er Christine, die das Hotel unbedingt verlassen will, zum Bahnhof, wo sie Abschied nehmen; von nun an trifft er sich jeden Sonntag mit Christine in Wien: „Sie verstehen einander gut. Aber zu ermüdet, zu enttäuscht beide für eine leidenschaftlich begehrende, für eine überschwenglich hoffnungsvolle Liebe, sind sie schon glücklich, jemand zu finden, dem sie sich eröffnen können“ (260); immer stärker „empfinden sie beide die unermeßliche Macht des Geldes, das mächtig ist, wenn es da ist, und noch mächtiger, wenn es fehlt, das Göttliche der Freiheit, die es zu geben vermag, und das Teuflische seines Hohns, wenn es zum Verzicht zwingt“ (262); gegen Ende Oktober, als das Wetter schlechter wird, „sitzen sie leer herum, die Freude wie weggewaschen vom Regen … und wissen um die völlige Ausweglosigkeit“ (264); „Die Armut erdrückt beinahe ganz die Leidenschaft ihres Gefühls, und sie ertragen ihr Beisammensein und ertragen es doch nicht“ (265); als Ferdinand im November arbeitslos wird, sucht er Christine in Klein-Reifling auf, um ihr mitzuteilen, dass er sich angesichts der Aussichtslosigkeit seiner Situation umbringen will („es ist das einzig Vernünftige, ich habe genug. Ich habe nicht Lust, noch einmal anzufangen, aber Schluß zu machen, dazu reicht es noch aus“, 274); als sie sich entschließt, ihm in den Tod zu folgen, reagiert er „beglückt“ (275); als er Christine am Abend im Postamt abholt, um die letzte Nacht gemeinsam in einem guten Hotel zu verbringen, ist er erstaunt über den hohen Geldbetrag der Tagesabrechnung, die sie gerade erstellt: „davon könnten wir leben, zwei Jahre, drei Jahre, die Welt sehen und jede Minute wirklich leben … so wie man 21

FIGUREN:

Felber – Finkenhuber, Crescentia Anna Aloisia

will“ (281); auf seine Idee, das Geld „diesem sinnlosen Popanz, dem Staat“ (281) zu stehlen, reagiert Christine erschrocken, doch als sie das Postamt verlassen, geht der „Gedanke … mit ihnen wie ein Schatten“ (282); auf dem Weg zum Bahnhof schlägt er Christine vor, das Geld aus dem Postamt zu stehlen, wenn die Kasse besonders gut gefüllt ist: „Wir wollten gar nicht aus dem Leben flüchten. … Nur aus unserem verpfuschten Leben wollten wir endlich heraus, und da war kein anderer Ausweg. … Jetzt wissen wir`s beide, es gibt … noch einen andern Weg“ (283-284); „Ich habe keine Spur sittlicher Bedenken, ich fühle mich vollkommen frei gegen den Staat. Er hat an uns allen … so ungeheure Verbrechen begangen, daß wir zu allem recht haben“ (284); er arbeitet dazu einen detaillierten Plan aus, was ihn sehr befriedigt („Seit Wochen und Monaten habe ich mich nicht so wohl gefühlt …, jetzt weiß ich eigentlich erst, wie herrlich es ist, einmal etwas für sich allein durchdenken zu können“, 292); er stellt seinen Plan Christine am nächsten Sonntag in einer Holzhütte auf der Baustelle in Floridsdorf vor, auf der er bislang gearbeitet hat; der Plan sieht vor, das Geld am 10. November, dem Tag vor dem Nationalfeiertag, zu stehlen und als Ehepaar zunächst nach Paris zu fliehen, gleichzeitig aber falsche Spuren nach Rumänien zu legen; Ferdinand weist Christine mehrmals auf die Risiken, vor allem ihr persönliches Risiko hin („deine Situation ist ungünstiger, du giltst als die Täterin, überdies bist du eine Frau und dadurch abhängiger“, 298) – sie stimmt dennoch zu. Felber: ehemaliger Rittmeister und Kamerad von Anton Hofmiller im Roman Ungeduld des Herzens; hat Selbstmord durch Erschießen begangen (418). Ferdinand [1]: zweiter Ehemann der Mutter der (namenlosen) Protagonistin in der Erzählung „Brief einer Unbekannten“ (Brennendes Geheimnis, 153-199); „ein älterer Herr, ein Kaufmann aus Innsbruck“ (166), „ein sehr ruhiger, wortkarger Mann“ (170), mit der Mutter der Protagonistin entfernt verschwägert; die Ehe zwingt die Protagonistin zum Umzug von Wien nach Innsbruck, wo Ferdinand eine Villa besitzt. Ferdinand [2]: nicht näher spezifizierter Verwandter von Anton Hofmiller im Roman Ungeduld des Herzens (409). Ferdl: Kamerad von Anton Hofmiller im Roman Ungeduld des Herzens (293). Ferleitner: Besitzer des Gasthauses „Tiroler Weinstube“ („ein gemütliches kleines Lokal mit einem leisen Stich von Anrüchigkeit“, 132) im Roman Ungeduld des Herzens (133). Ferleitner, Dr.: Regimentsarzt in einem Feldlazarett im 1. Weltkrieg im Romanentwurf Clarissa; „ein freundlicher älterer Dorfarzt aus Tirol“ (107); äußert, als Clarissa Schuhmeister in Ohnmacht fällt, die (richtige) Vermutung, sie könnte schwanger sein; hegt den Verdacht, Gottfried Brancoric sei ein Simulant, und bittet Clarissa (als ehemalige Assistentin von Professor Silberstein), ihn genauer zu beobachten. Finkelstein: Mitglied der Schmugglerbande um Gottfried Brancoric und Alois Huber im Romanentwurf Clarissa; wird verhaftet, als der Schmuggel entdeckt wird (171). Finkenhuber, Crescentia Anna Aloisia (genannt Leporella): Protagonistin der Erzählung „Leporella“ (Der Amokläufer, 160-190); 39 Jahre alte Dienstmagd aus einem Gebirgsdorf im Zillertal, aus unehelicher Geburt stammend und auf Kosten der Gemeinde aufgezogen; arbeitete bereits mit zwölf Jahren als Magd, später als Scheuerin und dann als Köchin in einem Touristengasthaus; „Alles an ihr war hart, hölzern und schwer. Sie dachte mühselig und begriff langsam … ; hatte sie aber einmal etwas Neues endlich in sich gezogen, so hielt sie es 22

FIGUREN:

Fix – Franz [2]

zäh und habgierig fest“ (160); „Und niemand hatte sie jemals lachen sehen; auch darin war sie vollkommen tierhaft“ (161); „Ihre einzige Freude fand sie im baren Geld, das sie mit dem hamsterhaften Instinkt der … Einschichtigen zäh zusammenraffte“ (161); verlässt im Alter von 37 Jahren ihr Heimatdorf, um eine besser bezahlte Stellung beim Freiherrn von F. in Wien anzunehmen; entwickelt dort Zuneigung und Ergebenheit dem Freiherrn gegenüber, einhergehend mit wachsendem Hass gegen seine Frau, „die Frau, die mit ihm wohnen, schlafen, sprechen durfte und dennoch nicht die gleiche hingegebene Ehrfurcht vor ihm hatte wie sie selbst“ (169); deckt und fördert die außerehelichen Eskapaden und Affären des Freiherrn während des zweimonatigen Aufenthalts seiner Frau in einem Sanatorium, weshalb der Freiherr sie schließlich „Leporella“ nennt; „ihr ganzes Leben, Trachten und Wollen schien gleichsam heraus aus ihrem eigenen Leib in den seinen hinübergefahren“ (176); bringt die Frau des Freiherrn nach ihrer Rückkehr aus dem Sanatorium um, indem sie ihr Veronal verabreicht und sie mit Leuchtgas vergiftet, den Mord aber als Selbstmord erscheinen lässt; als der Freiherr, der ihr Verbrechen ahnt, sich von ihr distanziert und ihr schließlich durch einen Diener kündigen lässt, begeht sie Selbstmord, indem sie sich von einer Brücke in den Donaukanal stürzt. Fix: Freund und „Leibbursch“ (113) von Schramek in der Erzählung „Scharlach“ (Brennendes Geheimnis, 86-152). François: Protagonist der Erzählung „Der Stern über dem Walde“ (Verwirrung der Gefühle, 7-18); „der schlanke und sehr soignierte Keller“ eines „großen Rivierahotels“ (7); verliebt sich in die Gräfin Ostrowska, die als Gast im Hotel ist: „Es war jene hündisch treue und begehrungslose Liebe, wie sie die Menschen sonst inmitten ihres Lebens gar nicht kennen, wie sie nur ganz junge und ganz alte Leute haben. … Seine Zärtlichkeit … war ein stilles Mühen, ein Walten jener kleinen Dienste, die um so erhabener und heiliger in ihrer Demut sind, als sie wissend unbemerkt bleiben“ (8); als die Gräfin nach Warschau abreist, verzweifelt François („Wie durch einen zerrissenen Schleier sah er auf einmal sein Leben, fühlte, wie arm, wie kläglich, wie häßlich es jetzt werden mußte“, 11), kauft der Gräfin von seinen Ersparnissen einen großen Blumenstrauß, den er an ihren Platz stellt, bedient sie ein letztes Mal – „wie immer: kühl, lautlos und geschickt, ohne aufzuschauen“ (12) – und begeht Selbstmord, indem er sich vor den Zug wirft, in dem die Gräfin abreist. Françoise: Prostituierte in einer kleinen französischen Hafenstadt in der Erzählung „Die Mondscheingasse“ (Der Amokläufer, 139-159); erhält vom Protagonisten trotz dessen Sparsamkeit dessen gesamte Geldbörse (149). Franz [1]: ehemaliger Kellner im Café Gluck in der Erzählung „Buchmendel“ (Buchmendel, 197-229), gefallen im 1. Weltkrieg bei Gorlice (215). Franz [2]: Schwager von Christine Hoflehner im Roman Rausch der Verwandlung; ein „gutmütig jovialer Magistratsbeamter, der schon als Trainfeldwebel im Krieg und noch eiliger im Frieden sich vorzeitig ein Spitzbäuchlein zugelegt hat“ (178); verheiratet mit Christines Schwester Nelly, mit der er zwei Söhne – Roderich und Joachim – hat; lebt in Wien; Christine ist er „sympathisch seit je, dieser einfache kleine Mann, der sich an kleinen Dingen freut, ein guter Mensch, gefällig, leichtgläubig, zutraulich“ (201); trifft auf der Rückfahrt eines sonntäglichen Familienausflugs nach Schönbrunn, auf den Christine ihn und seine Familie begleitet hat, in der Straßenbahn zufällig Ferdinand Farrner, den er vom Krieg her kennt und den er zu sich nach Hause einlädt; bietet ihm seine Hilfe an, damit Ferdinand eine Invaliditätsrente erhält – diese Hilfe lehnt Ferdinand aber ab.

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FIGUREN:

Franzi – Großmaier, Frau

Franzi: Schwägerin von Anton Hofmiller im Roman Ungeduld des Herzens; eine Frau mit einem „dicken pampfigen Gesicht“ (409). Fuchsthaler, Franz: Schullehrer des Nachbarortes von Klein-Reifling im Roman Rausch der Verwandlung; klein und schwächlich; Vater zweier Kinder; „Seine Frau liegt seit mehr als einem Jahr, von allen Ärzten aufgegeben, in der staatlichen Tuberkuloseanstalt Alland“ (35); „so sitzt er fast allabendlich allein in seinen beiden ausgestorbenen Zimmern und tut lautlos und mit viel bastlerischer Liebe kleine unscheinbare Dinge. Er legt Pflanzen in Herbarien, kalligrafiert …, bindet eigenhändig seine geliebten ziegelroten Reclamhefte in buntgemusterte Pappe … Bücher sind für diesen bescheidenen, stillen, vegetativen Menschen … die Blumen im Hause, und er liebt, sie im Regal anzureihen zu bunten Alleen“ (35-36); „Er haßt Bier und Rauch mit der Angst der Frommen vor dem Bösen“ (36); ist in die Protagonistin Christine Hoflehner verliebt; verspricht ihr, sich während ihres Urlaubs in Pontresina um ihre kranke Mutter zu kümmern; begleitet sie bei der Abreise zum Bahnhof und schenkt ihr eine selbst angefertigte „Schmalkarte ihrer Reise von Linz bis nach Pontresina“ (38) sowie eine ebenfalls selbst angefertigte „Karte des Engadins, abgezeichnet von der großen Schweizer Generalstabskarte“ (39); geht täglich zu Christines Mutter, kümmert sich um sie und schickt Christine täglich Berichte vom Gesundheitszustand ihrer Mutter nach Pontresina, die sie aber erst Tage später an der Rezeption abholt; schickt Christine ein Telegramm, als es ihrer Mutter schlechter geht, und holt sie am Bahnhof in St. Pölten ab, nachdem ihre Mutter gestorben ist; G., Geheimrat: Leiter einer großen Fabrik bei Frankfurt/Main in der Erzählung „Widerstand der Wirklichkeit“ (Brennendes Geheimnis, 221-271); ein reicher, alternder Mann, durch „eine sehr schmerzhafte Ischias häufig zu Haus, oftmals sogar ans Bett gefesselt“ (224); macht den Protagonisten Ludwig zu seinem Privatsekretär und holt ihn in seine Villa, wo dieser sich in dessen Frau verliebt; vertraut ihm so sehr, dass er ihn in einer Geschäftsangelegenheit von hoher Bedeutung für zwei Jahre nach Mexiko schickt; stirbt kurz nach Beginn des 1. Weltkriegs. Gamaliel, Jojakim ben: ein in Rom lebender Jude in der Erzählung „Der begrabene Leuchter“ (Rahel rechtet mit Gott, 74-191); ein 20-Jähriger, „der groß und kräftig war, ein Schmied seines Zeichens, aber sie liebten ihn nicht. Denn er war unkund der Schrift und ungeduldiger Art. Blut war an seinen Händen, er hatte einen Syrer in Smyrna erschlagen und war nach Rom geflohen“ (128); begleitet nach einem Losentscheid Benjamin Marnefesch nach Byzanz, wo dieser die Menorah auslösen möchte. Geza: Offiziersdiener im Roman Rausch der Verwandlung; Nachbar der Hoflehners (27). Goldbaum: Arzt im Regiment von Anton Hofmiller im Roman Ungeduld des Herzens; leidet „an chronischer Zitatendiarrhöe“ (78); „Sohn eines Goldschmieds in Drohobycz“ (81); schätzt die goldene Tabatière, die Anton Hofmiller von Edith von Kekesfalva als Geburtstagsgeschenk erhält, auf 700 bis 800 Kronen. Gollinger, Dr.: Bekannter und „Spießgeselle“ (164) von Leopold Kanitz im Roman Ungeduld des Herzens; Advokat, der Kanitz gegen Bezahlung von 2.000 Kronen dabei hilft, Annette Dietzenhof das Gut Kekesfalva abzuhandeln. Großmaier, Frau: Ehefrau des Bäckers und Konditors in der Garnisonsstadt an der ungarischen Grenze, in der Anton Hofmiller im Roman Ungeduld des Herzens stationiert ist; eine „üppig-grobschlächtige Provinzvenus, die sich … von allen Offizieren nachlässigst hofieren läßt“ (20). 24

FIGUREN:

Großmaier, Herr – Hausner

Großmaier, Herr: Bäcker und Konditor in der Garnisonsstadt an der ungarischen Grenze, in der Anton Hofmiller im Roman Ungeduld des Herzens stationiert ist (21). Grundheim, Baron: junger Mann, der in der Erzählung „Brennendes Geheimnis“ (Brennendes Geheimnis, 7-85) versucht, während eines Urlaubs auf dem Semmering Edgars Mutter Mathilde zu verführen; „ein Baron von nicht sehr klangvollem österreichischem Beamtenadel, in der Statthalterei angestellt“ (8); ein „Frauenjäger“ (9); „Der Baron war eigentlich nicht hübsch zu nennen, er war nur jung und blickte sehr männlich aus seinem dunkelbraunen energischen Bubengesicht mit dem kurzgeschorenen Haar“ (29); reist ab, nachdem Edgar ihn nachts auf dem Hotelflur, in intimer Umarmung mit Edgars Mutter, tätlich angegriffen hat; siehe auch unter Edgar. Guggenheim, Herr und Frau: Gäste im Palace Hotel in Pontresina im Roman Rausch der Verwandlung (150); Bekannte von Claire und Anthony van Boolen. Gurtner: Blumen- und Gemüsehändlerin in einer Stadt an der ungarischen Grenze im Roman Ungeduld des Herzens; bei ihr kauft Anton Hofmiller als Entschuldigung für seinen Fauxpas bei seiner ersten Begegnung mit Edith von Kekesfalva einen Korb langstieliger Rosen, den er Edith zukommen lässt (38). Gurtner, Florian: neuer Besitzer des Cafés Gluck in der Erzählung „Buchmendel“ (Buchmendel, 197-229); „an Mehl- und Butterschiebereien im Hungerjahr 1919 reich geworden“ (224); hat das Café dem früheren Besitzer Standhartner „für achtzigtausend rasch zerblätterte Papierkronen abgeschwatzt“ (224); wirft den Protagonisten Jakob Mendel aus dem Café, weil dieser Semmeln verzehrt, ohne sie bei der Abrechnung anzugeben: er „brüllte Mendel vor allen Leuten an, beschuldigte ihn des Diebstahls und tat sogar noch dick, daß er nicht sofort die Polizei rufe“ (226). Gütersheim, Gräfin: Adelige aus Klein-Reifling im Roman Rausch der Verwandlung; Schlossbesitzerin; „Sie hat drei Töchter, die eine ist verheiratet an einen italienischen Baron, die beiden Komtessen sind ledig und fahren viel in der Welt herum“ (187); die an sie adressierten Ansichtskarten und Modezeitschriften werden von der Postassistentin Christine Hoflehner, durch deren Hände sie gehen, gelesen. Hans: junger Student, der in der Erzählung „Praterfrühling“ (Brennendes Geheimnis, 200215) im Prater die als einfaches bürgerliches Mädchen gekleidete, tatsächlich aber aus noblen Verhältnissen stammende Lise/Lizzie trifft; hat ein „Jünglingsgesicht …, das sympathisch war durch den kindlichen Ausdruck, der trotz des stattlichen Bärtchens noch geblieben war. … Ein Kalabreserhut … gab diesem einfachen, fast gewöhnlichen Kopfe etwas Dichterhaftes, Ideales“ (205); anders als Lise in der Liebe noch recht unerfahren: „Seine Liebe war meistens im bloßen Schmachten steckengeblieben, das behutsam aus der Ferne bewundert und sich in Gedichten und Träumen verliert“ (207); verbringt den Tag mit ihr im Prater, macht ihr „eine Liebeserklärung, die sie von Fröhlichkeit und Glück erbeben ließ“ (209), nimmt sie schließlich mit auf sein Zimmer und verbringt dort die Nacht mit ihr. Hausner: ehemalige Besitzerin eines Hauses, das Professor Silberstein im Romanentwurf Clarissa in Klein-Gmain besitzt; „fünfzig Jahre etwa, eine richtige Bäuerin …, arm und sauber“ (120); Obsthändlerin am örtlichen Markt; Mutter von vier Kindern; hat das Haus nach dem Tod ihres Mannes, da sie die Hypotheken nicht mehr zahlen konnte, an Professor Silberstein verkauft, der sie weiter dort wohnen lässt – sie ist ihm deshalb treu ergeben.

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FIGUREN:

Hawliczek, Ferencz – Henriette

Hawliczek, Ferencz: Kamerad von Anton Hofmiller im Roman Ungeduld des Herzens (35); Leutnant; will den Apotheker, der ihm und seinen Kameraden gegenüber behauptet hat, Hofmiller habe sich mit Edith von Kekesfalva verlobt, zur Rede stellen, als Hofmiller die Verlobung abstreitet (415); tut dies noch in derselben Nacht, als er den Apotheker in einer Weinstube trifft: „Vor allen Leuten hatte er ihn … beschuldigt, … niederträchtige Lügen … zu verbreiten. Es hatte einen furchtbaren Skandal gegeben, am nächsten Tage wußte es die ganze Stadt“ (449). Heindl, Roderich: Mitglied der Schmugglerbande um Gottfried Brancoric und Alois Huber im Romanentwurf Clarissa; wird verhaftet, als der Schmuggel entdeckt wird (171). Helena: Tochter des Herilunt und einer Krämerin, Zwillingsschwester von Sophia und mit ihr Protagonistin der Erzählung „Die gleich-ungleichen Schwestern“ (Verwirrung der Gefühle, 116-144); lebt mit ihrer Mutter und Schwester in der Hauptstadt Aquitaniens; sie und Sophia „hatten … von der Mutter die strahlende Schönheit geerbt und waren so zwiefach ähnlich einander in Gestalt und Anmut der Rede, daß man vermeinte, hier blicke als lebender Spiegel ein liebliches Bild das andere an“ (119); „Wie aber von der Mutter die stürmische Schönheit, so hatten … die Zwillingsschwestern von ihrem Vater auch jenen Unband von Ehrgeiz und Herrschsucht geerbt, so daß jede von ihnen die andere … in jeder Beziehung zu übertreffen strebte. …. Keine gönnte der anderen ein Lob, eine Zärtlichkeit, ein besseres Gelingen“ (120); wie ihre Zwillingsschwester unzufrieden „mit dem niederen Stand ihrer Mutter“ (121) und ihrer Armut; als „kaum Mannbare“ (122) flieht sie eines Nachts mit einem „adeligen Jüngling …, der um ihretwillen Truhen und Schränke seines Vaters gewaltsam aufgestemmt“ (122) – der Beginn einer Karriere als Hetäre, in deren Verlauf sie bald wieder in ihre Heimatstadt zurückkehrt, wo sie sich weiterhin reichen Männern verkauft; so wird sie „in kürzester Frist Meisterin aller Liebesspiele und die reichste aller Hetären“ (124), während ihre Schwester Novizin in einem Orden wird und sich der Krankenpflege widmet; aus Ehrgeiz und Missgunst überlegen beide, „die eine die Reichste … und die andere die Reinste der Stadt, … welcher Art sie einander Abbruch tun könnten“ (129); indem sie Sophias „unbändigen Hochmut“ (131) geschickt ausnutzt, gelingt es Helena, ihre keusche Schwester dazu zu bringen, eine Nacht mit Sylvander, einem ihrer eigenen zahlreichen Liebhaber, zu verbringen; Sophia erliegt ihm prompt, schließt sich nun Helena an und lebt mit ihr als Hetäre: „und bald war diese Stadt berüchtigt … als ein neues Sodom dank der schlimmen Gegenwart der endlich einig gewordenen Schwestern“ (141); als beide älter und für ihr Gewerbe untauglich werden, vollzieht sich, ausgelöst durch Sophia, „eine wunderbare Umkehr des Sinnes“ (142): Beide ziehen sich in ein Frauenkloster zurück und vermachen ihr Vermögen dem Hospital ihrer Heimatstadt, womit dort „ein neues und herrliches Siechenhaus zu Schmuck und Krönung der Stadt“ (143) gebaut wird. Henriette: eine etwa 33-jährige Frau, die in der Erzählung „Vierundzwanzig Stunden aus dem Leben einer Frau“ (Phantastische Nacht, 70-144) im Jahr 1904 mit ihrem Mann und ihren beiden Töchtern einen Urlaub in einem Hotel an der Riviera verbringt; eine „feine, zarte und ganz in sich zurückhaltende“ Frau (72); läuft mit einem jungen Franzosen davon, den sie erst wenige Stunden zuvor kennengelernt hat. -ihr Liebhaber: ein junger Franzose von sympathischer Schönheit: „inmitten eines schmalen Mädchengesichtes umschmeichelte ein seidigblonder Schnurrbart sinnlich warme Lippen, über die weiße Stirn lockte sich weiches, braungewelltes Haar, weiche Augen liebkosten mit jedem Blick“ (71). -ihr Mann: ein Fabrikant aus Lyon, breit und behäbig; glaubt zunächst, seiner Frau sei ein Unglück zugestoßen, als diese nicht von ihrem Abendspaziergang zurückkommt, und ist

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FIGUREN:

Herdlitschka – Hochfeld, Graf

schwer besorgt; bricht innerlich zusammen, als er einen Brief findet, in dem sie ihm mitteilt, dass sie ihn verlassen hat. Herdlitschka: Bäcker in Klein-Reifling im Roman Rausch der Verwandlung (178). Herilunt: Vater von Helena und Sophia in der Erzählung „Die gleich-ungleichen Schwestern“ (Verwirrung der Gefühle, 116-144); Langobarde; Reiterführer des Königs Theodosius; verliebt sich im Winterquartier „in der damaligen Hauptstadt Aquitaniens“ (117) in eine Händlerin, heiratet sie, verbringt mit ihr den Winter und zeugt die beiden Zwillingsschwestern Helena und Sophia; verlässt seine Frau im folgenden Frühjahr, „denn so loh seine Liebe war: noch stärker brannten in ihm Ehrgeiz und die männliche Lust an der Feldschlacht“ (118); besiegt Feinde des Königs in Mauretanien; rüstet anschließend zum Aufstand gegen seinen eigenen König, wird verraten und auf der Flucht erschlagen; kurz nach seinem Tod bringt seine Frau seine beiden Töchter zur Welt. Herwarth: Protagonist der Erzählung „Die unsichtbare Sammlung“ (Buchmendel, 230-247); in einer sächsischen Kleinstadt lebender „Forst- und Ökonomierat a.D., Leutnant a.D., Inhaber des Eisernen Kreuzes erster Klasse“ (232); „ein alter, aber noch markiger Mann mit buschigem Schnurrbart“ (234); seit dem 1. Weltkrieg erblindet; sammelt seit über 60 Jahren Kupferstiche, hat „nur immer gespart und gespart für diese Blätter“ (244); den größten Teil seiner kostbaren Sammlung haben seine Frau Luise und seine Tochter Annemarie ohne sein Wissen aus Geldnot verkauft, um von den in den Zeiten der Inflation rasch entwerteten Erträgen „das nackte, kärglichste Leben zu fristen“ (239); um ihn zu täuschen, haben sie die Originale durch Nachdrucke oder ähnliche Blätter ersetzt; „er sieht ja nichts mehr, aber er holt sich doch jeden Nachmittag alle Mappen hervor, um wenigstens die Stücke anzutasten … in der immer gleichen Reihenfolge, die er seit Jahrzehnten auswendig kennt“ (238); als ihn der Kunsthändler R. [2] besucht, zeigt er ihm voller Stolz seine nicht mehr vorhandene Sammlung: „die unsichtbare Sammlung, die längst in alle Winde zerstreut sein mußte, sie war für diesen Blinden, für diesen rührend betrogenen Menschen, noch unverstellt da“ (243); bezeichnet den Besuch R.s, der den Betrug auf Bitten der beiden Frauen nicht aufdeckt, als „große, große Freude“ (245), und verspricht, die Auktion seiner Sammlung nach seinem Tod R. zu übertragen. Hillel, Hyrkanos ben: ein in Rom lebender Jude in der Erzählung „Der begrabene Leuchter“ (Rahel rechtet mit Gott, 74-191); „Schatzmeister der kaiserlichen Goldpräge, der Stolz der Gemeinde, weil ihm als einzigem Juden Zutritt verstattet war in den kaiserlichen Palast“ (84); meldet den bei Mose Abthalion versammelten Juden, dass die Vandalen die von ihm versteckte Menorah entdeckt und geraubt haben und dass er vergebens versucht hat, sie dem Vandalenkönig Genserich gegen „hohe Löse“ (87) abzukaufen; einer der elf ältesten Juden, die der Menorah daraufhin bis zum Hafen folgen. Hinterfellner, Andreas: „der bucklige, tabakkauende Briefträger“ (10) von Klein-Reifling im Roman Rausch der Verwandlung; „grauhaarig, aber immer vergnügt“ (186). Hinterhuber: Staatsanwalt im Romanentwurf Clarissa; ist beruflich mit der Schmuggelei befasst, in die Gottfried Brancoric und Alois Huber verwickelt sind (171). Hochfeld, Graf: Vater einer Mitschülerin von Clarissa Schuhmeister im Romanentwurf Clarissa (14).

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FIGUREN:

Hoflehner, Bonifazius – Hoflehner, Christine

Hoflehner, Bonifazius: Großvater von Christine Hoflehner im Roman Rausch der Verwandlung; Tierpräparator (28). Hoflehner, Christine: Protagonistin des Romans Rausch der Verwandlung; geboren 1898, zum Zeitpunkt der Handlung 28 Jahre alt; Postassistentin in „Klein-Reifling, einem belanglosen Dorf unweit Krems, etwa zwei Eisenbahnstunden von Wien“ (9) – eine Stelle, die ihr ihr „Onkel Hofrat“ (32) verschafft hat; lebt dort mit ihrer Mutter Marie in ärmlichen Verhältnissen; hat während des 1. Weltkrieges als Kanzlistin im Korneuburger Spital gearbeitet; „ein sympathisch unauffälliges Mädchenprofil, ein wenig schmal an den Lippen, ein wenig blaß an den Wangen, etwas grau unter den Augenschatten“ (9); aschblond; erhält an einem Julimittag 1926 in ihrem Postamt ein Telegramm von ihrer Tante Claire van Boolen, die sie zum Urlaub in das luxuriöse Palace Hotel ins schweizerische Pontresina einlädt; sie freut sich über diese Einladung zunächst nicht, sondern verspürt nur „Verwirrung … und fragendes Erschrecktsein“ (24): „zur Freude hat“ sie, „um ihr Jahrzehnt Jugend durch den Krieg bestohlen, keinen Mut mehr und keine Kraft. … Wozu jetzt von hier fort und zu einer Tante, die sie nicht kennt, unter Menschen, mit denen sich Christine nicht versteht?“ (33-34); „ohne Freude, ohne Erwartung, ohne Anteil“ (34) macht sie sich dennoch auf den Weg nach Pontresina; als ihr der Lehrer Franz Fuchsthaler, der sie zum Bahnhof begleitet, zur Abreise eine von ihm selbst gefertigte Karte ihrer Reiseroute sowie eine Karte des Engadins schenkt, ist sie „ergriffen“ (39): „mit einemmal empfindet sie eine ihr bisher selbst unbekannte Wärme in seiner Gegenwart, ein Gefühl von Zuneigung und Vertrauen, wie sie`s noch nie zu einem Manne empfunden“ (40); während der Bahnreise nach Pontresina ist „die zum erstenmal aus ihrer engen Welt Herausgeflüchtete“ von der Natur der Alpen fasziniert: „Mit einemmal, zum erstenmal, dringt eine Ahnung des Versäumten hinein in diesen bislang wunschlos gleichgiltigen Sinn“ (43); in Pontresina angekommen, empfindet Christine aufgrund ihrer Armut zunächst „Schauer der Scham“ (46), ist selbstunsicher und ängstlich, empfindet sich selbst in ihrem luxuriösen Hotelzimmer als „das einzig Ungehörige in diesem ganz auf vornehm abgestimmten Raum“ (50); „gräßlich frech und ordinär scheint ihr jetzt, was gestern in Klein-Reifling noch das Prunkstück ihrer Garderobe gewesen“ (52); „dabei meint ihr Minderwertigkeitsgefühl, beständig im Rücken ein Tuscheln zu hören und imaginär höhnische oder mitleidige Blicke der Nachbarschaft“ (54); sie erhält von ihrer Tante neue, luxuriöse Kleider, Schuhe usw., worauf sie mit „überströmender Dankbarkeit“ (61) reagiert; neu ausgestattet „spürt sie, wie ihr Schritt sich sicherer spannt“ (64); ihre anfängliche Befürchtung hinsichtlich der neuen Kleider – „Wird sie nicht noch lächerlicher aussehen als vordem in dem abgeborgten Kleid, wird nicht jeder, wird nicht sie selbst den geborgten Betrug erkennen?“ (67) – erweist sich als unbegründet: „Nicht einmal im Traum hat sie gewagt, sich so herrlich, so jung zu denken, so geschmückt“ (68); „Wie von einer Welle fühlt sie sich getragen, wie von einem seligen Wind geführt; seit Kindertagen ist sie nicht so leicht, so flughaft gegangen: Rausch der Verwandlung hat in einem Menschen begonnen“ (70); beim Diner ist sie gelöst: „es ist, als ob innen eine Daube von Angst gesprungen sei, die ihr Herz einengte“ (73); sie tanzt zunächst mit ihrem Onkel Anthony van Boolen, wird dann von Edwin, einem „Ingenieur aus Gladbach“ (79) zum Tanz aufgefordert und genießt „die neuentdeckte Lust am eigenen Leib“ (79); schließlich bittet auch General Elkins um einen Tanz, worauf Christine zunächst erschrickt („Mein Gott, was sprechen mit einem so furchtbar vornehmen und berühmten Mann…?“, 79), ihre Unsicherheit aber schnell überwindet: „Immer heimischer, immer selbstsicherer fühlt sie sich in dem heute morgen noch so feindseligen Raum, seit alle Menschen geradezu wetteifern, ihr unvermutete Freude zu bereiten“ (81); als General Elkins ihr für den nächsten Vormittag einen Ausflug in seinem Wagen nach Maloja anbietet, nimmt sie an; früh am nächsten Morgen besteigt sie noch vor dem Frühstück den Hausberg; sie genießt den luxuriösen Urlaub immer mehr: „Keine Angst, keine Pflichten, kein Dienst, keine Zeit, kein Wecker“ (85); „die Zeit gehört einem, man 28

FIGUREN:

Hoflehner, Christine

gehört nicht der Zeit“ (86); um 10 Uhr nimmt General Elkins Christine mit auf den Ausflug nach Maloja; der Respekt, mit dem er sie behandelt, „macht Christine ein wenig wirr, als Betrügerin fühlt sie sich vor der … Höflichkeit dieses Mannes“ (94); als sie durch ihre Tante von den Schicksalsschlägen des Generals erfährt, ist Christine erschüttert, „daß es auch hier oben in dieser halkyonischen Welt Unglück geben kann“ (97); als Edwin, ihr Tanzpartner vom Vortag, Christine nachmittags seinen Freunden als „Fräulein von Boolen“ (98) vorstellt, berichtigt sie ihn nicht, sondern „duldet … mit schlechtem Gewissen … den unbeabsichtigten Betrug“ (98); vor dem Diner holt sie auf Bitte ihrer Tante ihren Onkel Anthony von einer Pokerpartie, der ihr bei dieser Gelegenheit einige Spielmarken im Wert von 255 Franken schenkt – eine Summe, über die sie regelrecht erschrickt: „vier Monate, ein Dritteljahr muß sie daheim arbeiten, um so furchtbar viel zusammenzubekommen, … und hier fließt das einem mühelos in zehn Minuten in die Hand. Kann das wahr sein und gerecht?“ (103); in den kommenden Tagen nutzt sie ihr adeliges Pseudonym, ergänzt durch den Vornamen „Christiane“, ohne schlechtes Gewissen: „Aber bald vergißt sie den … Betrug … Was ihr anfangs peinlich gewesen, adelig angesprochen als reiche Fremde zu werden, nach einem Tag ist es ihr schon prickelndes Behagen, am zweiten, am dritten Tage bereits völlig selbstverständlich“ (104); „Wo sie sitzt, dort lacht und dröhnt es, … jedes Gespräch flackert hell und klingend auf, sobald sie sich, immer glücklodernd, immer spaßfreudig einmengt“ (105); „sie genießt ihr Gerngesehensein als Steigerung ihres Daseins“ (107); General Elkins „werbende Neigung“ (107) – er schickt ihr täglich Blumen aufs Zimmer, leiht ihr Bücher aus usw.– empfindet Christine in ihrer Unerfahrenheit „als Zeichen besonderer Sympathie gleichzeitig ängstlich und beglückt, ohne zu wagen, ihnen zu glauben, indes er sich quält, dies ihr verlegenes Ausweichen richtig zu deuten“ (108); sie bemerkt nicht, dass ihre „wirbelnde Seligkeit“ (115), bei der sie „jedes Maß verloren“ (115) hat, zunehmend ihren Onkel und ihre Tante verärgert; von ihrer Tante gefragt, ob sie etwas von ihrer Mutter gehört habe, muss sie sich eingestehen, dass sie diese völlig vergessen hat, und erfährt auf Nachfrage, dass beim Portier tatsächlich mehrere Briefe auf sie warten, in denen Franz Fuchsthaler berichtet, ihrer Mutter gehe es nicht besonders gut; Christine ist „verwirrt und beschämt“ (118), entschuldigt sich bei ihrem Onkel und ihrer Tante und verspricht ihrer Tante, die Briefe noch am selben Abend zu beantworten; da sie auf ihrem Zimmer kein Briefpapier hat, geht sie ins Schreibzimmer, wo sie von Edwin gefunden und zu einem nächtlichen Ausflug „in die Bar nach St. Moritz“ (126) überredet wird; auf der Fahrt dorthin wird sie von Edwin leidenschaftlich geküsst und liebkost, wogegen sie sich nicht wehrt: „Unbewußt hat sie all dies nur gewollt und erwartet, dieses Hart-Angefaßtwerden, diese heillose Jagd der Küsse über Hals und Schultern und Wangen“ (128) – „Unwillkürlich zündet dies alles in ihr einen Stolz“ (129); als Edwin sie auf dem Rückweg bedrängt, noch mit auf sein Zimmer zu kommen, „packt sie eine wirre, wahnwitzige Angst“ (130) und sie flüchtet vor ihm auf ihr eigenes Zimmer; am nächsten Tag verbreitet sich das Geheimnis ihrer gesellschaftlichen Herkunft, das Carla herausgefunden und aus Neid und Eifersucht verraten hat, im gesamten Hotel; als Einziger steht General Elkins weiter zu ihr und lädt sie zu einer Autofahrt ein; während der Fahrt wirbt General Elkins, der sich stark zu ihr hingezogen fühlt, um sie, was Christine aber „in ihrer sprudelnden Begeisterung“ (152) nicht bemerkt; zurück im Hotel, erfährt Christine von ihrer Tante, dass diese und ihr Mann am nächsten Tag abreisen; den wahren Grund dafür teilt ihr die Tante nicht mit, Christine spürt allerdings: „Etwas ist geschehen, … etwas, das sie nicht versteht“ (155); ihrer Tante gegenüber wahrt sie mühsam die Contenance, doch nach dem Abschied bricht sie zusammen: „Wie ein abgeschossenes Tier … schleppt sie sich mit den Händen die Wand entlang bis zu ihrem Zimmer; dort fällt sie in den Sessel, starr, kalt, regungslos. … Man jagt sie fort, und sie weiß nicht warum“ (160); sie flüchtet aus ihrem Zimmer und trifft in der Hotelhalle Edwin, den sie weinend um Hilfe anfleht („Nehmen Sie mich mit, nimm mich mit … Fahren wir fort … wohin du willst … nur fort hier und nicht wieder zurück … nach Hause … Ich ertrage es nicht“, 166); als er sich ihr 29

FIGUREN:

Hoflehner, Christine

entzieht, „spürt sie nur eines mehr: Haß gegen ihn, gegen jeden hier, gegen alle“ (167); Christine verbringt die letzte Nacht in Pontresina, ohne schlafen zu können; „das neue, das andere Wesen, dieses künstliche und doppelte der neun traumhaften Tage, jenes unwirkliche und doch wirkliche Fräulein von Boolen stirbt wieder in ihr ab. … Jetzt heißt es einpacken, wegfahren, die andere sein, die Postassistentin Hoflehner“ (168-169); „Es ist kein Abschied, es ist eine Art Tod“ (170); sie verlässt das Hotel am frühen Morgen über die Dienertreppe und geht allein zum Bahnhof, wo sie sich im „Wartesaal dritter Klasse … schon halb daheim“ (172-173) fühlt; kurz vor der Abfahrt des Zuges bringt ihr der Hotelportier noch ein Telegramm von Franz Fuchsthaler, in der er ihr eine plötzliche Verschlechterung des Zustandes ihrer Mutter mitteilt; sie ist jedoch so apathisch, dass sie „bei jenem Telegramm keinerlei neuen Schmerz“ (173) empfindet: „Alles bleibt starr, und diese Starre geht von ihr über auf alles um sie“ (174); in St. Pölten erwartet sie Franz Fuchsthaler, der ihr mitteilt, dass ihre Mutter gestorben ist – „aber merkwürdig, es erschüttert sie nicht“ (176); obwohl sie von Fuchsthalers Einsatz für ihre Mutter – er war täglich bei ihr und hat sich um sie gekümmert – gerührt ist, empfindet sie plötzlich einen Widerwillen „gegen den früher so sympathischen Mann, ein Widerwille, dessen sie sich vergeblich schämt“ (176): „Unerträglich kleinbürgerlich, zum Schreien lächerlich scheint ihr mit einmal dies schwarz angezogene dünne Männchen, dieser Dorfschulmeister mit seinen blassen abstehenden Ohren, … dies Spitzmausgesicht aus Pergament über dem zerdrückten gelben Zelluloidkragen“ (176-177); während der Beerdigung ihrer Mutter spürt Christine „mit einemmal Grauen vor sich selbst“ (177), da sie keinerlei Trauer empfindet; als sich ihre Verwandten nach dem Begräbnis an die Aufteilung der Habseligkeiten ihrer Mutter machen, empfindet sie Ekel, Zorn und Mitleid: „Wie arm sie sind, so erbärmlich arm, und ahnen es gar nicht“ (181); sie selbst verzichtet auf ihren Anteil; „mit einmal haßt sie alle und alles, sich selbst und die andern, den Reichtum und die Armut, das ganze schwere unerträgliche und unverständliche Leben“ (183); sie verändert sich nun auch den Dorfbewohnern gegenüber: Sie zieht sich von allen zurück, spricht mit niemandem mehr, geht nicht mehr in die Kirche; „im Amt ist sie, die früher sonst als gefällig und hilfsbereit bekannt war, dauernd unfreundlich, kurz angebunden und sekkant“ (185): „Nach dem ewigen Gesetz von der Fortwirkung der Kraft muß sie den Druck irgendwie weitergeben, und nur von diesem einzigen Punkt Macht, nur von dem kleinen erbärmlichen Amtspult her, kann sie ihn gegen Unschuldige entladen. … es ist kläglich, sie weiß es und beobachtet selbst mit Entsetzen ihre Veränderung. Aber sie kann nicht anders, sie muß ihren Haß irgendwie heraus in die Welt stoßen, sonst erstickt sie daran“ (188-189); empfindet das Postamt als „Kerker“ (186); wochenlang denkt sie zurück an ihren Urlaub – „ihre Träume sind das einzige, was sie noch hat“ (190); an einem Samstag fährt sie mit dem Geld, das ihr Onkel ihr in Pontresina beim Pokern geschenkt hat, nach Wien, um noch einmal in die Rolle der Christiane von Boolen zu schlüpfen, „die andere zu werden, die sie war“ (192) – dies gelingt, wie sie bald merkt, nicht: „Es ist vorbei, man kann nicht hinüber, man kann nicht durch die unsichtbare Wand“ (199); sie übernachtet in Wien und besucht am nächsten Tag ihre Schwester Nelly und deren Familie, die sich über ihr Kommen freuen und die sie mit auf einen Ausflug nach Schönbrunn begleitet; auf der Rückfahrt trifft die Gruppe in der Straßenbahn zufällig Ferdinand Farrner, einen Kriegskameraden von Nellys Mann Franz, den Franz noch zu sich nach Hause einlädt; Christine stimmt den Ansichten und der Staatsverachtung Ferdinands, eines „mit dem Geiste der Revolution geladenen Menschen“ (208), zu: „Alles ist wahr, was Herr Farrner sagt. Jahre hat man uns gestohlen und nichts gegeben, nicht einen Augenblick Ruhe, Freude, keinen Urlaub und kein Ausruhen“ (217); von ihrer Schwester Nelly, die Ferdinand und seine Ansichten ablehnt, entfremdet sie sich: „Irgendein Fremdes steht zwischen den beiden, die eine haßt die Revolte, die andere die Bequemlichkeit bei der andern“ (221); nachdem sie sich von ihren Verwandten verabschiedet hat, verbringt sie den Tag mit Ferdinand, der auf der Straße auf sie gewartet hat; im Gespräch kommt sie ihm näher, versteht ihn immer besser: „Ganz klar hat er ausgesprochen, was sie nur 30

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Hoflehner, Christine

dumpf gefühlt hat. Niemand etwas wegnehmen, nur auch sein Recht haben, sein Stück Leben“ (223); um noch Zeit mit ihm zu verbringen, verschiebt sie ihre Abreise zunächst auf den Abend, dann auf den nächsten Morgen; sie „spürt … mit einem gewissen Stolz, daß endlich wieder unvermuteterweise ein Mensch da ist, der sich um sie bemüht, daß sie, das zwecklose Wesen, … irgend jemand irgend etwas gilt“ (227); sie erzählt ihm von ihren Erlebnissen in Pontresina und „erzählt mehr als sie eigentlich will von sich, der Haß gegen das Dorf, die Wut wegen der vergeudeten Jahre … Niemand hat sie sich jemals so sehr aufgeschlossen“ (232); „Erschüttert spürt die Frau … in ihr sich zum erstenmal wieder begehrt und tiefer begehrt als von irgend jemand bisher, und herrlich fühlt sie sich bestätigt in ihrem Sinn und Sein“ (239); sie verbringt die Nacht mit ihm in einem billigen Hotel, ohne sich zu überlegen, „ob sie etwa diesen Mann liebt, den sie kaum kennt, ob sie ihn männlich will, nur das Losgelöstsein des Willens, das Unverantwortliche des Gefühls genießt sie, die Lust des Gelöstseins“ (240); in dem heruntergekommenen Hotel empfindet sie „Widerwillen und Ekel“ (242), doch Ferdinands Zärtlichkeit und „Unterwürfigkeit ergreift sie. Und als er sie schließlich umfaßt, wehrt sie sich nicht“ (244); „Überströmt von seiner Zärtlichkeit, fühlt sie sich gleichzeitig beschmutzt von der Ärmlichkeit und Erbärmlichkeit, innerhalb der es geschieht. … Und sie schämt sich, nicht daß sie sich hingibt, sondern daß dies Festliche hier geschieht, wo alles widerlich und schmachvoll ist“ (244-245) – Gefühle, die Ferdinand versteht; nach einer nächtlichen Polizeikontrolle im Hotel, die ihr Grauen und ihre Scham noch steigert, verlässt sie das Hotel um halb vier Uhr morgens und geht mit Ferdinand zum Bahnhof, wo sie sich von ihm verabschiedet; von nun an fährt sie jeden Sonntag nach Wien, um Ferdinand zu treffen: „Sie verstehen einander gut. Aber zu ermüdet, zu enttäuscht beide für eine leidenschaftlich begehrende, für eine überschwenglich hoffnungsvolle Liebe, sind sie schon glücklich, jemand zu finden, dem sie sich eröffnen können“ (260); immer stärker „empfinden sie beide die unermeßliche Macht des Geldes, das mächtig ist, wenn es da ist, und noch mächtiger, wenn es fehlt, das Göttliche der Freiheit, die es zu geben vermag, und das Teuflische seines Hohns, wenn es zum Verzicht zwingt“ (262); gegen Ende Oktober, als das Wetter schlechter wird, „sitzen sie leer herum, die Freude wie weggewaschen vom Regen … und wissen um die völlige Ausweglosigkeit“ (264); „Die Armut erdrückt beinahe ganz die Leidenschaft ihres Gefühls, und sie ertragen ihr Beisammensein und ertragen es doch nicht“ (265); an einem Tag im November erhält Christine Nachricht, dass ihr Gesuch um Versetzung nach Wien abgelehnt wurde; am gleichen Tag sucht Ferdinand sie – zum ersten Mal – in ihrem Postbüro in Klein-Reifling auf und bittet sie um ein Gespräch in der Mittagspause; sie erfährt, dass er seine Arbeit verloren hat und auch keine neue Stelle mehr suchen will, da er „dieses hündische Dasein“ (272) nicht mehr erträgt; als er ihr mitteilt, dass er sich umbringen will, entschließt sie sich, ihm in den Tod zu folgen: „Ich habe auch alle drei Tage das gleiche gedacht. Nur getraut habe ich mich nicht, so klar zu denken“ (275); nach dem gemeinsamen Entschluss „spüren sie Sicherheit, einer an dem andern und in die Zukunft“ (276); Christine will den Selbstmord aber nicht sofort ausführen, sondern „möchte, daß wir zuvor noch einmal beisammen sind … wirklich beisammen, ohne Angst und ohne Grauen … Eine ganze Nacht“ (276); sie beschließen, ihre letzte Nacht in einem guten Hotel zu verbringen; Christine fühlt sich nun frei und erleichtert: „Eine wunderbare Ruhe ist plötzlich in ihr“ (278); sie schreibt einige Abschiedsbriefe und sorgt an ihrem Arbeitsplatz für Ordnung; als Ferdinand sie um sechs Uhr im Postamt abholen kommt, während sie über der Tagesabrechnung sitzt, ist er erstaunt über die dort vorhandene große Geldsumme (11.570 Schilling) und fragt sie, ob sie noch nie daran gedacht habe, dieses Geld dem „sinnlosen Popanz, dem Staat“ (281) zu stehlen: „davon könnten wir leben, zwei Jahre, drei Jahre, die Welt sehen und jede Minute wirklich leben“ (281); Christine ist über diesen Gedanken zwar „ganz erschrocken“ (281), doch als sie das Postamt verlassen, „geht“ er „mit ihnen wie ein Schatten“ (282); als Ferdinand ihr auf dem Weg zum Bahnhof vorschlägt, das Geld aus dem Postamt zu stehlen, wenn die Kasse besonders gut gefüllt ist, ist Christine zunächst „tödlich erschrocken und 31

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Hoflehner, Marie – Hofmiller, Anton

willenlos“ (284); „Nie hat sie seine Überlegenheit so stark, ihre eigene Hingegebenheit so mächtig gefühlt“ (286); sie merkt und eröffnet Ferdinand: „für mich allein kann ich gar nichts, nur für jemand andern, … für dich, da kann ich alles“ (288); in den folgenden Tagen arbeitet Ferdinand zu dem geplanten Raub einen detaillierten Plan aus – diese Zeit ist „unerträglich für Christine. Sie hat zum erstenmal Furcht vor sich selbst, Furcht vor den Menschen, Furcht vor den Dingen“ (291); „In der Nacht kann sie nicht schlafen, … denn der Gedanke ist immer grauenhafter als die Tat“ (292); der Plan, den Ferdinand Christine am nächsten Sonntag vorstellt, sieht vor, das Geld am 10. November, dem Tag vor dem Nationalfeiertag, zu stehlen und als Ehepaar zunächst nach Paris zu fliehen, gleichzeitig aber falsche Spuren nach Rumänien zu legen; obwohl Ferdinand Christine mehrmals auf die Risiken, vor allem ihr persönliches Risiko hinweist („deine Situation ist ungünstiger, du giltst als die Täterin, überdies bist du eine Frau und dadurch abhängiger“, 298), stimmt sie entschlossen zu: „Wahrscheinlich ist es vergeblich, was wir tun, und es hat keinen Sinn. Aber es nicht zu tun und so weiter zu leben, wäre noch sinnloser. Ich sehe nichts Besseres. Also – du kannst auf mich zählen“ (310). -ihr Vater: Tierpräparator; „Den Esterhazy, den Schwarzenberg, den Erzherzogen sogar hat er die Jagdtrophäen für die Schlösser präpariert, mit vier oder fünf Gehilfen gearbeitet, fleißig, sauber und ehrenhaft, von morgens bis spät in die Nacht“ (29); geht während des 1. Weltkrieges pleite und verarmt; stirbt am 2. Januar 1917. Hoflehner, Marie: Mutter von Christine Hoflehner im Roman Rausch der Verwandlung; verwitwet und seit dem 1. Weltkrieg verarmt; lebt mit ihrer Tochter Christine in einem „kleinfenstrigen Mansardenzimmer eines engbrüstigen Bauernhauses“ (18); eine „abgemüdete, früh gealterte Frau“ (19); hat während des Krieges zwei Jahr lang „in einem nicht unterkellerten Bodengelaß eines Kriegsspitals“ (19) als Beschließerin gearbeitet, leidet seitdem an kranken, aufgequollenen Beinen und an einer Herzkrankheit; verzichtet auf die Einladung ihrer Schwester Claire van Boolen nach Pontresina und bittet diese, an ihrer Stelle ihre Tochter Christine einzuladen; stirbt, während Christine in Pontresina ist. Hoflehner, Otto: Bruder von Christine Hoflehner im Roman Rausch der Verwandlung; blass, dünn und hochgeschossen (27); fällt 1915 im 1. Weltkrieg am Isonzo. Hofmiller, Anton: Protagonist und Ich-Erzähler des Romans Ungeduld des Herzens; „hochgewachsen und auffällig durch sein frischfarbiges, jugendliches Gesicht mit einem pikanten Grau an den Schläfen“ (6); hat im 1. Weltkrieg den Maria Theresienorden verliehen bekommen; trifft 1938 in Wien den (namenlosen) Rahmen-Ich-Erzähler, dem gegenüber er sich als „entschiedener Nichtheld“ (12) bezeichnet: „einer von denen, die in den Krieg nur deshalb so wild hineingerannt sind, weil sie sich aus einer verzweifelten Situation retten wollten“ (12); er erzählt ihm daraufhin seine Geschichte, die im Mai 1914 beginnt: er ist zu dieser Zeit 25 Jahre alt und aktiver Leutnant bei der Kavallerie in einer kleinen Garnison an der ungarischen Grenze; er entstammt einer „altösterreichischen Beamtenfamilie“ (17), hat zwei Schwestern und drei Brüder; hat keine „sonderliche Passion oder innere Berufung für den Offiziersstand“ (17), wurde „um meiner festen Knochen willen in die Militärschule“ (17) geschickt; tritt auf Wunsch seiner Tante Daisy Hofmiller bei der Kavallerie ein und wird von ihr mit 100 Kronen monatlich bezuschusst; wird im Mai 1914 als „frisch transferierter Leutnant, gerade erst vor ein paar Monaten in die neue Garnison geschneit“ (21), durch Vermittlung des örtlichen Apothekers von Lajos von Kekesfalva, dem reichsten Mann der Umgebung, zum Diner auf dessen Schloss eingeladen; ein „unvermuteter dienstlicher Vorfall“ (25) hält ihn auf, so dass er sich um eine halbe Stunde verspätet, was ihm sehr unangenehm ist; nach anfänglicher Befangenheit in der ihm unbekannten Gesellschaft fühlt er sich bald „aufgelockert und frei“ (28), „eine Leichtigkeit …, die an Übermut und fast an Unbändigkeit 32

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Hofmiller, Anton

grenzt“ (28); er tanzt zunächst mit Ilona, der Nichte des Hausherrn, dann mit anderen Frauen; schließlich fordert er, nicht wissend, dass sie an den Beinen gelähmt ist, Edith von Kekesfalva zum Tanz auf; als diese daraufhin einen hysterischen Weinanfall bekommt und Anton durch Ilona von Ediths Lähmung erfährt, verlässt er fluchtartig das Haus; er ist sehr um seine Reputation besorgt: „fünf Minuten noch, und alle wissen von meiner Tölpelei … und morgen läuft, von hundert Lippen zerschmatzt, der Schwatz über meine rohe Ungeschicklichkeit durch die ganze Stadt“ (33); schickt Edith am nächsten Tag als Entschuldigung einen Korb langstieliger Rosen; erhält daraufhin einen Brief von Edith, in dem sie ihre Freude über die Blumen ausdrückt und ihn „an jedem beliebigen Nachmittag zum Tee“ (40) einlädt; er ist sehr erleichtert und folgt der Einladung bereits am nächsten Tag; nach erster Verlegenheit („mir steckt ein Pfropf in der Kehle, und auch mein Blick muß etwas Verlegenes haben“, 45) „entsteht ein landläufiges, unbeschwertes Gespräch, in dem sich die arge Spannung unmerklich löst“ (47); als er Edith sich mit ihren Krücken und „Stützmaschinen an den Fußgelenken“ (51) fortbewegen sieht, ergreift ihn Mitleid: „Wie unter einem Eisgriff krampft sich mir das Herz zusammen“ (51); in den folgenden Tagen und Wochen beginnt bei ihm eine „Vergiftung durch Mitgefühl“ (58): „zum erstenmal sah ich einen Abgrund des Gefühls aufgerissen, den auszumessen und in den sich hinabzustürzen mir auf unerklärliche Weise verlockend schien. Aber gleichzeitig warnte mich ein Instinkt, solch verwegener Neugier nachzugeben“ (59); dennoch nimmt er eine weitere Einladung ins Haus Kekesfalva gern und mit Stolz an – „Es wurde ein richtiger gemütlicher Abend“ (60); er unterhält sich nach dem Diner angeregt mit Edith und Ilona: „Sonst eher ängstlich und verlegen, finde ich einen mir ganz neuen Mut: ich lache … und mache sie lachen. Wie übermütige Kinder kuscheln wir drei uns in der Ecke zusammen“ (63); die „verhaltene Geste inbrünstigen Danks“ (65), den Ediths Vater Lajos von Kekesfalva ihm gegenüber zum Ausdruck bringt, weil seine Besuche Edith große Freude bereiten, erstaunt ihn „maßlos“: „daß ich kleiner, mittelmäßiger, unsicherer Offizier wirklich Macht haben sollte, jemanden derart glücklich zu machen“ (65); er beschließt, Edith öfter zu besuchen, und verbringt ab sofort „die Spätnachmittage und meist auch die Abende bei den Kekesfalvas“ (68), empfindet dies als neues „Zuhause …, eine Heimat des Herzens statt kalter Kasernenräume und rauchiger Kameradschaftsstuben“ (68); bei seinem Zusammensein mit Edith ist für ihn aufgrund ihrer Krankheit „jener elektrisch knisternde Kontakt abgeschaltet …, der sich sonst unaufhaltsam bei jedem längeren Zuzweitsein von jungen Leuten verschiedenen Geschlechts ergibt“ (70): Mit Edith, „der Hilflosen, der Zurückgesetzten“ (71), empfindet er vor allem Mitleid; gleichzeitig bemerkt er an sich selbst eine „sonderbare Verwandlung“ (74): „seit ich an diesem wehrlosen, machtlosen Mädchen die Qual der Unkraft begriffen habe, erregt mich haßvoll jede Brutalität und anteilfordernd jede Wehrlosigkeit“ (75); erhält zum 25. Geburtstag von Edith (und Ilona) eine wertvolle goldene Zigarettendose als Geschenk; eines Abends trifft er nach einem Besuch bei Kekesfalvas noch seine Kameraden im Kaffehaus, die über seine neuen Beziehungen zu den reichen Leuten und die ihm von Edith geschenkte Tabatière witzeln, was ihm sehr unangenehm ist: „Ein Krampf sitzt mir in der Kehle. Morgen weiß prompt das ganze Regiment die peinliche Neuigkeit von der goldenen Zigarettendose“ (81); durch den Spott seiner Kameraden wird er sich seiner Rolle und Situation unsicher: „nun wurde ich gewahr, wie die andern diese Beziehung sahen, … wie man sie von außen … unvermeidlich sehen mußte. Was konnten Fremde denn verstehen von dieser subtilen Lust des Mitleidens, der ich … wie einer dunklen Leidenschaft verfallen war. Für sie blieb es ausgemacht, daß ich mich einzig deshalb einnistete in dieses üppige, gastliche Haus, um mich reichen Leuten anzubiedern“ (83); er beschließt, seinen Besuch am kommenden Nachmittag auszusetzen; verbringt die Zeit mit seinen Kameraden, ist aber nervös und unkonzentriert: „Zum erstenmal beginne ich zu ahnen, daß wirkliche Teilnahme sich nicht einschalten und abschalten läßt wie ein elektrischer Kontakt, und jedwedem, der teilnimmt an fremdem Schicksal, etwas genommen wird an Freiheit des eigenen“ (86); Ilona, die sich auf Wunsch Ediths nach ihm 33

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Hofmiller, Anton

erkundigt, belügt er über den Grund seines Fernbleibens, sagt aber für den kommenden Tag seinen Besuch bei Kekesfalvas zu; als er Edith gegenüber, nach dem Grund seines gestrigen Fernbleibens gefragt, eine Ausrede benutzt, weist sie ihn harsch zurecht und sagt ihm, dass sie Lügen, Unwahrheiten und falsche Rücksichtnahme nicht ertragen könne – dieser „unvermutete Ausbruch“ (100) Ediths erschüttert ihn sehr; anschließend begleitet er Ediths Vater auf dessen Wunsch in sein Büro, wo dieser ihn inständig darum bittet, am folgenden Tag Dr. Condor, Ediths behandelnden Arzt, „ganz zufällig“ (109) nach einer Prognose zu Ediths Lähmung zu fragen, um so endlich Gewissheit zu erlangen; Anton Hofmiller geht auf diese Bitte gerne ein: „ich vermag schwer zu schildern, wie viel dieser unvermutete Auftrag mir persönlich bedeutete“ (111); „dieses Vertrauen beglückte mich mehr als jedes bisher erhaltene dienstliche oder kameradschaftliche Lob“ (112); ist von der äußeren Erscheinung Condors, den er am nächsten Tag bei Kekesfalva kennenlernt, zunächst enttäuscht, da er seiner Vorstellung eines genialen Arztes nicht entspricht, und ist gegen ihn eingenommen; bricht zusammen mit Condor auf und begleitet ihn zum Bahnhof; unterwegs erfährt er von Condor „mit einer Unbefangenheit …, die ich nicht erhofft hatte“ (125), dass dieser weniger um Edith als vielmehr um den Gesundheitszustand ihres Vaters besorgt ist, der „von Woche zu Woche mehr verfällt“ (127); als Hofmiller, von dieser Feststellung „ganz niedergeschmettert“ (128), da er Kekesfalva mittlerweile „wirklich liebgewonnen hatte“ (128), diesen als echten Edelmann bezeichnet, deutet ihm Condor an, „daß es mit seinem Edelmannstum nicht so weit her ist“ (129), bekräftigt aber gleichzeitig: „Sie brauchen sich nicht zu schämen, daß Sie ihm … so viel Freundschaft bezeugt haben“ (130); in der „Tiroler Weinstube“ erfährt er anschließend von Condor die Geschichte und Herkunft Kekesfalvas; er ist von den „überraschenden Enthüllungen“ „wie betäubt“ (184) und „gleichzeitig auch betroffen über meine eigene Dumpfheit und Torheit. … Wochenlang täglicher Gast in diesem Hause, hatte ich, ganz eingenebelt in mein Mitleid, aus dummer Diskretion niemals gewagt, mich zu erkundigen, weder nach der Krankheit selbst, noch nach der Mutter, die doch sichtlich in diesem Hause fehlte, nicht gefragt, woher der Reichtum dieses sonderbaren Menschen stammte“ (184); auf dem Weg zum Bahnhof fragt er Condor schließlich, sich seines Auftrags von Kekesfalva erinnernd, ob Ediths Erkrankung heilbar oder unheilbar sei – worauf ihm Condor entgegnet, für ihn sei keine Krankheit unheilbar, sondern höchstens „noch nicht heilbar“ (189); erfährt von Condor schließlich von einer möglichen neuen Behandlungsmethode des französischen Professors Viennot; wird auf dem Weg zurück in die Kaserne – mittlerweile ist es mitten in der Nacht – von Lajos von Kekesfalva abgepasst, der ihn fragt, was Condor ihm hinsichtlich Ediths Krankheit gesagt habe: „Und wieder kam das Mitleid über mich, abermals brach die verfluchte heiße Welle innen auf, die mich jedes Mal so kraftlos und willenlos machte; … wie hätte ich es da über mich bringen können, dem vor Aufregung und Schwäche Schlotternden nur karg das Faktische und Wahrhaftige zu berichten, daß Condor seiner Sache sich noch keinesfalls sicher fühlte?“ (201); erzählt Kekesfalva in einem aufkommenden Gewitter von der neuen Behandlungsmethode, „aber ein Mitleid riß mich weiter, als ich verantworten konnte. Ja, diese Kur hätte außerordentliche Erfolge, … soviel wie gewiß werde sie bei Edith nicht versagen“ (201): „wie meine Worte sein gieriges Hinhören, so berauschte sein beseligtes Lauschen meine Lust, ihm mehr und mehr zu versprechen“ (202); fühlt sich am nächsten Tag „leicht und entschwert“ (204); als er nachmittags Edith besucht und diese ihn völlig verändert, „berauscht“ und „betört“ (207) empfängt und sofort nach der neuen Kur fragt, von der ihr ihr Vater noch in der Nacht berichtet hat, ist er zunächst bestürzt und reagiert ausweichend und abwiegelnd: „Zurückdrehen, sagte ich mir. Sie nicht in diesen wilden Wahn sich verrennen lassen, als ob schon alles gesichert wäre und gewiß“ (210) – doch er kann ihren Optimismus nicht mehr bremsen; ist „ganz benommen von der unfaßbaren Verwandlung“ (212) und wird schließlich selbst von der „Zuversicht, die doch einzig durch mein mitleidiges Übertreiben entstanden“ (212) ergriffen: „wir plauderten und planten, als ob Edith bereits genesen und gesundet wäre“ 34

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Hofmiller, Anton

(212-213); nimmt am folgenden Sonntag an einem von Edith initiierten Ausflug in der großen Reisekutsche der Fürstin Orosvár teil, bei dem alle bester Laune sind; als der Ausflug spät abends mit der Rückkehr nach Schloss Kekesfalva endet, beschließt Hofmiller, nicht mehr zum Abendessen zu bleiben: „Ich fühlte, daß es genug war und schon zuviel. Ich war vollkommen glücklich gewesen diesen langen goldenen Sommertag, jedes Mehr … konnte nur noch vermindern“ (226-227); nach seiner Rückkehr in die Kaserne findet er dort ein Telegramm von Condor vor, der ihn für den kommenden Tag zu einem dringenden Gespräch in die „Tiroler Weinstube“ bittet: „In einer Sekunde wußte ich, … daß alle jene Begeisterung nichts als Rausch einer Lüge gewesen, und ich in … meinem unseligen Mitleid mich einer Täuschung schuldig … gemacht“ (229); als ihm Condor mitteilt, dass die neue Behandlungsmethode von Professor Viennot nicht auf Edith anwendbar sei, fühlt er sich, „als hätte man mit einem stumpfen Beil mir gegen die Stirn geschlagen“ (233); bittet Condor, der Edith und ihren Vater darüber sofort aufklären will, damit noch zu warten und „die psychischen Kräfte“ (237) Ediths für eine mögliche Heilung zu nutzen: „sie wäre jetzt imstande, viel mehr aus sich herauszuholen, … wenn man sie nur noch einige Zeit in dem Glauben beließe, diese neue Kur … würde sie endgültig heilen“ (237); „ich würde ihr den ganzen Sachverhalt erst eingestehen, sobald sie wenigstens etwas vorwärtsgekommen ist“ (239); versichert Condor, er werde im Falle einer Enttäuschung Ediths die „Verantwortung auf sich nehmen, Edith wieder ins Gleichgewicht zu bringen, falls eine Krise eintreten sollte“ (240); kann in der folgenden Nacht nicht schlafen und träumt nach der Lektüre der Märchen aus Tausendundeiner Nacht von Lajos von Kekesfalva als bösem Geist, der ihm im Nacken sitzt; auf dem Weg zu Kekesfalvas spürt er am nächsten Tag „die gespenstische Last wieder auf den Schultern, weil ich … ahnte, daß die Verantwortung, die jetzt für mich begann, eine ganz neue und unermeßlich schwierige geworden war“ (245); „schauert“ angesichts Ediths Optimismus und Ekstase „zusammen, denn ich wußte doch, was sie nicht wußte, … daß ich sie betrog“ (246); als Edith ihn bittet, sie während der Kur im Engadin besuchen zu kommen – ihr Vater werde ihm den Aufenthalt bezahlen und bei seinen Vorgesetzten darauf hinwirken, dass er vom Dienst freigestellt werde –, weigert er sich, da sie ihn in seinem wunden Punkt – seinem Geldmangel bzw. seiner relativen Armut – getroffen hat; von ihr gefragt, warum er sie überhaupt besuche, gibt er ihr eine gewundene Antwort, die auf Mitleid als Motiv hinausläuft: „jedesmal wenn ich Sie [Edith] auf Ihrem Turm oder in Ihrem Zimmer find, rede ich mir ein, es war doch gut, daß ich gekommen bin, statt daß Sie da allein den langen Tag versitzen“ (257); als es daraufhin zu einer Szene kommt, in der sie sein Mitleid heftig zurückweist und droht, sich von der Aussichtsterrasse des Turmes herunterzustürzen, packt er sie, um sie von der Balustrade zurückzuziehen; bei ihrem Versuch, ihn wegstoßen, verliert sie ihr Gleichgewicht und stürzt zu Boden, „ein zuckendes Bündel Zorn, aufschluchzend vor Erbitterung und Scham“ (260); er ist „völlig perplex von diesem elementaren Ausbruch“ (260); als Edith, mittlerweile von Josef in ihr Zimmer gebracht, ihn durch Ilona bittet, „einen Augenblick hinunter ins Schlafzimmer zu kommen“ (263), leistet er ihrer Bitte Folge; sie entschuldigt sich bei ihm und bittet ihn schließlich um einen „Gutenachtkuß“ (268), den er ihr, obwohl ihm „nicht ganz behaglich“ (268) dabei ist, auch gibt: „Aber da fuhren ihre beiden Hände … plötzlich empor … und rissen mir den Mund von der Stirne nieder an ihre Lippen. So heiß, so saugend und gierig preßten sie sich an, daß die Zähne die Zähne berührten, und gleichzeitig wölbte und spannte sich drängend ihre Brust empor … Nie in meinem Leben hab ich mehr einen derart wilden, einen so verzweifelten, einen so durstigen Kuß empfangen wie von diesem verkrüppelten Kind“ (269); Hofmiller ist von ihrer Liebe völlig überrascht, entgeistert und verstört: „An alles hatte ich gedacht, nur an dies eine nicht, daß eine vom Schicksal Verstümmelte … jemand andern als Liebenden, als Geliebten erträumen konnte, daß sie mich, der ich doch einzig aus Mitleid kam …, so fürchterlich mißverstand“ (270-271); „an Edith hatte ich nie als ein Wesen anderen Geschlechts gedacht“ (272); „Alle mussten ihre Liebe, ihre Leidenschaft längst geargwöhnt haben … – nur ich ahnte nichts, der Narr meines 35

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Hofmiller, Anton

Mitleids“ (272-273); er will das Haus verlassen, trifft aber im Salon Ilona, die ihm seine Vermutungen bestätigt und versichert, dass Ediths Liebe zu ihm „fürchterlich ernst“ (276) sei; als Ilona ihn bittet, er dürfe Edith „nicht ahnen lassen, daß es Ihnen … so furchtbar ist“ (278), reagiert er mit völliger Ablehnung: „Nein, ich kann nicht … ich will nicht geliebt sein, nicht so geliebt … Und ich kann jetzt auch nicht weiter so machen, als merkte ich nichts … Ich habe doch nur Mitleid mit ihr gehabt. Nur Mitleid, sonst nichts und sonst gar nichts!“ (278); verlässt das Haus Kekesfalva daraufhin „Zum zweitenmal … geduckt und scheu wie ein Dieb“ (279); „In dieser Stunde aber begann ich zu ahnen, daß es noch eine andere und vielleicht grimmigere Qual gibt, als sich zu sehnen und zu begehren, nämlich geliebt zu werden wider seinen Willen und dieser andrängenden Leidenschaft sich nicht erwehren zu können“ (279); gleichzeitig ist ihm klar, dass er Ediths Liebe nicht erwidern und dies auch nicht vortäuschen kann: „Einer mußte unglücklich werden durch diese unsinnige Liebe oder der andere, und vielleicht alle beide“ (283); sein einziger Gedanke auf dem Weg in die Kaserne ist „Fort von diesem Hause, fort aus dieser Verstrickung, fliehen, flüchten, verschwinden“ (283); erfährt von seinen Kameraden, dass Baron Balinkay, ein ehemaliger Angehöriger des Regiments, zu einem großen Festessen einlädt; erhält, während er sich für das Fest fertig macht, einen 16 Seiten langen Brief von Edith („ein Brief, wie ihn ein Mensch im Leben nur einmal schreibt und nur einmal im Leben empfängt“, 287), in dem sie ihm ihre Liebe gesteht und ihn um Nachricht bittet, „daß ich Dir nicht widerlich geworden bin, daß Du wieder zu uns kommst, als ob nichts geschehen wäre“ (292); bei der Lektüre des Briefes empfindet er „Grauen und Erschütterung, so verzweifelt geliebt zu sein“ (293); sitzt während des Festes „in einer Art Abwesenheit inmitten der aufgelockerten Kameraden“ (294) und kann „an nichts als an diesen Brief denken und die verzweifelte Not des Menschen, der ihn geschrieben“ (295); verlässt das Fest schließlich „ohne Abschied“ (298); findet in seinem Zimmer einen zweiten Brief von Edith vor, in dem sie alles im ersten Brief Gesagte zurücknimmt; dieser Brief sorgt bei ihm für „Ärger und Zorn. So wird das jetzt jeden Tag weitergehen, jeden Tag, jede Nacht, Brief auf Brief … Immer wird sie etwas von mir wollen, jeden Tag, jeden Tag! … sie wird mich umlauern und umlauern lassen bei jedem Schritt, wird wissen wollen, wann ich ausgehe und zurückkomme, mit wem ich bin und was ich sage und tue und treibe“ (300); er fürchtet, er habe „nicht Kraft genug gegen dies Ziehen und Zerren“ (300); nimmt am nächsten Tag an einer Manöverübung teil, die „angespannteste Aufmerksamkeit“ (303) erfordert; da er gedanklich bald wieder bei Edith und ihrer ungewollten Liebe zu ihm ist, erteilt er während der Übung ein falsches Kommando, so dass sein Zug und ein weiterer „in voller Karriere ineinander geraten“ (304); vor versammelter Mannschaft erhält er einen schweren Rüffel von Oberst Bubencic: „Seit Monaten und Monaten ist über keinen von uns ein ähnliches Hagelwetter niedergegangen“ (306); das Mitleid seines Kameraden Ferencz, der ihn anschließend aufmuntern will, weist er harsch zurück; „Hinschmeißen! Alles hinschmeißen! denke ich mir, während wir wieder in die Stadt zurückreiten. … Ich … will mich weder bespotten und noch weniger mich bemitleiden lassen“ (307); bittet Balinkay um eine Unterredung und fragt ihn, ob er ihm eine Stellung außerhalb Österreichs verschaffen kann; obwohl Balinkay ihm abrät („Hier hast du deinen Rang, hier stellst du was vor. Aber im Augenblick, wo du was andres neu anfangen willst, ist der letzte Schubiak … dir über“, 309-310) und ihm von sich selbst und seinen „Blamagen und Erniedrigungen“ (313) nach seinem Ausscheiden aus dem Militär erzählt, beharrt Hofmiller auf seiner Bitte; fährt mit Balinkay in dessen Wagen noch am selben Nachmittag nach Wien, wo dieser seine Frau nach einer Stelle für Hofmiller fragen will: „Kaum daß der Wagen aus den Straßen hinaus ins freie Feld puffte, kam eine merkwürdige Entspannung über mich“ (319); als Balinkay Hofmiller eine Stellung als Assistent des Zahlmeisters auf einem der Handelsschiffe seiner Frau anbietet, die er sofort antreten könnte, ist Hofmiller „ganz ergriffen“ (321); in einem Wiener Kaffeehaus schreibt er sein Abschiedsgesuch, das er am nächsten Morgen abgeben will, um „eine andere Existenz“ (324) zu beginnen; „In diesem 36

FIGUREN:

Hofmiller, Anton

Augenblick geschah das Unerwartete“ (324): Er entdeckt in seiner Brusttasche die beiden Briefe Ediths und erkennt, „daß alles, was ich in den letzten Stunden getan und gedacht, völlig unwahr gewesen war: der Ärger über meine Blamage und ebenso der Stolz auf mein heroisches Quittieren. Wenn ich plötzlich auspaschte, war es doch nicht, weil der Oberst mich abgekanzelt hatte …; in Wirklichkeit flüchtete ich vor den Kekesfalvas, vor meinem Betrug, vor meiner Verantwortung“ (324); „Es war eine feige, eine klägliche Flucht“ (325); sofort sucht er Dr. Condor auf, um seine Verantwortung auf ihn abzuwälzen: „Sie ist seine Patientin und nicht die meine. Er soll alles auslöffeln, so wie er alles eingebrockt hat“ (325); muss in Condors Praxis auf diesen warten, da er noch unterwegs ist; trifft dort zunächst Condors blinde Frau, die ihn wieder wegschicken will; als schließlich Condor eintrifft, berichtet er diesem über Ediths Liebe zu ihm, „mein Entsetzen, meine Angst, meine Verstörung“ (337); fordert Condor auf, er solle Edith „diese Verliebtheit … ausreden“ (338), was dieser aber ablehnt; als Condor ihm „jämmerliche Feigheit“ (340) vorwirft und ihm klarmacht, sein geplantes Davonlaufen käme einem Mord gleich, erkennt Hofmiller zwar, dass Condor recht hat („Condor übertrieb nicht; genau so würde sie [Edith] es tun, dort hinunter sich werfen – ich sah die gequaderten Steine der Tiefe vor mir … und ein Brausen dröhnte in meinen Ohren, als sauste ich selbst diese vier, fünf Stockwerke hinab“, 342), hält Condor aber entgegen, er könne sich nicht verstellen und Liebe zu Edith vorspiegeln: „ich ertrage es nicht, ich kann es nicht ertragen! … Ich kann nicht, ich will nicht und kann nicht“ (342); als Condor mutmaßt, Hofmillers „Erschrecken“ (344), von einer Behinderten geliebt zu werden, sei lediglich „eine Art Angst … lächerlich zu werden vor den andern, vor Ihren Kameraden“ (344), fühlt sich Hofmiller „ins Herz gestoßen. Denn was er aussprach, hatte ich im Unbewußten schon längst gefühlt … vom ersten Augenblick, da ich ihrer Leidenschaft gewahr wurde, hatte ich mich hauptsächlich geschämt vor den andern“ (344-345); auf Condors Ermutigung („Glauben Sie mir … es lohnt sich schon, etwas Schweres auf sich zu nehmen, wenn man es einem anderen Menschen damit leichter macht“, 346) und Vorhaltungen willigt Hofmiller schließlich ein, sein Abschiedsgesuch zu vernichten, die nächsten acht Tage bis zu Ediths Abreise zur Kur seine Rolle bei Kekesfalvas weiterzuspielen und „nichts Brüskes, nichts Plötzliches zu tun, und vor allem, mit keinem Wort und keiner Geste zu verraten, daß die Neigung dieses armen Kindes“ ihn „dermaßen verstört“ (349); als er Condor verlässt, ist ihm bereits nicht mehr klar, „was vor einer Stunde mich hierhergetrieben. Warum hatte ich denn eigentlich fliehen wollen? … Weil ein Wesen, ein armer verstümmelter Mensch in Liebe zu mir verging? … Es war doch wunderbar, zu helfen, das einzige, was sich wahrhaft verlohnte und belohnte“ (355); als er Edith am nächsten Tag besucht, sind beide so befangen, dass sie nicht miteinander sprechen, sondern zunächst wortlos drei Partien Schach spielen; als Edith schließlich einen hysterischen Anfall bekommt, legt er, „um sie zu beruhigen, die Hand auf ihren Arm“ (358), die Edith „ehrfürchtig und kindlich zugleich, staunend und verschämt“ (359) liebkost: „in keiner Umarmung einer Frau … habe ich seither Zärtlichkeit mehr so erschütternd empfunden als in diesem zarten, beinahe träumerischen Spiel“ (360); er ist „beschämt, so über alle Maßen geliebt zu werden und meinerseits nichts zu empfinden als eine wirre Scheu, einen verlegenen Schauer“ (360); als er ihr seine Hand entzieht und „sie mit fliehender Berührung auf die Stirn“ (361) küsst, durchschaut Edith, „daß ich mich selbst mit der flüchtenden Hand ihrer Zärtlichkeit entzogen und daß dieser hastige Kuß nicht wirkliche Liebe, sondern bloß Verlegenheit und Mitleid gewesen war“ (361); „Das blieb mein Fehler in diesen Tagen …, daß ich trotz allem leidenschaftlichen Bemühen nicht die äußerste Geduld aufbrachte, nicht die letzte Kraft, mich zu verstellen“ (361); „Das Letzte gelang mit nicht: sie zu überzeugen, und immer unruhiger ahnte ihr Mißtrauen, daß ich das … Einzige nicht gab, das sie von mir begehrte: die Gegenliebe der Liebe“ (362); „Drei Tage ging das so, eine Qual für mich, eine Qual für sie“ (363); schließlich kommt es am vierten Tag zu einer Szene, bei der sich „eine lang aufgestaute Erregung“ (365) bei Edith Bahn bricht wie „ein böses Fieber, das sie schüttelte“ (366) – Hofmiller ist zumute „wie einem Menschen, der mit einem Flugzeug 37

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Hofmiller, Anton

abgestürzt ist und aus der Erstarrung sich taumelig erhebt“ (367); dennoch will er um jeden Preis durchhalten und das Condor gegebene Versprechen erfüllen; als er von Ilona telefonisch erfährt, dass es Edith nicht gut geht und sich ihre Abreise zur Kur verschieben wird, gerät er in Zorn: „was treiben die da draußen mit mir? Hin und her, herauf und herunter, kalt und warm – nein, ich lasse mich nicht so hetzen“ (371); „Ich muß mich zurückhalten, um die Wut, die mich innerlich gepackt hat, nicht zu verraten“ (372); reitet, um sich abzureagieren, Graf Steinhübels neu erworbenes Pferd zu: „die böse Lust, mit etwas fertigzuwerden, etwas unterzukriegen, machte es mir zu einem fast sadistischen Vergnügen, wenigstens diesem stützigen Tier … zu zeigen, daß meine Geduld Grenzen hat“ (373); als er in die Kaserne zurückkehrt, erwartet ihn in seinem Zimmer Lajos von Kekesfalva, der ihm erklärt, Edith wolle nun gar nicht mehr in Kur gehen – es habe keinen Sinn für sie, geheilt zu werden, da Hofmiller ja doch nur Mitleid für sie habe; als Kekesfalva vor ihm niederkniet und ihn inständig um Hilfe bittet, gibt Hofmiller nach: „es ist doch selbstverständlich, daß ich alles tue, was mir möglich ist. … Bestimmen Sie selbst, was ich ihr sagen soll, was ich tun soll“ (383); als Kekesfalva ihm eine eheliche Verbindung mit Edith nahelegt und ihm sein gesamtes Vermögen bietet, lehnt er zunächst ab: „gerade, daß Sie so reich sind und ich ein Nichts, ein Niemand … gerade das macht doch alles unmöglich .. Jeder würde meinen, ich hätte es nur wegen des Geldes getan“ (386); als Kekesfalva ihn verzweifelt verlässt, fühlt er sich „abermals … vom Mitleid übermannt“ (387) und verspricht Kekesfalva schließlich eine Heirat für den Fall, dass Edith geheilt wird; ist anschließend „leicht bestürzt, wie allemal, wenn man etwas Entscheidendes getan, ohne sich vorher innerlich entschieden zu haben“ (389); erhält kurz darauf einen Brief von Edith, in dem sie ihn für den nächsten Tag einlädt; im Hause Kekesfalva empfangen ihn alle mit äußerster Dankbarkeit und Wärme: „von dieser wilden und dankbaren Begeisterung der andern strömte eine heiße Welle der Zuversicht unwiderstehlich in mich über. Weggetragen … war mit einmal alle Furcht, alle Feigheit“ (393); auch Edith ist wie verwandelt, und er fühlt „zum erstenmal wirkliche Zärtlichkeit zu diesem zarten, vom Vorglanz eines erträumten Glücks erhellten Mädchen“ (395); gibt ihr schließlich einen Kuss: „Das war das Verlöbnis. Ich hatte die Liebende nicht nach bewußter Überlegung geküßt – eine reine Ergriffenheit hatte es für mich getan“ (397); erhält von Edith einen Verlobungsring; fühlt sich an diesem Abend wie Gott: „Ich hatte die Welt erschaffen, und siehe, sie war voll Güte und Gerechtigkeit“ (397); als Edith, nachdem er sich schon verabschiedet hat, aus eigener Kraft und ohne Krücken auf ihn zugehen und ihn umarmen will („ein Wunder des Willens mußte ihre toten Beine erweckt haben“, 402), dabei im letzten Augenblick das Gleichgewicht verliert und hinstürzt, „zerriß der Nebel der Begeisterung, der mir während dieses ganzen Abends den Blick verhängt hatte. Alles überblickte ich grauenhaft klar …; ich wußte, nie würde die Unselige völlig genesen! Das Wunder, das sie alle von mir erhofften, war nicht geschehen. … jetzt oder nie war es Zeit, ihr die Treue zu halten. Jetzt oder nie müßte ich … mich zu ihr ans Bett setzen, sie beschwichtigen … Aber ich hatte keine Kraft mehr zu so verzweifeltem Betrug. Angst fiel über mich, eine grauenhafte Angst vor den furchtsam flehenden und dann wieder gierig verlangenden Augen … Zum dritten-, zum letztenmal flüchtete ich wie ein Verbrecher aus dem Haus“ (403); auf dem Weg zur Kaserne versucht er, sich über seine Situation klar zu werden: „Was ist eigentlich geschehen? … ich habe mich verlobt … nein, man hat mich verlobt … ich wollte doch nicht, ich habe nie daran gedacht … und jetzt bin ich verlobt, jetzt bin ich gebunden … Ach, dieses Mitleid, dieses verfluchte Mitleid“ (404); macht unterwegs in einer Kneipe Rast und denkt über die zu erwartenden spöttischen und abwertenden Reaktionen seiner Kameraden und Verwandten nach, sobald diese von seiner Verlobung erfahren („Und erst, wenn sie die Krücken sehen …“, 408); schläft in der Kneipe kurz ein und träumt, wie ihm seine sämtlichen Verwandten höhnisch zur Verlobung gratulieren; geht anschließend noch in ein Café, wo er seine Kameraden trifft; als diese ihn nach seiner Verlobung fragen, von denen ihnen der Apotheker berichtet hat, der wiederum telefonisch von Kekesfalvas Diener Josef davon erfahren hat, 38

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Hofmiller, Anton

streitet er alles ab: „ich weiß, wenn ich`s zugebe, bricht im nächsten Moment das große Hallo los, Witze, Hohn, Spott und ironisches Gratulieren. Nein, ich kann`s nicht zugeben“ (413); seine Kameraden sind froh und erleichtert, dass es sich bei dem angeblichen Gerücht um „eine dreckige Lüg von dem Apotheker“ (414) handelt, schließlich wäre eine solche Verbindung „eine Schand g`wesen … für`s ganze Regiment“ (414); in diesem Augenblick spürt Hofmiller: „es ist zu spät – zu spät für alles“ (415); er schämt sich „des schurkischen, des mörderischen Verrats“ (416) an Edith: „Ich hatte mich um zehn Uhr abends verlobt und drei Stunden später diese Verlobung feig abgeleugnet“ (416); „Ich hatte ein leidenschaftlich mich liebendes Mädchen … hinterrücks kompromittiert … und einen fremden Menschen, der die Wahrheit gesagt, meineidig einen Schwindler nennen lassen. Morgen schon mußte das ganze Regiment meine Schande kennen, dann war alles zu Ende. … diese drei Minuten Feigheit hatten mein Leben vernichtet: es gab für mich keine andere Wahl als den Revolver“ (417); begegnet auf dem Weg in sein Zimmer, wo er sich erschießen will, seinem Vorgesetzten Oberst Bubencic, der ihn wegen seines nachlässigen Äußeren tadelt; bittet Bubencic um ein Gespräch, das dieser ihm trotz der späten Stunde gewährt; vertraut sich Bubencic an und kündigt ihm seinen Selbstmord an: „es gibt nur einen Ausweg; Herr Oberst wissen das selbst“ (428); Bubencic will davon nichts wissen: Er verspricht, die Angelegenheit mit Hofmillers Kameraden und dem Apotheker zu deichseln, und erteilt ihm den Befehl, sich am kommenden Morgen um halb sechs unverzüglich zum Ersatzkader nach Czaslau zu begeben; als Bubencic Hofmillers Ehrenwort verlangt, dass er sich in dieser Nacht nichts antut, gibt Hofmiller es ihm; verlässt am nächsten Morgen „Schlag halb sechs“ (434) die Kaserne und macht sich mit dem Zug auf den Weg nach Czaslau; nutzt eine zweistündigen Aufenthalt in Wien, um Condor aufzusuchen und ihn über alles zu informieren; da Condor unterwegs ist, hinterlässt er ihm eine ausführliche schriftliche Mitteilung: „Ich erzähle ihm alles, in flüchtigster und aufrichtigster Form. Ich hätte nicht standgehalten, ich hätte die Verlobung abgeleugnet vor den Kameraden … Ich verschweige ihm nicht, daß ich mich selber richten wollte und daß der Oberst mich wider meinen Willen gerettet. … Sofort … solle er hinausfahren … und ihnen die Wahrheit sagen … wenn sie [Edith] mir trotzdem meine Schwäche verzeihe, sei mir das Verlöbnis heiliger als je. … und wenn sie es erlaube, käme ich gleich mit in die Schweiz, ich quittierte den Dienst, ich bliebe bei ihr, gleichgültig, ob sie bald geheilt würde oder später oder nie“ (437-438); „Im Schreiben erst war mir das Richtige bewußt geworden. … Ich wußte: nur einem Menschen, nur ihr [Edith], die mich liebte, war ich von nun ab mit meinem ganzen Leben verpflichtet“ (439); fühlt sich anschließend „merkwürdig leicht“ (440): „Ich weiß mit einer noch nie gekannten Entlastung: endlich habe ich das Richtige getan. … Wenn ich jetzt ihre Liebe an mich nehme, ist es kein Opfer mehr. Nein, an mir ist es jetzt, Verzeihung zu fordern, an ihr, sie zu gewähren. Es ist besser so“ (440); setzt seine Reise fort und telegrafiert von Brünn aus an Edith: „Tausend Grüße von unterwegs und treues Gedenken. Dienstlicher Auftrag. Komme bald zurück. Condor berichtet alles Nähere. … Innigst Anton“ (441); als er abends in Czaslau ankommt, ist er so erschöpft, dass er in seinem Hotelzimmer sofort einschläft; wird nachts vom Portier geweckt, da er am Telefon verlangt wird („Aus Wien! Das kann nur Condor sein“, 443) – die Leitung ist aber unterbrochen; er wartet über eine Stunde „zitternd vor Unruhe“ (445) auf den Anruf („Ich muß wissen, was geschehen ist, denn etwas – das fühle ich schon – ist viele Kilometer weit geschehen“, 444); erhält schließlich die Mitteilung, das Gespräch sei abgemeldet worden; fällt in einen unruhigen Schlaf, erwacht am nächsten Morgen erst um halb elf und begibt sich sofort zu seinem neuen Dienstort; erfährt dort, dass am Vortag der österreichische Thronfolger Franz Ferdinand ermordet wurde, worauf er verstört reagiert: „Ich weiß nicht warum, aber … das Wort „Mord“ hat mir wie ein Hammer auf das Herz geschlagen. … Ein Verbrechen, ein Mord – das hat doch Condor gesagt“ (447-448); läuft anschließend ins Hotel zurück, wo er erfährt, dass sein Telegramm vom Vortag an Edith „unbestellbar“ (448) gewesen ist; ruft Condor an und erfährt von diesem alles: „Ein 39

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Hofmiller, Daisy – Ich-Erzähler ohne Namen

teuflischer Zufall hat alles zunichte gemacht und die Unglückliche von meiner Reue, meinem innigen ehrlichen Entschluß nichts mehr erfahren“ (448): Sein Kamerad Ferencz hatte den Apotheker noch in der Nacht in einem Weinhaus getroffen und hinsichtlich der Verlobung Hofmillers der Lüge bezichtigt, worauf es „einen furchtbaren Skandal“ (449) gab, der am nächsten Tag auch das Haus Kekesfalva erreichte; als Edith davon erfuhr, „hatte sie sofort ihren langgeplanten Entschluß gefaßt“ (449) und sich von der Terrasse des Aussichtsturms gestürzt – sie ist in der Nacht in einem Krankenhaus in Wien gestorben; der kurz darauf ausbrechende 1. Weltkrieg ist für Hofmiller „ein Ausweg, eine Rettung“ (451): „ich flüchtete in den Krieg wie ein Verbrecher ins Dunkel. … Denn ich war überzeugt, durch meine Schwäche, durch mein erst lockendes und dann flüchtendes Mitleid einen Menschen und dazu den einzigen Menschen, der mich leidenschaftlich liebte, ermordet zu haben“ (451); „immer, wenn ich in einem Erlaß das Wort „Tapferkeit“ im Zusammenhang mit meinem Namen gedruckt fand, hatte ich das Gefühl eines Betrügers“ (453); im Verlaufe des Krieges verblassen seine Schuldgefühle allmählich: „Den Tod eines Menschen auf dem Gewissen zu haben, galt einem Weltkriegssoldaten nicht mehr das gleiche wie dem Menschen der Friedenswelt; meine eigene private Schuld, sie hatte sich in dem riesigen Blutsumpf völlig aufgelöst in die allgemeine“ (453); dass er immer noch Scham empfindet, zeigt sich, als sich – Jahre nach diesen Ereignissen – im bereits abgedunkelten Saal des Wiener Opernhauses Condor, ohne Hofmiller zu erkennen, zu ihm setzt: „mit einem Riß im Herzen erkannte ich ihn: … Der einzige Mensch, der alles wußte, der mich kannte bis in die tiefsten Tiefen meiner Schuld, … der einzige, der mich richten konnte, der einzige, vor dem ich mich zu schämen hatte! … Die Nähe dieses Menschen erdrückte mich“ (455); noch vor der ersten Pause und bevor die „aufflammende Beleuchtung“ ihn „offenbaren mußte“ (455), verlässt er fluchtartig die Oper. Hofmiller, Daisy: Tante von Anton Hofmiller im Roman Ungeduld des Herzens; hat den älteren Bruder von Antons Vater in zweiter Ehe geheiratet; auf ihren Wunsch geht Anton zur Kavallerie: „Reich und snobistisch zugleich, wollte sie es nicht dulden, daß irgend einer aus der Verwandtschaft, der gleichfalls Hofmiller hieß, die Familie „verschandeln“ sollte, indem er bei der Infanterie diente“ (18); bezuschusst Anton mit 100 Kronen monatlich. Hofmiller, Ulrich: Bruder von Anton Hofmiller im Roman Ungeduld des Herzens, „der sich schon in der Volksschule die Augen mit vielem Lesen verdarb“ (17); Priester. Huber: Bäuerin in Klein-Reifling im Roman Rausch der Verwandlung (269). Huber, Alois: Komplize von Gottfried Brancoric bei Schmuggelgeschäften im Romanentwurf Clarissa; „Er hatte breite Schultern, ein Auge war leer, das gab ihm ein unangenehmes Aussehen“ (166); deponiert hin und wieder Schmuggelgut in Brancorics Haus, wo Clarissa Schuhmeister mit ihrem Sohn wohnt; wird, als der Schmuggel auffliegt, verhaftet, ist aber bald wieder auf freiem Fuß und erneut im Schmuggelgeschäft tätig; wird durch den Schmuggel wohlhabend: „Huber, eine Brillantnadel im Schlips, hatte gelbe Handschuhe, war jockeyelegant (samt Tabatière) und trug karierte Hosen; sein Haar war parfümiert“ (174); kann sich ein Auto und eine Villa in Plötzleinsdorf leisten; betrügt Brancoric letztlich um 180.000 Kronen. Ich-Erzähler ohne Namen treten in folgenden Erzählungen auf: •

„Brief einer Unbekannten“ (Brennendes Geheimnis, 153-199): siehe unter Protagonisten ohne Namen.

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FIGUREN:

Ich-Erzähler ohne Namen



„Buchmendel“ (Buchmendel, 197-229): ein Mann, der in Wien vor einem Regenguss in ein Café flüchtet und bemerkt, dass er dort vor langer Zeit schon einmal gewesen sein muss; schließlich erkennt er das Café Gluck, wo er einst anlässlich einer bibliografischen Recherche nach „dem selbst heute noch wenig erkannten paracelsischen Arzt und Magnetiseur Mesmer“ (202) den Protagonisten Jakob Mendel kennengelernt hat, dessen „Hauptquartier“ (200) das Café früher war; fragt nach, was aus Mendel geworden ist, und erfährt von Frau Sporschil, der Toilettenfrau des Cafés, die Geschichte von Mendels „Untergang“ (215).



„Der Amokläufer“ (Der Amokläufer, 74-138): ein Mann, der im März 1912 auf dem Überseedampfer „Oceania“ von Kalkutta nach Genua fährt; trifft bei einem nächtlichen Gang über das Schiff am Bug auf den (namenlosen) Protagonisten, der ihm die Geschichte seines „Amoklaufes“ erzählt; nach der Landung in Neapel bzw. während der Weiterfahrt nach Genua erfährt er aus den italienischen Zeitungen vom Ende des Protagonisten.



„Die Frau und die Landschaft“ (Phantastische Nacht, 145-171): siehe unter Protagonisten ohne Namen.



„Die gleich-ungleichen Schwestern“ (Verwirrung der Gefühle, 116-144): ein Mann, der „Irgendwo in einer südländischen Stadt“ (116) einen Einheimischen nach näheren Informationen über ein ihn sehr beeindruckendes Bauwerk „sehr früher Art, überhöht von zwei mächtigen Türmen“ (116) fragt; der Einheimische erzählt ihm daraufhin die Geschichte zweier Schwestern, die er „möglichst getreu, wenn auch ohne Bürgschaft für ihre historische Wahrhaftigkeit“ (117) wiedergibt.



„Die Mondscheingasse“ (Der Amokläufer, 139-159): ein Mann, der in einer kleinen französischen Hafenstadt übernachten muss, weil er durch Verspätung seines Schiffes seinen Anschlusszug verpasst hat; wird in einem zwielichtigen Etablissement im Hafen Zeuge der herabwürdigenden Behandlung des (namenlosen) Protagonisten durch eine Frau; auf seinem Heimweg ins Hotel passt ihn der Protagonist ab und erzählt ihm seine Geschichte; der Protagonist bittet ihn flehentlich, zwischen ihm und der Frau, die sich als Ehefrau des Protagonisten herausstellt, zu vermitteln, worauf der Ich-Erzähler aber nicht eingeht.



„Die unsichtbare Sammlung“ (Buchmendel, 230-247): ein Mann, der in einem Zug „Zwei Stationen hinter Dresden“ (230) den Berliner Kunstantiquar R. [2] trifft, bei dem er „in Friedenszeit öfter alte Bücher und Autographen besehen und gekauft“ (230) hat; R. [2] erzählt ihm im Zug die sonderbare Geschichte der unsichtbaren Sammlung, die er gerade erlebt hat.



„Ein Mensch, den man nicht vergißt“ (Brennendes Geheimnis, 313-319): ein Mann, der auf einem Spaziergang mit seinem Spaniel Kaspar in der Kleinstadt, in der er wohnt, dem Protagonisten Anton [2] begegnet; Verfasser von Büchern; Antons Kompliment, er sei „ein anständiger Kerl“, macht ihm größere Freude als „eine lobende Kritik über eins meiner Bücher“ (318).



„Geschichte in der Dämmerung“ (Verwirrung der Gefühle, 79-115): ein Mann, der die Geschichte an einem Sommerabend einer (ebenfalls namenlosen) Person erzählt; es handelt sich um die Episode aus der Jugend eines Engländers, den 41

FIGUREN:

Ich-Erzähler ohne Namen

der Ich-Erzähler vor vielen Jahren auf einer Reise kennenlernte. •

„Phantastische Nacht“ (Phantastische Nacht, 172-243): ein Mann, der die vom Protagonisten Baron Friedrich Michael von R. aufgeschriebene Erzählung nach dessen Tod von dessen Familie „zur Prüfung“ (172) erhält und, da er sie für ein tatsächliches Erlebnis des Barons hält, als „seelische Selbstenthüllung ohne jede Änderung und Beifügung“ (172) veröffentlicht.



„Schachnovelle“ (Buchmendel, 248-314): ein Österreicher, der zur Zeit der Nazi-Diktatur auf einem großen Passagierdampfer von New York nach Buenos Aires fährt; ein Mensch, „für den Neugier in geistigen Dingen immer zu einer Art Passion ausartet“ (259); versucht, an Bord des Schiffes Kontakt zum Schachweltmeister Mirko Czentovic aufzunehmen, und inszeniert dazu ein Schachspiel mit seiner Frau, spielt anschließend gegen den ebenfalls mitreisenden McConnor; dieser spricht Czentovic dann gezielt an, bittet diesen, gegen ihn anzutreten, und zahlt ihm die von ihm geforderten 250 Dollar pro Partie; Czentovic gewinnt die erste Partie erwartungsgemäß problemlos und ist im Begriff, die von McConnor geforderte Revanche ebenfalls zu gewinnen, als Dr. B. in die Partie eingreift und noch ein Remis herausholt; der Ich-Erzähler wird daraufhin von McConnor und den übrigen Zuschauern der ersten beiden Schachpartien beauftragt, Dr. B. dazu zu bewegen, am nächsten Tag eine Partie gegen Czentovic zu spielen; er erfährt daraufhin die Geschichte von Dr. B.



„Sommernovellette“ (Phantastische Nacht, 7-19): ein Mann, offenbar Schriftsteller, der im August Urlaub in Cadenabbia am Comer See macht; lernt dort den (namenlosen) Protagonisten kennen, der ihm von einem Begebnis im Jahr zuvor erzählt, weil er meint, „daß es eine hübsche Novelle wäre“ (8); der Ich-Erzähler zeigt sich interessiert, meint aber, man müsse die Geschichte „zu Ende dichten“ (16), wobei der Fokus seines Interesses auf dem Protagonisten und der „Leidenschaft eines alten Mannes“ (17) läge; als der Protagonist harsch und erregt reagiert, merkt der Ich-Erzähler, „woran ich unbedachtsam getastet hatte“ (17).



Ungeduld des Herzens: ein Schriftsteller, der 1938 in Wien, „von allerhand Besorgungen abgemüdet, ein vorstädtisches Restaurant“ (5) aufsucht und dort von einem Bekannten auf den Protagonisten Anton Hofmiller, Träger des Maria Theresienordens, aufmerksam gemacht wird, den er „bereits am nächsten Tage, in einer kleinen Gesellschaft“ (7) wieder trifft; als er in einer Diskussion mit dem Gastgeber und einigen Gästen auf die bestehende Kriegsgefahr hinweist, pflichtet Hofmiller ihm bei; noch am selben Abend und in den folgenden Tagen erzählt ihm Hofmiller seine Geschichte, die der IchErzähler mit nur wenigen unwesentlichen Veränderungen wiedergibt.



„Unvermutete Bekanntschaft mit einem Handwerk“ (Brennendes Geheimnis, 320363): ein Mann, der an einem Aprilmorgen 1931 mit dem Zug nach Paris fährt und dort „göttlich frei, zu tun, was ich wollte“ (321) den Tag verbummelt; von der Terrasse eines Cafés aus beobachtet er die Menschenmenge vor einem Schaufenster mit drei lebenden Affen; dabei fällt ihm der (namenlose) Protagonist auf, der immer wieder in der Menge auftaucht und den er zunächst für einen verkleideten Polizisten hält, bevor er erkennt, dass es sich um einen Taschendieb handelt; mit zunehmender Faszination, Bewunderung („Taschendiebstahl … ist eine Mutleistung höchsten Ranges“, 335) und 42

FIGUREN:

Ich-Erzähler ohne Namen – Jeannot

Empathie beobachtet er ihn bei seinem Tun, wobei er sich immer mehr mit dem Dieb identifiziert und geradezu mit ihm mitfiebert: „ich war aus dem bloßen Zuschauer seelisch sein Komplice geworden“ (336); er wird Zeuge, wie er eine einfache Frau aus dem Volk bestiehlt, und folgt ihm bis in ein Gasthaus, wo beide kurz pausieren, dann weiter ins Hôtel Drouot, ein Auktionshaus; als der Dieb dort versucht, in der Menge der Auktionsteilnehmer ausgerechnet den Ich-Erzähler zu bestehlen, wehrt dieser, „hypnotisiert von Erregung und Erwartung“ (360), den Versuch ab, indem er instinktiv „die fremde Hand unter meinem Rock“ (361) packt und festhält; schließlich lässt er die Hand los und den Dieb laufen, in dessen Augen er „die ganze Angst seiner zerpreßten Seele, die Urangst aller Kreatur“ (363) erblickt; aus Scham und Mitleid drängt er ihm nach, um ihm mit Geld zu helfen; der Dieb jedoch fürchtet, er wolle ihn doch noch anzeigen, und flieht. •

„Vierundzwanzig Stunden aus dem Leben einer Frau“ (Phantastische Nacht, 70-144): ein Mann, der 1904 einen Urlaub in einer kleinen Pension an der Riviera verbringt; als es im benachbarten Hotel dadurch zu einem „tadellosen Skandal“ (71) kommt, dass Henriette, eine der Gäste, ihren Mann und ihre Kinder verlässt und mit einem jungen Franzosen davonläuft, den sie erst einige Stunden zuvor kennengelernt hat, entsteht eine hitzige Diskussion darüber, wie so etwas möglich sein kann; während einige Gäste überzeugt sind, Henriette habe ihren Liebhaber schon länger gekannt und die Flucht sei lange geplant gewesen, ist der Ich-Erzähler anderer Ansicht: „ich verteidigte energisch derartige Möglichkeit, ja sogar Wahrscheinlichkeit bei einer Frau, die durch eine jahrelang enttäuschende, langweilige Ehe jedem energischen Zugriff innerlich zubereitet war“ (76); er meint, „vierundzwanzig Stunden könnten das Schicksal einer Frau vollkommen bestimmen“ (143); bevor die Diskussion in Streit ausartet, glättet Mrs. C. die Wogen; in den kommenden Tagen kommt Mrs. C. immer wieder auf diesen Fall zu sprechen und erzählt dem Ich-Erzähler schließlich kurz vor seiner Abreise eine entsprechende Episode aus ihrem eigenen Leben.

Ilona: Nichte von Lajos von Kekesfalva im Roman Ungeduld des Herzens; „ein hübsches Mädel …: braune, mandelförmige Augen, dunkler Teint, famos gekleidet“ (20); „Sie hat Augen wie Kaffeebohnen, und wirklich, es knistert, wenn sie lacht, wie Bohnen beim Rösten. Sie hat entzückende, kleine, durchleuchtende Ohren unter dem dichten schwarzen Haar“ (27); im Gegensatz zu ihrer Cousine Edith von Kekesfalva „schon ganz Frau, sinnlich warm, voll, üppig, gesund“ (47); seit zwei Jahren verlobt mit „einem Notariatskandidaten in Becskeret“ (71); erkundigt sich auf Wunsch Ediths nach Anton Hofmiller, als dieser eines Tages seinen Besuch bei Kekesfalvas aussetzt; bestätigt Hofmiller, dass Ediths Liebe zu ihm „fürchterlich ernst“ (276) sei, und bittet ihn, er dürfe Edith „nicht ahnen lassen, daß es Ihnen … so furchtbar ist“ (278); teilt Hofmiller telefonisch mit, dass sich Ediths Abreise zur Kur verschieben wird; heiratet später und lebt „als kleine Notariatsgattin in einem jugoslawischen Dorf“ (454). Jakob: die aus der Bibel bekannte Figur; Freier von Rahel in der Erzählung „Rahel rechtet mit Gott“ (Rahel rechtet mit Gott, 56-73); „ein Jüngling …, fremd und wohlgestalt, und wir standen erstaunt vor seines Leibes Kraft“ (60); siehe auch unter Rahel. Jaquinot, Professor: Kollege von Professor Silberstein im Romanentwurf Clarissa; Mitglied der Académie des Sciences (54). Jeannot: Pariser Freund von Ferdinand R. in der Erzählung „Der Zwang“ (Buchmendel, 153196), der sich erfolgreich dem Kriegsdienst entzogen hat: „drei Monate hat er sich im 43

FIGUREN:

Jennisch – Juhácz, Elemér von

Irrenhause beobachten lassen, sie haben ihn gefoltert mit ihrer Untersuchung, aber er hat durchgehalten, bis sie ihn freiließen“ (164). Jennisch: Schlosser in der südböhmischen Stadt Dobitzan in der (Fragment gebliebenen) Erzählung „Wondrak“ (Buchmendel, 123-152); wird trotz verstauchten Zeigefingers „aus dem Haus geholt und gebunden über den Markt geführt“ (139), um zum Krieg eingezogen zu werden. Joachim: jüngerer Sohn von Franz [2] und Nelly im Roman Rausch der Verwandlung; Bruder von Roderich (218). Johann: Herrschaftsdiener des Romanschriftstellers R. [1] in der Erzählung „Brief einer Unbekannten“ (Brennendes Geheimnis, 153-199); klein, ernst und grauhaarig; erhält von der Protagonistin das Geld, das R. [1] ihr in der Meinung, sie sei eine Prostituierte, für ihre letzte Liebesnacht mit ihm zugesteckt hat. Jonak: der alte Kutscher der Fürstin Orosvár im Roman Ungeduld des Herzens; später bei Lajos von Kekesfalva angestellt und „längst im Ausgeding“ (211); steuert die alte Reisekutsche der Fürstin auf dem von Edith von Kekesfalva initiierten Ausflug: „geweint hat er vor lauter Freude, daß ihm das noch einmal passiert“ (211). Jonas: Schwager von Ferencz im Roman Ungeduld des Herzens; ehemals ein „kleiner Beamter in der Provinz“ (310); erhalt durch Vermittlung von Baron Balinkay eine neue, nicht näher spezifizierte Stellung. Josef: „der weißhaarige Diener mit den schöngeschnittenen Franz Joseph-Koteletten“ (47) im Hause Kekesfalva im Roman Ungeduld des Herzens; „ein Diener vom alten österreichischen Schlag“ (261); nimmt Anteil am Schicksal von Edith von Kekesfalva; weint vor Ergriffenheit, als Anton Hofmiller sich mit Edith verlobt (397); berichtet dem Apotheker telefonisch von Hofmillers Verlobung mit Edith (413) [auf S. 101 wohl irrtümlich als „Johann“ bezeichnet]. Josua: Protagonist der Erzählung „Im Schnee“ (Buchmendel, 96-110); ein Jude, der an einem Winterabend im 14. Jahrhundert, von einer benachbarten Stadt kommend, in eine kleine deutsche Stadt an der Grenze zu Polen reitet und die zum Chanukafest im Haus des reichsten Mitgliedes der jüdischen Gemeinde Versammelten, unter denen sich auch seine Braut Lea [1] befindet, vor den anrückenden Flagellanten warnt („trunkene, wahnsinnswütige Scharen, die Tausende von Juden hingeschlachtet und gemartert hatten“, 99); „ein hochgewachsener, schwarzbärtiger Mann, der kaum älter sein dürfte als dreißig Jahre“ (101); ist als Einziger dem Blutbad, das die Flagellanten in seiner Stadt unter seinen Glaubensgenossen angerichtet haben, entkommen; am nächsten Abend fliehen sämtliche Juden, unter ihnen auch Josua und Lea [1], Richtung Polen; sie kommen alle in einem Schneesturm ums Leben: „In neuer, furchtbarer Gestalt greift der Tod wieder nach ihnen, die hilflos beisammenstehen in ihrer Wehrlosigkeit gegen … die unabwendbare Waffe des Frostes“ (108). Jozsi: Kamerad von Anton Hofmiller im Roman Ungeduld des Herzens; Oberleutnant; ein „Witzeschneider“ (35); hager und verbissen (286); hat die sauberste Schrift im Regiment (286). Juhácz, Elemér von: österreichischer Konsul in Kairo im Roman Ungeduld des Herzens; Bekannter von Baron Balinkay; lädt Balinkay, zu dieser Zeit Kellner in einem Hotel, in den Jockeyclub ein und stellt ihn dort dessen späteren Frau vor (317). 44

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Jula – Kekesfalva, Edith von

Jula: Protagonistin der Erzählung „Zwei Einsame“ (Brennendes Geheimnis, 216-220); Fabrikarbeiterin, die wegen ihrer Hässlichkeit „schieche Jula“ genannt wird; „Ihr Gesicht war grob und unregelmäßig, dabei von einer so unreinlichen schmutziggelben Hautfarbe, daß es abstoßend wirkte. Dazu kam noch die fühlbare Disharmonie in ihrem Bau, ein kindlichschwacher magerer Oberkörper, der von breiten, ein wenig verkrümmten Hüften getragen wurde“ (217); sitzt eines Tages nach Feierabend weinend am Straßenrand, weil sie von ihren Kollegen verhöhnt und geschlagen wurde; wird vom (namenlosen) Protagonisten, einem Arbeitskollegen, der einen lahmen Fuß hat und ebenfalls Außenseiter ist, dort gefunden und getröstet; schließlich gehen beide gemeinsam nach Hause: „Ein blindes Gefühl des Verstehens war über die Einsamen gekommen wie eine Seligkeit“ (220). K.: Kamerad von Anton Hofmiller im Roman Ungeduld des Herzens; klein und rothaarig; wird von den anderen gemieden, da „in der Zeitung gestanden hat …, sein Onkel sei wegen betrügerischer Malversationen eingesperrt worden“ (75). Kanitz, Leopold: siehe unter Lajos von Kekesfalva. Karl: Freund von Schramek in der Erzählung „Scharlach“ (Brennendes Geheimnis, 86-152). Karla: Geliebte Schrameks in der Erzählung „Scharlach“ (Brennendes Geheimnis, 86-152); „hoch und hübsch, ein breites, starkes, gesundes Mädel mit vollen Formen, brennrotem Haar und großen lachenden Augen. Ein derbes Ding war sie, ein bißchen dienstmädelhaft“ (106); siehe auch unter Bertold Berger. Karplus: Justizrat im Roman Rausch der Verwandlung; macht Claire van Boolen – damals noch Klara – im Namen ihres ehemaligen Liebhabers das Angebot, auf dessen Kosten nach Amerika auszuwandern (16). Kekesfalva, Annette Beate Maria von: Frau von Lajos von Kekesfalva und Mutter von Edith von Kekesfalva im Roman Ungeduld des Herzens; siehe unter Annette Beate Maria von Dietzenhof. Kekesfalva, Edith von: Tochter von Annette Beate Maria und Lajos von Kekesfalva, Protagonistin im Roman Ungeduld des Herzens; 17 Jahre alt (252); „Ein halbwüchsiges Mädchen, zart, blaß, fragil“ (26); hat braunrötliche Haare (30) und graue Augen (63); „sie hatte von der Mutter die schüchterne Sanftmut, vom Vater den durchdringenden Verstand geerbt“ (182); aufgrund eines „Bazillus“ (105) ist sie seit fünf Jahren an den Beinen gelähmt; hat drei Monate in einem deutschen Sanatorium verbracht (90); ist bei vielen renommierten Ärzten ohne nennenswerte Resultate in Behandlung gewesen und wird nun von Dr. Condor behandelt; hat bereits zweimal versucht, durch Aufschneiden der Pulsadern bzw. durch Einnahme von Schlafmittel Selbstmord zu begehen (246; 383); ist von ihrem Vater „in der äffischesten Weise“ (182) verwöhnt worden; liebt den Tanz und sammelt Bilder berühmter Tänzerinnen; beobachtet von einem Aussichtsturm aus, den ihr Vater eigens für sie umbauen ließ, häufig die Umgebung; als Anton Hofmiller, der von ihrer Lähmung nichts weiß, sie bei einem Diner im Haus ihres Vaters zum Tanz auffordert, überfällt sie ein hysterischer Weinanfall – „ein Schluchzen, wild, elementar wie ein erstickter Schrei“ (31); lädt Hofmiller, als dieser sich mit einem Korb Rosen entschuldigt, „an jedem beliebigen Nachmittag zum Tee“ (40) ein; als er ihrer Einladung folgt, entschuldigt sie sich bei ihm „mit einer gewissen nervös-heftigen Art“ für ihre „dumme Unbeherrschtheit“ (45); „eine merkwürdige Unruhe geht von ihrem Wesen aus. Nicht einen Augenblick hält ihr Gesicht still; … bald spannt sie sich auf, bald lehnt sie sich wie erschöpft zurück; und mit der gleichen Nervosität, wie sie 45

FIGUREN:

Kekesfalva, Edith von

sich bewegt, spricht sie auch, immer sprunghaft, immer staccato, immer ohne Pausen. Vielleicht …, daß diese Unbeherrschtheit und Unruhe eine Kompensation ist für die aufgezwungene Unbeweglichkeit ihrer Beine, vielleicht auch ein ständiges leichtes Fieber, das ihre Gesten und ihr Gespräch rascher taktiert“ (48); reagiert zum Teil ungeduldig, unbeherrscht und heftig; „einerseits verlangte sie, verwöhnt wie sie war, daß alles sie bediente wie eine Prinzessin und verhätschelte wie ein Kind, aber schon im nächsten Augenblick konnte diese Rücksicht sie erbittern, weil sie ihr die eigene Hilflosigkeit deutlicher zum Bewußtsein brachte“ (72); sie genießt Anton Hofmillers Besuche und bittet ihn schon bald „mit einer gewissen flehenden Art“ (74), sie täglich zu besuchen; schenkt ihm zum 25. Geburtstag eine wertvolle goldene Zigarettendose; schickt ihre Cousine Ilona, damit diese sich in der Garnison nach Hofmiller erkundigt, als er seine Besuche an einem Nachmittag aussetzt; als er ihr gegenüber am folgenden Tag, nach dem Grund seines Ausbleibens gefragt, eine Ausrede benutzt, weist sie ihn harsch zurecht, mit dieser „dummen Lügerei“ (97) aufzuhören: „Mit Lügen bin ich überfüttert bis zum Erbrechen. Von früh bis abends löffelt man sie mir ein. … Halten Sie mich für so albern, daß ich`s nicht verstehen sollte, wie Ihnen das manchmal über sein muß, hier tagtäglich den barmherzigen Samariter zu spielen“ (98); „ihr meint immer, mit eurer falschen Feinheit mich „schonen“ zu müssen, und bildet euch ein, daß ihr mir am End` noch wohltut mit eurer verfluchten Rücksicht“ (99); „ich will keine Opfer! Ich will nicht, daß ihr euch verpflichtet glaubt, mir die tägliche Portion Mitleid zu servieren – ich pfeif auf allergnädigstes Mitgefühl“ (100); ist völlig verändert, „berauscht“ und „betört“ (207), nachdem ihr Vater ihr von einer neuen, von Hofmiller als gewiss zum Erfolg führend bezeichneten Behandlungsmethode erzählt hat; obwohl Hofmiller anschließend auszuweichen und ihren Optimismus zu dämpfen versucht, bleibt ihre „leidenschaftliche Begeisterung“ (210): „Völlig anders war ihre Stimme, leicht und fließend der sonst nervöse Tonfall ihres Redens, gleichsam ausgetauscht das vertraute Gesicht, überhellt das kränkliche gelbe Inkarnat durch frische, gesündere Farbe, verschwunden das Fahrige in ihren Gesten“ (212); initiiert am folgenden Sonntag einen Ausflug in der großen Reisekutsche der Fürstin Orosvár („ein herrlich antiquarisches Museumsstück“, 213), zu dem sie Hofmiller einlädt; auf der Ausfahrt sind alle bester Stimmung, vor allem Edith „funkelte ihren unbändigen Übermut hemmungslos in den herrlichen Sommertag hinein“ (217); in einem kleinen Dorf, in dem sie Station machen, möchte Edith am gerade stattfindenden Gottesdienst teilnehmen: „nur unbewußt die Worte mitmurmelnd, verriet sie in ihrer ganzen Haltung die Gespanntheit eines Menschen, der ein Äußerstes mit aufgebäumter und gesammelter Kraft erzwingen will. … Und was diese Kranke, diese Gelähmte begehrte, dies mitzufühlen war nicht schwer“ (219); anschließend geht es weiter zu Kekesfalvas Gestüt, wo die Ausflügler „einen prächtigen Imbiß im Freien“ (220) zu sich nehmen; als sie auf der Rückfahrt in einem abgelegenen Dorf in eine Bauernhochzeit geraten, zu der sie der Brautvater prompt als Ehrengäste einlädt, schenkt Edith der Braut einen ihrer Ringe; anschließend lässt sie sich von einer „jener alten Zigeunerinnen, wie sie bei solchen Festen niemals fehlen“ (225), die Zukunft vorhersagen und ist von der Prophezeiung heftig erregt: „auf einmal brach ein jähes Schluchzen aus ihr hervor. Aber es war ein Schluchzen des Glücks“ (226); der Ausflug endet spät abends mit der Rückkehr nach Kekesfalva; als sie Condor schreibt, sie möchte nun möglichst schnell die neue Kur antreten und sei gewillt, alles auf sich zu nehmen, rät Condor ihr, obwohl sich mittlerweile herausgestellt hat, dass die Methode auf sie nicht anwendbar ist, nach Rücksprache mit Hofmiller zu einer Kur im Engadin, um ihren Optimismus und ihr Hochgefühl für eine mögliche Heilung auszunutzen; sie ist daraufhin „schrecklich glücklich“ (242); bemerkt am nächsten Tag, dass Hofmiller ihr gegenüber keine echte Freude äußert; bittet ihn, sie während der Kur im Engadin besuchen zu kommen – ihr Vater werde ihm den Aufenthalt bezahlen und bei seinen Vorgesetzten darauf hinwirken, dass er vom Dienst freigestellt werde; als er, in seiner Ehre bzw. seinem wunden Punkt – seinem Geldmangel – getroffen, sich weigert, wirft sie die Blumen, die Hofmiller ihr 46

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Kekesfalva, Edith von

mitgebracht hat, aus Zorn fort und fragt ihn, warum er sie überhaupt besuche; seine gewundene Antwort, die darauf hinausläuft, dass er Mitleid mit ihr hat, führt bei ihr zu einem hysterischen Anfall: Nach ihrer Bekräftigung, sie „pfeife auf diese Art Freundschaft, die nur meiner Krüppelei gilt“ (257), droht sie – „Lieber krepieren, als mich bemitleiden lassen“ (258) –, sich von der Aussichtsterrasse des Turmes herunterzustürzen; als Hofmiller sie packt, um sie von der Balustrade zurückzuziehen, will sie ihn empört wegstoßen und verliert ihr Gleichgewicht: „Wie von einer Sense durchschnitten, gaben die lockeren Knie völlig nach. Mit einem Ruck sackte sie in sich zusammen“ (259); „elend in sich zusammengesunken, wehrlos lag sie am Boden, ein zuckendes Bündel Zorn, aufschluchzend vor Erbitterung und Scham“ (260); sie wird von Josef auf ihr Zimmer gebracht, bittet Hofmiller aber anschließend durch Ilona, „einen Augenblick hinunter ins Schlafzimmer zu kommen“ (263); dort entschuldigt sie sich bei ihm und bittet ihn schließlich um einen „Gutenachtkuß“ (268), den er ihr auch gibt: Für Hofmiller völlig überraschend, küsst und umarmt sie ihn leidenschaftlich mit „einer wilden und zugleich ohnmächtigen Gier“ (270) und gibt ihm so ihre Liebe zu ihm zu erkennen; diese Liebe ist „fürchterlich ernst und wird sogar von Tag zu Tag gefährlicher“ (276): „Von morgens bis abends, von früh bis nachts denkt und spricht sie nichts anderes“ (277); schreibt Hofmiller anschließend einen 16 Seiten langen Brief – „ein Brief, wie ihn ein Mensch im Leben nur einmal schreibt“ (287 –, in dem sie ihm gesteht, „wie sehr mein Herz nach Dir brannte“ (288), und ihn anfleht: „fürchte Dich nicht und entsetze Dich nicht vor mir! … sei nicht grausam zu mir … Nicht erwidern sollst Du meine Liebe … Nicht einmal im Traum wage ich zu hoffen, daß Du mich, so wie ich heute bin, schon lieben könntest … Ich will nichts, als daß Du duldest, daß ich warte, stumm warte, bis die Zeit endlich gekommen ist“ (290-291); schreibt ihm wenige Stunden darauf einen zweiten Brief, in dem sie alles im ersten Brief Gesagte zurücknimmt: „Ich war verrückt, völlig verrückt. … Und kommen Sie morgen nicht zu uns! … Ich muß mich bestrafen dafür, daß ich mich so kläglich vor Ihnen erniedrigt habe“ (301); als Hofmiller Edith zwei Tage später wieder besucht, sind beide so befangen, dass sie nicht miteinander sprechen, sondern zunächst wortlos drei Partien Schach spielen; schließlich erträgt sie „dieses unwahrhafte Schweigen nicht länger“ (357) und bekommt einen hysterischen Anfall: „Es war kein wildes, lautes Schluchzen, sondern – furchtbarer noch – ein stilles erschütterndes Weinen mit verbissenem Mund, ein Weinen, das sich seiner selbst schämte“ (358); als Hofmiller, um sie zu beruhigen, die Hand auf ihren Arm legt, liebkost sie diese „ehrfürchtig und kindlich zugleich, staunend und verschämt“ (359): „Keinerlei Gier war in diesem innigen Berühren, nur eine stille, eine staunende Beglückung, endlich … unermeßliche Liebe zu bekunden“ (360); Hofmiller kann sie jedoch nicht täuschen: Sie erkennt, dass er „nicht wirkliche Liebe, sondern bloß Verlegenheit und Mitleid“ (361) mit ihr empfindet; „immer unruhiger ahnte ihr Misstrauen“, dass Hofmiller „das Eigentliche, das Einzige nicht gab, das sie … begehrte: die Gegenliebe der Liebe“ (362); „Drei Tage ging das so, … eine Qual für sie“ (363); schließlich kommt es am vierten Tag zu einer Szene, bei der sich „eine lang aufgestaute Erregung“ (365) bei Edith Bahn bricht: „Sie lachte immer heftiger, uns gleichzeitig mit hartem Blick anblitzend, aber sie zitterte, während sie lachte; es war eher ein böses Fieber, das sie schüttelte“ (366); weigert sich daraufhin, ihre Kur anzutreten – ihre Heilung habe für sie keinen Sinn mehr, da Hofmiller „ja doch nichts als Mitleid“ (381) für sie habe; nachdem ihr Vater ihr von Hofmillers Versprechen berichtet hat, sie zu heiraten, sobald sie geheilt sei, schreibt sie Hofmiller einen Brief, in dem sie sich für ihr Verhalten entschuldigt („Verzeihen Sie mir die letzten Tage, aber ich war ganz verstört von der Angst, ich sei Ihnen eine Last“, 390) und ihn für den kommenden Tag zu sich einlädt, da sie bereits in zwei Tagen zur Kur abreisen will; empfängt ihn wie verwandelt, „so heiter blickte sie und solche Helligkeit ging von ihr aus“ (393); erklärt Hofmiller: „es gibt Opfer, die man nicht annehmen darf und am wenigsten von einem Menschen, den man liebt. Falls also diese Kur versagen sollte, auf die ich alles setze – alles! – dann werden Sie nie mehr von mir hören, nie mich wiedersehen. Nie werde ich Ihnen dann zur Last sein“ (395); sie verlobt sich 47

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Kekesfalva, Lajos von

an diesem Abend mit Hofmiller und schenkt ihm einen Verlobungsring; als Hofmiller sich verabschiedet und bereits im Vorraum ist, versucht sie, ihm „ganz frei und ohne Krücken entgegenzugehen“ (401): „sie ging zum erstenmal allein ohne Krücken und Hilfe – ein Wunder des Willens mußte ihre toten Beine erweckt haben. … bloß zwei Schritte noch – nein, bloß ein einziger, ein letzter Schritt … da geschah das Entsetzliche. Durch die sehnsüchtig heftige Bewegung, mit der sie im Vorgefühl der errungenen Umarmung vorzeitig die Arme ausbreitete, verlor sie das Gleichgewicht. … Schmetternd fiel sie … nieder“ (402-403); wird daraufhin schluchzend von ihrem Vater, Ilona und Josef auf ihr Zimmer gebracht, während Hofmiller „wie ein Verbrecher“ (403) aus dem Haus flüchtet; als sie erfährt, dass Hofmiller die Verlobung vor seinen Kameraden geleugnet hat und aufgrund des drohenden Skandals geflohen bzw. ohne Nachricht für sie „auf unbestimmte Zeit abkommandiert“ (450) ist, nimmt sie sich – eine Viertelstunde, bevor Hofmillers Entschuldigungstelegramm sowie der von ihm geschickte Dr. Condor bei ihr eintreffen – das Leben, indem sie sich von der Terrasse ihres Aussichtsturms stürzt; sie stirbt in einem Wiener Krankenhaus, wohin sie von Condor, der sie noch am Leben findet, gebracht worden ist. Kekesfalva, Lajos von (ursprünglich Leopold Kanitz): Vater von Edith von Kekesfalva im Roman Ungeduld des Herzens; wächst als Leopold Kanitz, Sohn eines armen jüdischen Pächters einer Branntweinschenke, „in einem jämmerlichen Dorf an der ungarischslowakischen Grenze“ (134-135) auf; muss nach dem Tod seines Vaters bereits in jungen Jahren arbeiten: „beim Kaufmann half er als Laufjunge, von Dorf zu Dorf als Botengänger. In einem Alter, in dem andere Kinder noch vergnügt mit Glaskugeln spielen, wußte er schon genau, was alles kostet, … wie man sich nützlich und unentbehrlich macht; überdies fand er noch Zeit, etwas zu lernen …, und er begriff so flink, daß er mit dreizehn Jahren schon gelegentlich als Schreiber bei einem Advokaten aushelfen konnte“ (136); ist mit 20 Jahren „bereits Agent einer angesehenen Versicherungsgesellschaft, und gemäß seiner Unermüdlichkeit legte er dieser seiner offiziellen Tätigkeit noch hundert kleine Geschäfte zu“ (136); „Von Jahr zu Jahr erweiterten sich gleichzeitig seine Kenntnisse und sein Wirkungskreis“ (137); auf einer Bahnreise von Budapest nach Wien erfährt er aus einem zufällig mitgehörten Gespräch, dass das Gut und Schloss Kekesfalva von der Fürstin Orosvár ihrer in Geschäften völlig unerfahrenen Gesellschafterin Annette Beate Dietzenhof vererbt worden ist; er sucht das Schloss, das er durch seine Tätigkeit als Versicherungsagent gut kennt, sofort auf, um der Erbin wertvolles chinesisches Porzellan billig abzuhandeln; als diese ihm zu erkennen gibt, dass sie das Schloss und Landgut am liebsten verkaufen möchte, redet er ihr zu und bestärkt sie darin, in der Hoffnung, das Anwesen selbst billig kaufen und damit „das große Geschäft seines Lebens“ (156) machen zu können, „über Nacht ein schwerreicher Mann zu werden“ (161): „Das alles lief ihm mit einer Geschwindigkeit entgegen, wie man sie nur in Träumen kennt“ (158); fährt mit Annette Dietzenhof noch am selben Tag nach Wien, wo es ihm tatsächlich gelingt, ihr das Anwesen zu einem Bruchteil des tatsächlichen Wertes abzuhandeln; hat anschließend jedoch, vor allem aufgrund der Dankbarkeit seines „Opfers“ ihm gegenüber, ein schlechtes Gewissen; gewinnt Annette Dietzenhof lieb: „So hatte noch nie ein Mensch ihn angesehen, so menschlich, so dankbar. So hatte noch nie jemand zu ihm gesprochen“ (173); als sie am nächsten Morgen abreisen will, schenkt er ihr zum Abschied einen großen Blumenstrauß und eine Bonbonnière, bittet sie schließlich, bei ihm zu bleiben – „Ich meine, als meine Frau“ (177): „Nach drei Tagen wiederholte er seinen Antrag, und nach zwei Monaten heirateten sie“ (179); daraus entwickelt sich „eine selten glückliche Ehe“ (179); „Er stoppte alle zweifelhaften Praktiken … und setzte mit einem kräftigen Stück Geld durch, dem Namen Kanitz das edlerklingende „von Kekesfalva“ beifügen zu dürfen, bei welcher Veränderung … der ursprüngliche Name … bald spurlos verschwand“ (179-180); durch sein geschäftliches Geschick wird er in den kommenden Jahren „der reichste Mann im ganzen Umkreis“ (21); als seine Frau an Krebs stirbt, obwohl er verzweifelt alles unternimmt, 48

FIGUREN:

Kilcher – Kinsley, Herr und Frau

um sie zu retten („Fünfzigtausend, hunderttausend Kronen bot er dem Professor, wenn er sie gesund mache. Telegraphisch ließ er … aus Budapest, aus München, aus Berlin die ersten Autoritäten kommen“, 181), ist dies ein schwerer Schlag für ihn; „Jetzt gab es für ihn nur noch eines auf Erden: sein Kind“ (181); er verwöhnt seine Tochter Edith „in der äffischesten Weise“ (182); als diese eine Lähmung an den Beinen erleidet, versucht er jahrelang alles, um sie heilen zu lassen; Besitzer eines Schlosses (ein einstöckiges weitgestrecktes Gebäude im späten Barockstil, nach altösterreichischer Art mit dem sogenannten Schönbrunner Gelb gefärbelt und mit grünen Fensterläden versehen. … ein Adelssitz alter Art“, 42), einer Zuckerfabrik, eines Sägewerkes und eines Gestüts in der Nähe der Garnisonsstadt an der ungarischen Grenze, in der der Protagonist Anton Hofmiller stationiert ist, sowie mehrerer Häuser in Budapest und Wien; lädt Hofmiller zum Diner auf sein Schloss ein und begrüßt ihn dort trotz seiner Verspätung sehr freundlich; „ein älterer Herr“ (25); „Hinter goldener Brille schwimmen ein bißchen müde Augen über grauen Tränensäcken, die Schultern scheinen etwas vorgeneigt, die Stimme klingt flüstrig und ein wenig vom Hüsteln gehemmt: für einen Gelehrten könnte man ihn eher halten, mit diesem schmalen zarten Gesicht, das in einem dünnen weißen Spitzbärtchen endet“ (26); liebt seine Tochter Edith über alles und ist Anton Hofmiller für dessen Besuche, die Edith große Freude machen, überaus dankbar; bittet Hofmiller, Ediths behandelnden Arzt Dr. Condor „ganz zufällig“ (109) um eine Prognose zu Ediths Lähmung zu bitten, da er fürchtet, Condor sage ihm selbst „aus Rücksicht … nicht die Wahrheit“ (108): „man muß doch eine Gewissheit haben … ich bin ein alter, ein kranker Mann, ich muß doch wissen, ob ich`s noch erlebe und ob sie überhaupt gesund wird … ich ertrag diese Unsicherheit nicht länger“ (108); passt Hofmiller noch in derselben Nacht, nachdem dieser mit Condor gesprochen hat, ab, um zu erfahren, wie sich Condor zum Fall seiner Tochter geäußert hat; als ihm Hofmiller aus Mitleid Mut macht und – die Tatsachen bewusst übertreibend – von einer neuen Behandlungsmethode erzählt, die „soviel wie gewiß … bei Edith nicht versagen“ (201) werde, reagiert er mit einer „rasenden Dankbarkeit“ (203) und fährt „gekräftigt, gesundet“ (202) nach Hause; erzählt Edith noch in derselben Nacht – „gelacht hat er und geschluchzt“ (208) – von der neuen Behandlungsmethode; als Edith sich weigert, die Kur anzutreten, da sie erkannt hat, dass Hofmiller sie nicht liebt, sucht er Hofmiller in der Kaserne auf und bittet ihn auf Knien um Hilfe: „Sie müssen ihr helfen … nur Sie können ihr helfen, nur Sie“ (383); „es geht, ich schwör es Ihnen, um Leben und Tod“ (383); als Hofmiller ihm zusagt, alles ihm Mögliche zu tun, legt er ihm inständig eine eheliche Verbindung mit Edith nahe und verspricht ihm sein gesamtes Vermögen: „Alles, was ich besitze, werd ich euch hinterlassen, das Schloß und das Gut und die sechs oder sieben Millionen, die ich zusammengetragen habe in vierzig Jahren … alles wird Ihnen gehören“ (385); ringt Hofmiller, der schließlich „vom Mitleid übermannt“ (387) ist, das Versprechen ab, er werde Edith heiraten, sobald sie völlig geheilt sei; reagiert daraufhin „ekstatisch“ (389): „Und mit einem anderen Schritt, … einem leichten, federnden Schritt lief er mit seinen wehenden schwarzen Schößen zur Tür“ (389); überlebt den Selbstmord Ediths „nur um wenige Tage“ (454). Kilcher: Haushälterin des Schauspielers Peter Sturz in der Erzählung „Die spät bezahlte Schuld“ (Phantastische Nacht, 39-69), eine alte Frau; für Margaret und Ellen „ein ehrfürchtiges Wesen“, weil sie den von den beiden verehrten Sturz „bedienen und betreuen durfte“ (54); wird von Sturz herbeigerufen, als Margaret im Begriff ist, sich ihm hinzugeben, und er sie so vor ihrer „eigenen unverständigen Jugend“ (63) schützt. Kinsley, Herr und Frau: Gäste im Palace Hotel in Pontresina im Roman Rausch der Verwandlung (137).

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FIGUREN:

Kitty – Labourdaire, Jean

Kitty: die Älteste der drei Cousinen von Bob in der Erzählung „Geschichte in der Dämmerung“ (Verwirrung der Gefühle, 79-115); hat kastanienbraunes Haar; ist wie ihre beiden Schwestern Bob gegenüber „kühl, still und abwehrend“ (90). Klara: siehe unter Claire van Boolen Koller: Agent, der in der Erzählung „Schachnovelle“ (Buchmendel, 248-314) dem jungen Mirko Czentovic einen Schach-Ausbilder in Wien vermittelt (253). Kollmann: Patientin des Nervenarztes Professor Silberstein im Romanentwurf Clarissa (53). Kubianka: Feldzeugmeister im 1. Weltkrieg im Romanentwurf Clarissa (112). Kusma: Bursche des Leutnants Anton Hofmiller im Roman Ungeduld des Herzens (287). Kutschera, Dr.: Teilnehmerin am im Juni 1914 in Luzern stattfindenden Kongress „L`éducation nouvelle“ im Romanentwurf Clarissa; „sie ist, was man in Wien eine Adabei nennt. Sie ist bei allen Gruppen und Vereinen, aber jede Sache interessiert sie nur insofern, als sie sie zu ihrer eigenen Sache machen kann“ (77); Tochter eines Offiziers; soll beim Kongress die abschließende Dankrede der ausländischen Delegierten halten; weigert sich nach der Ermordung von Franz Ferdinand am 28. Juni, mit der serbischen Kongressteilnehmerin Dimoff weiter an einem Tisch zu sitzen, und reist vorzeitig ab. L., Robert de: Protagonist der Erzählung „Die Hochzeit von Lyon“ (Buchmendel, 111-122); Sohn eines hohen Magistratsbeamten aus Lyon, Offizier der Royalisten-Armee; ist bei dem Versuch, seinem General zur Flucht in die Schweiz zu verhelfen, verraten worden und sitzt im November 1793 als Gefangener und zum Tode Verurteilter im Keller des Stadthauses von Lyon; in der Nacht vor der Hinrichtung kommt eine neue Gruppe Gefangener, unter denen sich seine Verlobte befindet, die wegen Beleidigung des Revolutionstribunals ebenfalls zum Tode verurteilt ist; ein unter den Gefangenen anwesender Priester aus Toulon verheiratet die beiden; die übrigen Gefangenen räumen einen kleinen Kellerraum, damit das Brautpaar „die abgesonderte Stille einer bräutlichen und letzten Nacht“ (120) genießen kann; am nächsten Morgen gehen die beiden an der Spitze des Zuges der Verurteilten zum Hinrichtungsplatz, wo sie füsiliert werden. -seine Verlobte: ein junges Mädchen, das mit Robert de L. „seit Kindheit erst befreundet, seit Monaten dann verlobt gewesen“ (115); bittet, als sie von Roberts Verhaftung erfährt, beim Volksbeauftragten Collot d`Herbois und bei Joseph Fouché um Gnade für ihn; beschimpft und beleidigt Fouché, als dieser ihr (fälschlicherweise) mitteilt, Robert sei schon hingerichtet worden; wird daraufhin selbst verhaftet und bis zur Hinrichtung ins Stadthaus von Lyon gesperrt; dort trifft sie den schon tot geglaubten Robert; siehe auch oben. Laban: die aus der Bibel bekannte Figur; Vater von Rahel in der Erzählung „Rahel rechtet mit Gott“ (Rahel rechtet mit Gott, 56-73); „ein harter Mann, hart wie die steinige Erde, die er wundriß mit dem Pfluge, hart wie das Horn seiner Stiere“ (60); siehe auch unter Rahel. Labourdaire, Jean: Buchhändler am Quai de Grenelle in Paris, an den Jakob Mendel in der Erzählung „Buchmendel“ (Buchmendel, 197-229) schreibt, weil er „die letzten acht Nummern des monatlichen „Bulletin bibliographique de la France“ trotz vorausbezahlten Jahresabonnements nicht erhalten“ hat (216).

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FIGUREN:

Lajos – Liebmann

Lajos: Ehemann der Frau beim Pferderennen in der Erzählung „Phantastische Nacht“ (Phantastische Nacht, 172-243); „ein kleiner, dicker Herr, den die Kleider faltig umplusterten“, ein „Fanatiker des Rennsports“ (193). Lajos, Baron: Freund von Baron Balinkay im Roman Ungeduld des Herzens (318). Lea [1]: Braut von Josua in der Erzählung „Im Schnee“ (Buchmendel, 96-110); ein schönes Mädchen, Enkelin des reichsten Mitgliedes der kleinen jüdischen Gemeinschaft einer deutschen Stadt an der Grenze zu Polen; siehe auch unter Josua. -ihr Großvater: reichster Jude der Gemeinde und Vorbeter, „dem der weiß herabwallende Bart und das hohe Alter das Ansehen eines Patriarchen gibt“ (99); fromm und gottergeben; sein Haus dient zugleich als Synagoge. Lea [2]: die aus der Bibel bekannte Figur; Schwester von Rahel in der Erzählung „Rahel rechtet mit Gott“ (Rahel rechtet mit Gott, 56-73); zwei Jahre älter als Rahel, aufgrund ihrer Hässlichkeit noch unverheiratet: „und daß keiner ihrer begehrte, grämte sie sehr“ (62); Rahel hat ein gutes Verhältnis zu ihr: „Eben aber um ihres Leidens willen und ihrer Linde war sie mir lieb“ (62); siehe auch unter Rahel. Léonard: Organisator und Sekretär des im Juni 1914 in Luzern stattfindenden Kongresses „L`éducation nouvelle“ im Romanentwurf Clarissa; Gymnasiallehrer aus Dijon; verheiratet, aber seit sechs Jahren von seiner Frau verlassen; war früher sechs Jahre in Paris als „radikaler, sogar radikalster Sozialist“ (69); war in Paris zwei Jahre lang Sekretär des Ministers R., den er bewunderte „wie einen Gott“ (68); verließ den Politbetrieb dann aber aus Ekel über „dieses Bieten und Versprechen, dieses Händeschütteln“ (70); Autor zweier unter dem Pseudonym Michel Arnaud veröffentlichten Bücher; „ein Mann von etwa vierzig oder fünfundvierzig Jahren, mit einem schmalen, etwas kränklichen Gesicht, mit schön geschnittener Nase und heiteren Augen“ (63); sozialer Idealist („Die Welt braucht eine neue Organisation. Ihr gilt es entgegenzuarbeiten“, 70-71), ist gegen jeglichen Nationalismus; leitet den Kongress ruhig und souverän: „Für jeden hatte er ein höfliches oder scherzendes Wort“ (65); fragt Clarissa Schuhmeister nach ihren Eindrücken vom Kongress, die sie ihm ehrlich und aufrichtig mitteilt; bittet Clarissa am 28. Juni, dem Tag der Ermordung des österreichischen Thronfolgers Franz Ferdinand, als es auf dem Kongress durch die Abreise der österreichischen Teilnehmerin Dr. Kutschera, die die Abschlussrede halten sollte, zum Eklat zu kommen droht, mit dieser zu sprechen, um sie zum Bleiben zu überreden; ist verzweifelt, als dies nicht gelingt, und Clarissa sehr dankbar, als diese die Rede übernimmt; kommt Clarissa während des Kongresses näher und schlägt ihr vor, nach dem Kongress „noch ein paar Stunden, ein paar Tage … als gute Kameraden“ (86) gemeinsam in den Schweizer Bergen und in Italien zu verbringen: „Es wurde ein Beisammensein von größter Innigkeit ohne die äußern Gesten wilder Leidenschaft; nach zwei Tagen, die sie beisammen waren, war es, als ob es nie anders gewesen wäre und nie anders sein könnte“ (87); er lehnt, nachdem sie vom Ausbruch des 1. Weltkriegs erfahren haben, Clarissas Angebot, ihn als seine Frau nach Frankreich zu begleiten, ab; daraufhin trennen sie sich in Zürich, Léonard fährt nach Frankreich zurück; schreibt Clarissa nach dem Krieg insgesamt fünf Briefe, die sie aber erst nach Jahren erreichen, da sie an die Anschrift ihres Vaters gerichtet sind, der sie nicht weiterleitet. Leporella: siehe unter Crescentia Finkenhuber. Liebmann: Protagonist der Erzählung „Ein Verbummelter“ (Der Amokläufer, 67-73); besucht mit 21 Jahren immer noch die Schule, weil er (seiner Ansicht nach aus Willkür bzw. 51

FIGUREN:

Limpley, Ellen – Lise/Lizzie

Abneigung seines Professors ihm gegenüber) zweimal sitzengeblieben ist; „Nach und nach war seine Arbeitsenergie erloschen, und sein geistiges Leben verlor sich immer mehr in die Phantastik unfruchtbarer Träume … Und so begann er langsam zu sinken, zu verbummeln“ (69); als der Professor ihn wegen Zuspätkommens zurechtweist, bezichtigt Liebmann ihn wenig später „haltloser Schwätzerei“ (71), die Situation eskaliert zu einer handfesten Auseinandersetzung, bei der er dem Professor „mit der äußersten Kraft des Hasses“ „einen Stoß“ versetzt (72); daraufhin verlässt er fluchtartig den Klassenraum und begeht Selbstmord, indem er sich von einer Brücke stürzt. Limpley, Ellen: Frau von John Charleston Limpley in der Erzählung „War er es?“ (Brennendes Geheimnis, 272-312); eine „schmale hübsche Frau mit gescheiten freundlichen Augen, kaum älter als acht- oder neunundzwanzig Jahre“ (274); still und bescheiden; wird nach neun Jahren kinderloser Ehe schwanger und bittet die Ich-Erzählerin Betsy, ihrem Mann die freudige Botschaft zu überbringen bzw. „ihn ein wenig vorzubereiten“ – „sie habe beinahe Angst vor der Überschwenglichkeit seiner Freude“ (288). Limpley, John Charleston: Protagonist der Erzählung „War er es?“ (Brennendes Geheimnis, 272-312); zieht mit seiner Frau Ellen in einen ländlichen Ort in der Nähe von Bath und wird Nachbar der Ich-Erzählerin Betsy; ist in Bristol bei einer Bank angestellt; „ein mächtiges Stück Mann, mindestens sechs Fuß hoch und mit breitgequaderten Schultern, … von einer kindlichen Gutmütigkeit. Seine engen, ein wenig wäßrigen Augen zwinkerten mit rötlichen Augenlidern einem voll Vertrauen zu“ (276); stammt mütterlicherseits von Schotten ab und ist in Kanada aufgewachsen; „es ging von diesem wuchtigen, gesunden, vitalen Menschen ein erquickender Strom von Kraft und Glück aus, der einen unwillkürlich mitriß“ (276); „Aber er wurde schwer erträglich durch die laute, lärmende Art, mit der er permanent glücklich war“ (277); zieht die Bulldogge Ponto auf, die er „mit seinem ganzen unerschöpflichen Zärtlichkeitsbedürfnis“ (282) maßlos verwöhnt und verzieht: „Je mehr sich Limpley in seiner kindlichen Liebeswut erniedrigte, um so schlechter behandelte ihn das freche Tier“ (284); als seine Frau nach neunjähriger kinderloser Ehe schwanger wird, vernachlässigt und ignoriert er Ponto: „Denn er hatte tatsächlich keinen anderen Gedanken, keine andere Sorge mehr als seine Frau“ (292-293); wird kurz nach der Geburt seiner Tochter, als er diese auf dem Arm hält, von Ponto angegriffen, der das Kind töten will; erwehrt sich des Hundes in einem furchtbaren Kampf, bei dem er von diesem „zweimal tief ins Fleisch gebissen“ (302) wird, aber Sieger bleibt; verlässt mit seiner Frau die Gegend, nachdem das Baby im Kanal, der an das Grundstück seines Hauses grenzt, ertrunken ist. -seine Tochter: entgeht direkt nach ihrer Geburt nur knapp dem Angriff durch die Bulldogge Ponto, die sie töten will; ertrinkt im Kenneth-Avon-Kanal, in den ihr Kinderwagen von der unteren Terrasse des Grundstücks hineinrollt, während die Eltern zusammen mit der IchErzählerin Betsy und deren Mann auf der oberen Terrasse Tee trinken. Linsey, Herr und Frau: Bekannte von Claire und Anthony van Boolen im Roman Rausch der Verwandlung, die diese nach ihrer plötzlichen Abreise aus Pontresina in Interlaken treffen wollen (149). Lise/Lizzie: Protagonistin der Erzählung „Praterfrühling“ (Brennendes Geheimnis, 200-215); eine Frau der gehobenen Gesellschaft, die schon viele Affären hinter sich hat, „Geliebte eines Grafen und dann eines anderen und dann vieler anderer“ (203); „Sie war sehr hübsch, … die feingestrichenen Augenbrauen gaben ihr ein mondänes Aussehen“ (201); wohnt „im nobelsten Viertel Wiens, am Graben“ (202); geht eines Sonntags, einfach gekleidet als bürgerliches Mädchen, in den Prater und fühlt sich dabei „so glückselig, so frei, wie nie in ihrem Leben“ (205); trifft dort den Studenten Hans, mit dem sie den Tag in den Praterauen 52

FIGUREN:

Löwy – Luise

verbringt und in den sie sich verliebt; als er ihr seine Liebe erklärt, kommt es ihr vor, „als ob sie die erste Liebe durch ein Wunder noch einmal erleben dürfte“ (210); sie verbringt die Nacht mit ihm und erfährt „unendliches Glück“ (214), das, wie sie am nächsten Morgen merkt, einen Kontrast zu ihren bisherigen Affären bildet: „Aber dieses Erlebnis … hat ihr plötzlich ein Bedürfnis nach Liebe gegeben. Aber sie fühlt, daß sie nicht mehr zurück kann. Jetzt wird sich bald einer ihrer Verehrer einstellen und dann ein anderer wieder. Sie erschrickt förmlich bei diesem Gedanken“ (215). Löwy: Gast im Palace Hotel in Pontresina im Roman Rausch der Verwandlung; „ein alter Herr aus Wien …, Direktor der Handelsbank, siebzig oder achtzig Jahre alt“ (145). Ludwig: Protagonist der Erzählung „Widerstand der Wirklichkeit“ (Brennendes Geheimnis, 221-271); promovierter Chemiker, ernährt von seinem Gehalt „eine alte Mutter und zwei Schwestern in einer verlorenen Provinzstadt“ (226); kommt nach einer „durch Armut gedemütigten Kindheit, aufgewachsen an Freitischen, sich durchfrettend als Hauslehrer und Nachhelfer, … nachts mit ermüdeten und krampfig gespannten Nerven dem Studium folgend“ (223) im Alter von 23 Jahren als Privatsekretär ins Haus des Geheimrats G. in Frankfurt/Main, nachdem er sich in der von diesem geleiteten Fabrik rasch Meriten erworben hat; verliebt sich dort in die Frau des Geheimrats, die er zunächst eher knabenhaft verehrt („Sie leuchtete … rein und unantastbar“, 231); er wird sich seiner Liebe zu ihr, die sie durchaus erwidert, erst voll bewusst, als der Geheimrat ihn für zwei Jahre in Geschäftsangelegenheiten nach Mexiko schickt: „Und jetzt erst wußte er, wie restlos er ihr seit Monaten schon verfallen war“, 235; trotz „rauschhafter Raserei“ (239) verweigert sie sich ihm, verspricht ihm aber für die Zeit nach seiner Rückkehr Gewährung seiner Wünsche; „zerrissener Seele“ (242) fährt er nach Mexiko und stürzt sich dort in Arbeit, „nur um die Gefühle, die übermächtigen, dumpf zu machen“ (242); kurz vor seiner geplanten Rückkehr bricht der 1. Weltkrieg aus, der „das Weltmeer für Deutsche“ (246) verschließt und ihn für weitere vier Jahre in Mexiko festhält; im Laufe der Zeit und durch seine harte Arbeit verblasst seine Liebe zu ihr, schließlich heiratet er die Tochter eines deutschen Großkaufmannes, die er auf einer Geschäftsreise nach Vera Cruz kennenlernt und mit der er zwei Kinder zeugt; nach Kriegsende nimmt er – zunächst postalisch in einem „nicht enden wollenden Brief“ (248) – wieder Kontakt zu seiner ehemaligen Geliebten auf und erfährt, dass sie mittlerweile Witwe ist; als er zwei Jahre später beruflich nach Berlin reist, ruft er sie von dort aus an, besucht sie dann in ihrem Haus in Frankfurt und erkennt schließlich: „Alles ist wie früher, nur wir nicht“ (256); obwohl die alte Leidenschaft verflogen ist, erinnert er sie an ihr Versprechen von einst; gemeinsam fahren sie mit dem Zug nach Heidelberg, wo sie in ein Stundenhotel gehen, das sie aber sofort wieder verlassen; sie beenden den Tag (und wohl auch ihre Beziehung) mit einem nächtlichen Spaziergang, auf dem Ludwig alte Erinnerungen an die Geliebte überkommen. -seine Geliebte: Frau des Geheimrats G.; „Etwas sicher Sanftes, Beruhigendes und heiter Selbstbewußtes ging von diesem Antlitz aus, Klarheit strahlte hier von reiner Stirn, die, noch jugendlich blank, beinahe vorzeitig den ernsten Scheitel der Matrone trug, … Wie eine bürgerliche Madonna sah sie aus, ein wenig nonnenhaft im hochgeschlossenen Kleid, und die Gütigkeit gab jeder Bewegung eine Aura von Mütterlichkeit“ (228); siehe auch oben. -seine Frau: Tochter eines deutschen Großkaufmannes, die Ludwig aus „Angst vor diesem unablässigen Alleinsein inmitten einer vom Haß, Krieg und Tollheit hinabstürzenden Welt“ (247-248) heiratet; „still, blond und von häuslicher Art“ (247). Luise: Frau Herwarths in der Erzählung „Die unsichtbare Sammlung“ (Buchmendel, 230247); „eine ganz alte, weißhaarige Frau mit sauberem schwarzen Häubchen“ (233); bewirkt,

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FIGUREN:

Mandl – Marion

dass R. [2] sich die Kupferstichsammlung ihres Mannes nicht sofort zeigen lässt, sondern die Besichtigung um einige Stunden verschiebt; siehe auch unter Herwarth. Mandl: Besitzer oder Mitarbeiter eines Kurzwarengeschäftes in der Wiener Florianigasse in der Erzählung „Buchmendel“ (Buchmendel, 197-229); der Oberkellner des Cafés Gluck verweist auf ihn, als der Ich-Erzähler ihn nach Jakob Mendel fragt (213). Margaret: Protagonistin und Ich-Erzählerin der Erzählung „Die spät bezahlte Schuld“ (Phantastische Nacht, 39-69); Frau eines Chefarztes, Mutter einer erwachsenen Tochter und Großmutter dreier Enkel; Anfang bis Mitte vierzig; berichtet die gesamte Erzählung in Form eines Briefes an ihre Jugendfreundin Ellen: Margaret hält sich zur Erholung in einem kleinen Bergdorf in Tirol in der Nähe von Bozen auf, wo sie in einem Gasthaus wohnt; trifft dort am Abend in der Gaststube den ehemaligen, stark heruntergekommenen Schauspieler Peter Sturz, der im Armenhaus des Dorfes lebt und den sie einst als Sechzehnjährige in Innsbruck (zusammen mit Ellen) als „Gott unserer Jugend, … Herr unserer Träume“ (51) schwärmerisch verehrte; sie erinnert sich daran, dass Sturz einst „eine gefährliche Minute lang“ ihr „ganzes Leben in Händen gehabt“ (56): Als er nämlich Innsbruck nach einem Skandal verlassen musste, suchte sie, unsterblich verliebt, ihn auf und flehte ihn an zu bleiben, indem sie bekräftigte: „Ich geh mit Ihnen, wohin Sie wollen … tun Sie mit mir, was Sie wollen … nur verlassen Sie mich nicht“ (61); zurückblickend erkennt sie nun: „In dieser Stunde hatte er mein Schicksal in der Hand. Wer weiß, was aus mir geworden wäre, hätte er in einer unedlen Weise mein kindisches Drängen genützt, hätte er seiner Eitelkeit nachgegeben und vielleicht seinem eigenen Verlangen und der heftigen Versuchung“ (61-62); aus Dankbarkeit, dass er sie damals vor sich selbst schützte (er rief seine Haushälterin dazu und ließ sie Margaret auf die Straße bringen), löst sie nun ihre „Schuld gegen ihn“ (63) ein, indem sie ihm bei den Dorfbewohnern, die von seiner Vergangenheit als Schauspieler nicht recht Bescheid wissen und ihn herablassend behandeln, Respekt verschafft: „ich konnte ihn vielleicht ein wenig schützen gegen die Pein dieser Verachtung, ihm hier in diesem verlorenen Dorf … ein bißchen Ansehen retten“ (64); sie spricht ihn vor den Dorfbewohnern als „Hofschauspieler Sturz“ (65) an, rühmt seine Vergangenheit und seine großen Rollen und täuscht „einen Ruhm vor, den er in Wahrheit nie gehabt“ (67); „und ich wußte, von diesem Augenblick an würden sie nie mehr über ihn spotten, … nie mehr ihm Schmerz antun … Ich hatte ihm helfen können am Ende seines Lebens, wie er mir im Anfang geholfen. Ich hatte meine Schuld bezahlt“ (68). Margot: die Mittlere der drei Cousinen von Bob in der Erzählung „Geschichte in der Dämmerung“ (Verwirrung der Gefühle, 79-115); blondhaarig und schroff, mit graugrünen Augen; wird von Bob fälschlicherweise für seine Liebhaberin gehalten; siehe auch unter Bob. Marguerite: Tochter der Frau, die in der Erzählung „Unvermutete Bekanntschaft mit einem Handwerk“ (Brennendes Geheimnis, 320-363) vom (namenlosen) Protagonisten bestohlen wird; „ein etwa elfjähriges blasses Mädchen“ (340). Mariilla, Carmen: Pseudonym, unter dem Marion im Romanentwurf Clarissa als Operettendiva auftritt (143). Marion: Mitschülerin und Freundin von Clarissa Schuhmeister im Romanentwurf Clarissa; kommt als Sechzehnjährige auf die Klosterschule, in der auch Clarissa untergebracht ist; ein uneheliches Kind, deren Vater angeblich in Südamerika lebt; „apart und durchaus anziehend mit ihren großen runden Augen, denen die stark gezogenen Brauen eigentlich mehr Charakter gaben als die etwas matten Pupillen“ (21); „schon in den nächsten Tagen waren alle in dies exotische Wesen verliebt, aber Marion hatte die glücklichste Art, die bei unflüggen … 54

FIGUREN:

Marnefesch, Benjamin

Geschöpfen üblichen Eifersüchteleien zu lindern, indem sie zu allen mit der gleichen Unbefangenheit herzlich war“ (22); „unfähig, das Boshafte und Heimtückische zu begreifen“ (23); erhält in den Schulferien von Clarissa Nachhilfe und freundet sich mit ihr an; gesteht Clarissa ihren großen Kummer: „Es muß etwas sein um mich. Alle lieben sie mich und verwöhnen sie mich zuerst, und plötzlich werden sie kalt“ (25); nach den Ferien lässt ihre Beliebtheit bei den Mitschülerinnen deutlich nach, viele wenden sich von ihr ab; als Rosie absichtlich Marion ihre Französischlehrerin nach der Bedeutung der Vokabel „bâtard“ fragen lässt, kommt es zum Eklat: „wie eine Rasende“ greift Marion Rosie tätlich an, „daß das Blut niederlief“ (29); „Am nächsten Morgen war Marion verschwunden; … Jedenfalls hörten sie nie mehr von ihr“ (30); flieht nach Wien, wo sie sich einem jungen Mann, den sie zufällig im Schwarzenberggarten trifft, hingibt; als dieser hinterher erfährt, dass sie noch minderjährig ist, schickt er sie aus Angst vor einem Skandal nach Berlin, wo sie auf seine Kosten ein Jahr auf der Schauspielschule studiert; anschließend kehrt sie nach Wien zurück, wo sie unter dem Pseudonym Carmen Mariilla als Operettensängerin auftritt; auf einer Veranstaltung des Kriegspressequartiers trifft sie zufällig Clarissa, der sie neben diesen Erlebnissen auch erzählt, dass sie ihre Mutter, die sie als uneheliches Kind auf die Welt brachte, mittlerweile verachtet: „Ich weiß, es ist dumm, ehelich oder unehelich, aber einen Hieb kriegt man doch mit für sein ganzes Leben … ich bin gewiß keine Heilige … aber das, das möcht` ich meinem Kind nicht antun“ (148). Marnefesch, Benjamin: Protagonist der Erzählung „Der begrabene Leuchter“ (Rahel rechtet mit Gott, 74-191); Enkel des Mose Abthalion; ist zu Beginn der Erzählung, im Juni des Jahres 455, sieben Jahre alt; wird von Mose Abthalion zusammen mit den elf ältesten Juden der römischen Gemeinde als Zeuge mit zum Hafen genommen, wohin diese der von den Vandalen geraubten Menorah folgen; empfindet auf diesem nächtlichen Weg Angst und Stolz, „daß diese Großen und Weisen gerade ihn, den Kleinsten, gewählt unter allen den andern“ (95-96); bekommt von Rabbi Elieser unterwegs die Bedeutung der Menorah für das jüdische Volk erklärt; versucht vergebens, die Verladung der Menorah auf ein Schiff der Vandalen zu verhindern, indem er den Sklaven, der sie trägt, anspringt und zu Fall bringt; dabei stürzt der Leuchter auf Benjamins Arm und verursacht ihm eine lebenslange Behinderung; macht sich 80 Jahre später, als Greis von 87 Jahren, in der Hoffnung, die Menorah zurückgewinnen zu können, auf den Weg nach Byzanz, nachdem die Vandalen von Justinian besiegt und die Menorah als Beute dorthin gebracht worden ist; nimmt sich als jungen Begleiter Jojakim ben Gamaliel mit; lässt sich vom Goldschmied Zacharias überzeugen, die von diesem arrangierte Audienz bei Kaiser Justinian wahrzunehmen; bringt dem Kaiser im Namen der Juden einen „Stein von Schelomos Tempel“ (152) als Geschenk und bittet ihn inständig, aber auch warnend („Weh, wer behält, was nicht sein Eigen ist! Denn kein Frieden von Gott wird sein, ehe sein Heiliges nicht heimkehrt an seine heilige Stätte“, 155) um die Menorah; Justinian beschließt daraufhin, die Menorah zurückzugeben – allerdings nicht den Juden und ihrem „falschen Dienst“ (156), vielmehr soll sie in der katholischen Kirche in Jerusalem aufgestellt werden, und zwar „lichtlos … unterhalb des Altars, damit jeder sichtbar sehe, wie unser Glaube steht über dem ihren und die Wahrheit über dem Irrtum“ (156); nach diesem Scheitern verlässt Benjamin die jüdische Gemeinde von Byzanz aus „Scham, sein Volk verlockt zu haben in übermäßigem Hoffen“ (161), und verbringt eine Nacht im Freien außerhalb von Byzanz, in der Hoffnung, dort zu sterben; am nächsten Morgen findet ihn Zacharias und nimmt ihn mit in seine Werkstatt; Zacharias berichtet ihm, dass er den Auftrag habe, ein Replikat der Menorah für die Schatzkammer anzufertigen, bevor der Leuchter nach Jerusalem gebracht wird; als das Replikat nach sieben Tagen fertig ist, „nicht zu unterscheiden … dank völliger Gleichheit in Größe und Farbe, Maß und Gewicht“ (175-176), will Benjamin die beiden Leuchter nicht aktiv vertauschen, da er den Betrug scheut, sondern möchte den Schatzmeister zwischen Original und Replikat wählen 55

FIGUREN:

Mathilde – Mendel, Jakob

lassen; dieser entscheidet sich für das Replikat; Benjamin Marnefesch transportiert die echte Menorah daraufhin in einem Sarg ins Heilige Land nach Jaffa (Joppe); von Jaffa aus transportiert er, begleitet von einem stummen Knecht, den Sarg auf einem Maultier einen Tag lang „durch das leere Land“ (185), bis er am Abend eine geeignete Stelle findet, an der er den Sarg mit der Menorah vergräbt; anschließend schickt er den Knecht mit dem Maultier zurück und fühlt große Erleichterung: „Er hatte getan, was ihm zu tun gesetzt war. Nun lag es bei Gott, ob der Leuchter im Verborgenen bleiben sollte bis ans Ende der Tage …, oder ob er endlich heimführen wollte das Volk und auferstehen lassen den Leuchter aus seinem unbekannten Grab“ (189); er stirbt noch in derselben Nacht und wird am nächsten Morgen von Kaufleuten tot aufgefunden. Mathilde: Mutter des zwölfjährigen Edgar in der Erzählung „Brennendes Geheimnis“ (Brennendes Geheimnis, 7-85); „eine jener leicht üppigen Jüdinnen im Alter knapp vor der Überreife, offenbar auch leidenschaftlich“ (10); „ihre Schönheit schien im sichern Selbstgefühl vieler Bewunderungen satt und prahlerisch geworden zu sein“ (11); „Sie war in jenen entscheidenden Jahren, wo eine Frau zu bereuen beginnt, einem eigentlich nie geliebten Gatten treu geblieben zu sein, und wo der purpurne Sonnenuntergang ihrer Schönheit ihr noch eine letzte dringlichste Wahl zwischen dem mütterlichen und dem Weiblichen gewährt“ (24); ist den Avancen und Verführungsversuchen durch Baron Grundheim nicht abgeneigt und lässt sich darauf ein; ist aber letztlich „dankbar …, aus einem unfruchtbaren Abenteuer gerettet zu sein“ (84); siehe auch unter Edgar. McConnor: Mitreisender auf dem Passagierdampfer von New York nach Buenos Aires in der Erzählung „Schachnovelle“ (Buchmendel, 248-314); „ein schottischer Tiefbauingenieur, der … bei Ölbohrungen in Kalifornien sich ein großes Vermögen gemacht hatte, von äußerem Ansehen ein stämmiger Mensch mit starken, fast quadratisch harten Kinnbacken, kräftigen Zähnen und einer satten Gesichtsfarbe“ (260); „dieser Mister McConnor gehörte zu jener Sorte selbstbesessener Erfolgsmenschen, die auch im belanglosesten Spiel eine Niederlage schon als Herabsetzung ihres Persönlichkeitsbewußtseins empfinden“ (260); will unbedingt eine Schachpartie gegen den Weltmeister Mirko Czentovic spielen und zahlt ihm dafür 250 Dollar; verliert die Partie und verlangt Revanche, die durch das Eingreifen von Dr. B. als Remis endet; vereinbart mit Czentovic eine dritte Partie, in der dieser gegen Dr. B. spielen soll. Medwitz, Baron von: einer der Hotelgäste, die mit Erna Salomonsohn in der Erzählung „Untergang eines Herzens“ (Verwirrung der Gefühle, 145-181) flirten und mit denen sie und ihre Mutter – sehr zum Missfallen ihres Vaters – gesellschaftlichen Umgang haben; ein „Herrenreiter“ (149) aus Mecklenburg; will Erna und ihre Familie in seinem Fiat auf einen Ausflug nach Desenzano mitnehmen. Mendel, Jakob (genannt Buchmendel): Protagonist der Erzählung „Buchmendel“ (Buchmendel, 197-229); ein galizischer Büchertrödler, der im Wiener Café Gluck in der oberen Alserstraße sein „Hauptquartier“ (200) hat; „berühmt an der Universität und in einem engen, ehrfürchtigen Kreis“ (200), „ein vorweltlicher Bücher-Saurier aussterbender Rasse“ (202), ein „Universalkatalog auf zwei Beinen“ (204); „dieser kleine, zerdrückte, ganz in seinen Bart eingewickelte und überdies bucklige galizische Jude Jakob Mendel war ein Titan des Gedächtnisses. Hinter dieser kalkigen, schmutzigen, von grauem Moos überwucherten Stirn stand … jeder Name und Titel wie mit Stahlguß eingestanzt, der je auf einem Titelblatt eines Buches gedruckt war“ (205); „Jakob Mendel vergaß nie einen Titel, … wußte in jedem Fach mehr als die Fachleute … Außerhalb der Bücher wußte dieser merkwürdige Mensch nichts von der Welt“ (206); wollte ursprünglich Rabbi werden; „aber bald hatte er den harten 56

FIGUREN:

Metschersky, Fürst – Noah

Eingott Jehovah verlassen, um sich der … Vielgötterei der Bücher zu ergeben“ (210); wird während des 1. Weltkriegs verhaftet, weil er mit ausländischen bzw. zum Feind gehörigen Buchhändlern korrespondiert; während des Verhörs stellt sich heraus, dass er, in Petrikau in Russisch-Polen geboren, nie das österreichische Staatsbürgerrecht erworben hat und damit Russe ist; er wird daraufhin in ein „Konzentrationslager russischer Zivilgefangener bei Komorn“ (220) gesperrt, aus dem er erst zwei Jahre später, im Jahr 1917, dank der Fürsprache einiger vornehmer Kunden von ihm freikommt; er kehrt nach Wien und ins Café Gluck zurück; „Aber er war nicht derselbige mehr“ (222); „in dem phantastischen Kunstbau seines Gedächtnisses mußte irgendein Pfeiler eingestürzt und das ganze Gefüge in Unordnung geraten sein“ (223); wird vom neuen Besitzer, der ihn loswerden will, aus dem Café geschmissen, da er, mittlerweile verarmt, ohne Bezahlung einige Semmeln verzehrt hat; stirbt einige Zeit später an Lungenentzündung. Metschersky, Fürst: Herr/„Besitzer“ des russischen Soldaten Boris in der Erzählung „Episode am Genfer See“ (Der Amokläufer, 191-200); Boris bezeichnet sich als Metscherskys Leibeigenen (194). Mislywetz: Kamerad von Anton Hofmiller im Roman Ungeduld des Herzens (35). Mizzi: Tochter der Vermieterin von Bertold Berger in der Erzählung „Scharlach“ (Brennendes Geheimnis, 86-152); ein 13-jähriges Mädchen, „in dem die Frau erst keimte, knospennah und doch noch schlummernd“ (142); als sie an Scharlach erkrankt, wird sie von Berger gepflegt und steckt ihn an; ist an seinem Sterbebett anwesend; siehe auch unter Bertold Berger. Nelly: Schwester von Christine Hoflehner im Roman Rausch der Verwandlung; verheiratet mit dem Magistratsbeamten Franz [2], mit dem sie in Wien lebt und zwei Söhne – Roderich und Joachim – hat (179); empfindet Abneigung gegen Ferdinand Farrner, den „mit dem Geiste der Revolution geladenen“ (208) Kriegskameraden ihres Mannes, und lehnt dessen politischen Ansichten ab. Neuendorff, Uli: wohl ehemaliger Kamerad des Regiments, in dem Anton Hofmiller im Roman Ungeduld des Herzens dient; ihm hat Lajos von Kekesfalva laut Graf Steinhübel durch Geldgeschäfte „den Kragen gebrochen“ (414). Neutitscheiner: Pferdehändler im Roman Ungeduld des Herzens; hat dem Grafen Steinhübel einen „hochbeinigen Fuchs …, ein junges, unbändiges Vollblut“ (368) verkauft (372). Nikolai: Wachsoldat in Sibirien im Roman Rausch der Verwandlung; hat Ferdinand Farrner und Franz [2] während ihrer russischen Kriegsgefangenschaft bewacht; „gutmütig“ und „still“ (236). Noah: die aus der Bibel bekannte Figur; schickt in der Erzählung „Die Legende der dritten Taube“ (Rahel rechtet mit Gott, 7-11), nachdem die Arche gelandet ist, nach den ersten beiden noch eine dritte Taube in die Welt, die nicht zurückkehrt: Sie hatte „Noah, den Weißbart der Arche, vergessen und seinen Auftrag“ (8) und lebt bis in die Gegenwart, wo sie vom Krieg aufgeschreckt wird und sich auf die Suche nach einem friedlichen Ort macht: „Noch hat sie die Rast nicht gefunden, noch die Menschheit den Frieden nicht, und eher darf sie nicht heimkehren, nicht ruhen für alle Zeit“ (10).

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FIGUREN:

Nossal – Petrovic

Nossal: Pfarrer der südböhmischen Stadt Dobitzan in der (Fragment gebliebenen) Erzählung „Wondrak“ (Buchmendel, 123-152); verschafft der Protagonistin RuŜena Sedlak durch seine Fürsprache ihre Stelle als Haushälterin im abgelegenen Jagdhaus des Grafen R.; verlangt, dass ihr fünfmonatiger Sohn Karel getauft wird; nimmt Karel später die Woche über bei sich auf, als dieser in die Schule gehen muss; schlägt vor, Karel „auf seine Kosten in die höhere Schule zu schicken, hinüber in die andere größere Stadt“ (133), was dessen Mutter aber ablehnt. Nußbaum: Schweizer Briefträger in der Erzählung „Der Zwang“ (Buchmendel, 153-196); hat ein „hölzernes Gesicht“ und einen „roten Seemannsbart, der an den Enden weiß wurde“ (156); stellt Ferdinand R. den amtlichen Befehl zu, sich zur erneuten Untersuchung auf seine militärische Tauglichkeit nach Zürich zu begeben. Orosvár, Fürstin: die frühere Besitzerin des Schlosses Kekesfalva im Roman Ungeduld des Herzens; „schwerreich schon irgendwo aus der Ukraine gekommen, hatte ihren Mann um gute fünfunddreißig Jahre überlebt. Zäh wie Leder und böse wie ein Wiedehopf, seit ihr die einzigen zwei Kinder in derselben Nacht an Diphtherie gestorben waren, haßte sie von ganzem Herzen alle andern Orosvárs“ (142); eine „alte, massige Frau mit … Mopsgesicht“ (143); als sie im Alter von 84 Jahren stirbt, vermacht sie ihren gesamten Besitz ihrer Gesellschafterin Annette Beate Dietzenhof, wobei sie ihre sämtlichen Verwandten enterbt, „weil sie meinen Tod nicht erwarten konnten“ (144). Ostrowska, Gräfin: schöne polnische Adlige aus Warschau, die in der Erzählung „Der Stern über dem Walde“ (Verwirrung der Gefühle, 7-18) in einem Hotel an der Riviera zu Gast ist und in die sich der Kellner François verliebt; sie erfährt nichts von dieser Leidenschaft; als sie nach Warschau zurückreist, bringt François sich um, indem er sich vor ihren Zug wirft. Otto [1]: Sohn des Geheimrats G. in der Erzählung „Widerstand der Wirklichkeit“ (Brennendes Geheimnis, 221-271), elf Jahre alt. Otto [2]: Cousin der beiden (namenlosen) Protagonistinnen in der Erzählung „Die Gouvernante“ (Phantastische Nacht, 20-38); wohnt seit drei Jahren mit diesen und ihren Eltern in Wien, wo er studiert; hat ein Verhältnis mit der Gouvernante der Protagonistinnen; verlässt das Haus, als er von der Gouvernante erfährt, dass diese ein Kind von ihm erwartet, unter dem Vorwand, er müsse sich auf seine Prüfungen vorbereiten. Paratika: Weber in der Erzählung „Die Augen des ewigen Bruders“ (Rahel rechtet mit Gott, 12-55); verlässt seine Frau und seine drei Kinder, um dem Beispiel Viratas zu folgen und „einzugehen als Irdischer in den Gott“ (50); seine drei Kinder verhungern daraufhin, da ihnen der Ernährer fehlt. -seine Frau: wirft Virata den Tod ihrer Kinder vor, da er Paratika zum Leben als Einsiedler verführt habe: „Darum … sind drei Kinder meines Leibes in die harte Erde gefahren“ (50). Percy: Gast im Palace Hotel in Pontresina im Roman Rausch der Verwandlung (116). Petrovic: ehemaliger Verwalter des Gutes Kekesfalva im Roman Ungeduld des Herzens; Bekannter von Leopold Kanitz; „jener bieder tuende Bursche hatte das dicke Geld, das er alljährlich bei der Gutsverwaltung in seine eigene Tasche steckte, durch seine [Kanitz`] Vermittlung immer bei Doktor Gollinger auf Hypotheken hinterlegt“ (147).

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FIGUREN:

Pista – Protagonisten ohne Namen

Pista: Chauffeur von Lajos von Kekesfalva im Roman Ungeduld des Herzens; nimmt, als Lakai verkleidet, an der Ausfahrt im Vierergespann teil, die Edith von Kekesfalva initiiert (215). Pointner, Michael: Krämer in Klein-Reifling im Roman Rausch der Verwandlung; ärgert sich über die Unfreundlichkeit und Hochnäsigkeit der Postassistentin Christine Hoflehner nach deren Rückkehr aus ihrem Urlaub in Pontresina (183). Ponto: eine Bulldogge, tierischer Protagonist der Erzählung „War er es?“ (Brennendes Geheimnis, 272-312); wird als Welpe von John Charleston Limpley in dessen Haus in der englischen Provinz aufgenommen und von Limpley durch dessen Vernarrtheit in ihn völlig verzogen; „ein mächtiges Tier mit breiter Brust, starkem Gebiß und harten, straff gebürsteten Hinterbacken. An sich durchaus gutmütig, wurde er erst unbehaglich, sobald er seine dominierende Stellung im Hause erkannte, dank derer er sich ein hochmütiges und herrisches Auftreten zulegte … zuerst nur ungehorsam, nahm er bald tyrannische Manieren an“ (283284); als Limpley ihn vernachlässigt, weil seine Frau ein Kind erwartet, versucht Ponto zunächst, „durch allerhand Kunststücke auf sich aufmerksam zu machen“ (294), jedoch vergeblich: „Seine Tyrannis war gebrochen. Er war abgesetzt, erniedrigt, vergessen“ (294); direkt nach der Geburt des Babys – für ihn „der … verborgene Feind, der Räuber seiner Macht, der Mörder seines Friedens“ (300), versucht er, das Kind zu zerfleischen, wird aber von Limpley und anderen Menschen abgewehrt und halb totgeschlagen; er wird aber nicht, wie der Mann der Ich-Erzählerin Betsy rät, erschossen, sondern auf Tollwut untersucht und dann einem Fleischermeister in Bath geschenkt; wird von der Ich-Erzählerin beobachtet, wie er nachts um das Haus seines ehemaligen Besitzers schleicht; stößt vermutlich das Baby samt Kinderwagen in einen an das Grundstück grenzenden Kanal, wo es ertrinkt, und nimmt so Rache: „Es war nur ein berechtigter, ein furchtbar berechtigter Verdacht. Aber es fehlte die letzte, die unumstößliche Gewißheit“ (311). Prie, Madame de [historisches Vorbild: Jeanne-Agnes Berthelot de Pleneuf, Marquise de Prie, 1698-1727]: Protagonistin der Erzählung „Geschichte eines Unterganges“ (Der Amokläufer, 7-53); eine der einflussreichsten Frauen am Hof König Ludwigs XV.; „Sie war eine jener nicht seltenen Frauen, die ganz aus der Stimmung der anderen gewebt sind“ (3738); als sie beim König in Ungnade fällt, muss sie Paris verlassen und sich auf ihr Landgut Courbépine in der Normandie zurückziehen: Dort verkümmert sie bald, da ihr Paris und ihre dortige einflussreiche Position fehlen – „leer fühlte sie sich selbst in dieser Einsamkeit, wo keiner sie verlangte, leer, nutzlos, ausgewaschen, ausgelaugt“ (14); nach einer Affäre mit dem Neffen des Pfarrers, dessen sie schnell überdrüssig wird, beschließt sie, Selbstmord zu begehen, wobei sie ihren Tod wirkungsvoll in Szene setzen möchte: „Heroisch, legendär wollte sie sterben, wie die Königinnen des Altertums. … Tanzend wollte sie hinab in den Abgrund“ (36); sie gibt eine Reihe rauschender Feste und kündigt (aufgrund einer Spielkarte beim Pharao) den 7. Oktober als ihren Todestag an, was aber keiner ihrer Gäste ernst nimmt; nach einer letzten Nacht mit dem Neffen des Pfarrers, den sie unter einem Vorwand in ihr Schloss gelockt hat, der sich am nächsten Morgen aber „brüsk“, „frech“ und „ohne Liebe“ (50) verabschiedet, nimmt sie sich durch Gift ihr Leben. Protagonisten ohne Namen treten in folgenden Erzählungen auf: •

„Brief einer Unbekannten“ (Brennendes Geheimnis, 153-199): eine Frau, die seit ihrer Jugend den Romanschriftsteller R. [1] abgöttisch liebt, mehrere Liebesnächte mit ihm verbracht hat, ein Kind von ihm bekommen hat, wovon er aber nichts weiß, da sie für ihn nur eine Affäre von vielen war; als das Kind stirbt, 59

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Protagonisten ohne Namen

schreibt sie R. einen langen Brief, der ihn – nachdem auch sie gestorben ist – an seinem 41. Geburtstag erreicht und in dem sie ihm alles gesteht und ihr Leben erzählt: „dies Leben, das wahrhaft erst begann mit dem Tage, da ich Dich kannte“ (155-156); sie beginnt mit 13 Jahren, als R. in das Haus in Wien zieht, in dem sie mit ihrer Mutter lebt, für ihn zu schwärmen, bald drehen sich ihre Gedanken nur noch um ihn – „glaube mir, niemand hat Dich so sklavisch, so hingebungsvoll geliebt wie dieses Wesen, das ich war“ (162); dass sie einmal zufällig in seine Wohnung gelangt, ist für sie „das schönste Erlebnis meiner Kindheit“ (165); als sie Wien verlassen und mit ihrer Mutter nach Innsbruck ziehen muss, ist dies „die fürchterlichste Stunde“ (166) ihrer Jugend: „Mein ganzes Denken und Trachten war in eine Richtung gespannt: zurück nach Wien, zurück zu Dir“ (171); tatsächlich kehrt sie nach Wien zurück, wo sie eine Stelle in einem großen Konfektionsgeschäft annimmt; wartet jeden Abend vor R.s Haus; eines Abends spricht er sie an und geht mit ihr aus, es ergibt sich eine Liebesnacht, der zwei weitere folgen, bevor R. die Beziehung („Eine unter Hunderten, ein Abenteuer in einer ewig fortgeknüpften Kette“, 176) abbricht; sie ist schwanger von ihm und bringt einen Sohn zur Welt, was sie ihm aber verheimlicht; damit es ihrem Kind an nichts mangelt, geht sie wechselnde Beziehungen zu reichen Verehrern ein; Jahre später begegnet sie R. ein weiteres Mal – sie wird von ihm nicht erkannt, sondern für eine Prostituierte gehalten, und verbringt wieder eine Nacht mit ihm, „eine ganze herrliche Nacht“ (193); ihren Brief an R. sieht sie als „Vermächtnis … von einer, die Dich mehr geliebt als alle und die Du nie erkannt“ (197). --ihre Mutter: eine „ärmliche Rechnungsratswitwe“ (156), die eine zweite Ehe mit Ferdinand [1], einem Kaufmann aus Innsbruck, eingeht. --ihr Sohn: heiß geliebt von seiner Mutter, ähnelt seinem Vater, dem Romanschriftsteller R. [2]; „stundenlang konnte er verliebt mit Dingen spielen … und dann wieder ernst mit hochgezogenen Brauen vor seinen Büchern sitzen. … er plauderte Französisch wie eine kleine Elster, seine Hefte waren die saubersten der Klasse, und wie hübsch war er dabei, wie elegant“ (186); stirbt im Kindesalter an Grippe; siehe auch oben. •

„Das Kreuz“ (Der Amokläufer, 54-66): -ein französischer Colonel, der im Kriegsjahr 1810 auf einer Heerstraße Katalaniens mit seiner Truppe einen Provianttransport begleitet und von spanischer Guerilla angegriffen wird; bewusstlos überlebt er den Angriff, bei dem seine Männer sämtlich getötet und von den Spaniern in Baumkronen aufgeknüpft werden; als er diese Schmach entdeckt, erfasst ihn „fassungslose, fiebernde Wut“ (58), die ihn einen zufällig vorbeikommenden Spanier, einen Zivilisten, töten lässt; nach dem Mord „war ihm wunderbar frei geworden … : hochgereckt, empfand er sich wieder als Colonel Napoleons“ (59); er zieht die Kleidung des Ermordeten an, um bei den Einheimischen in einem nahen Dorf um Nahrung zu betteln; das ihm von Napoleon verliehene Ehrenkreuz trennt er von seiner zurückgelassenen Uniform ab und steckt es in die Tasche seiner nun zivilen Kleidung; als er mit Jubelschreien auf vorbeikommende französische Truppen zustürmt, halten diese ihn für einen Spanier und erschießen ihn; „Und eine grenzenlose Wut überkam sie, als einer in den blutigen Fetzen das Ordenskreuz des vermißten Colonels fand. Ein Kreuz Napoleons in der Tasche eines spanischen Banditen!“ (65).



„Der Amokläufer“ (Der Amokläufer, 74-138): -ein Arzt, etwa 40 Jahre alt, der im März 1912 nach siebenjährigem Aufenthalt in einem abgelegenen Dorf in Indien auf dem Überseedampfer „Oceania“ von Kalkutta nach Neapel fährt und an Bord dem Ich-Erzähler begegnet, dem sein Gesicht 60

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Protagonisten ohne Namen

„grauenhaft verzerrt, finster und koboldhaft“ (79) erscheint; der Ich-Erzähler spürt, „daß dieser Mensch sprechen wollte, sprechen mußte“ (83); im Folgenden erzählt der Arzt seine Geschichte: Er war ursprünglich an einer Leipziger Klinik angestellt, die er nach einem „Griff in die Spitalskasse“ (87), zu dem ihn eine Frau angestiftet hatte, verlassen musste; ließ sich daraufhin von der holländischen Regierung in Rotterdam für eine Stellung in den Kolonien anwerben; dort sucht ihn eines Tages eine Frau auf, die von ihm die Abtreibung eines illegitimen Kindes verlangt und ihm dafür 12.000 Gulden bietet; abgestoßen und fasziniert zugleich von ihrer hochfahrenden, hochmütigen und bestimmenden Art („mich hatten immer schon Frauen in der Faust, die herrisch und frech waren“, 87), lehnt er ihr Angebot ab und sagt seine Hilfe nur für den Fall zu, dass sie sich ihm hingibt; als sie sich weigert und seine Praxis verlässt, verfällt er ihr und beginnt seinen (titelgebenden) „Amoklauf“: Er findet heraus, wer sie ist, reist ihr nach (wobei er seine Praxis einfach im Stich lässt) und versucht mehrmals mit zunehmender Verzweiflung, Kontakt zu ihr aufzunehmen, um ihr zu helfen, bevor ihr auf einer Reise befindliche Ehemann zurückkehrt und ihren Fehltritt bemerkt; sie lässt ihn aber erst rufen, nachdem sie die Abtreibung in einer Spelunke von einer „schmutzigen Chinesin“ (120) hat vornehmen lassen und schon im Sterben liegt; er kann sie nicht retten und verspricht ihr, dass niemand von ihrem Fehltritt erfahren wird; er gibt in den Dokumenten eine erfundene Todesursache an („Herzlähmung“, 130) und versteckt sich bei dem Liebhaber der Patientin, als der misstrauische Ehemann nach ihm suchen lässt, um ihn nach dem Befund zu fragen; verlässt Indien mit demselben Schiff, auf dem auch der Sarg der Patientin transportiert wird; um zu verhindern, dass der Ehemann die Leiche in Europa obduzieren lässt, stürzt er sich im Hafen von Neapel, als der Sarg ausgeladen werden soll, auf den Sarg und versinkt mit ihm im Hafenbecken. --seine Patientin: Engländerin, stolz und herrisch, Frau eines reichen holländischen Großkaufmannes, dem sie fremdgegangen ist; „ein undurchdringliches Gesicht, hart, beherrscht, von einer alterslosen Schönheit, ein Gesicht mit grauen englischen Augen, in denen alles Ruhe schien und hinter die man doch alles Leidenschaftliche träumen konnte“ (95); siehe auch oben. ---deren Liebhaber: „Ein junger, ganz blonder Offizier…, sehr linkisch, sehr schmal, sehr blaß. Wie ein Kind sah er aus, … so rührend jung … kein Verführer, kein Hochmütiger“(131-132); versteckt den Arzt vier Tage lang bei sich, als der Ehemann der Geliebten nach diesem suchen lässt, und verschafft ihm unter falschem Namen einen Platz auf der „Oceania“. •

„Die Frau und die Landschaft“ (Phantastische Nacht, 145-171): -ein Mann, der in einem extrem heißen und dürren Sommer einen Urlaub in einem Hotel in einem Tiroler Hochtal verbringt, um dort „wie viele andere, Kühlung zu finden“ (145), was aber nicht gelingt: „selbst hier oben … glühte die Luft safranfarben von Feuer und Staub“ (145); „Von früh bis spät abends brannte die Sonne nieder, und ihr gelber, quälender Blick bekam allmählich etwas von der stumpfen Beharrlichkeit eines Wahnsinnigen“ (146); trifft dort ein junges Mädchen, ebenfalls Gast im Hotel, das sich ebenso wie er selbst nach Regen sehnt: „So konnte ich … die Fremde betrachten und sah, wie ihre Brust sich hob, … wie jetzt um die Kehle … ein Zittern ging, bis endlich auch die Lippen bebten, dürstend sich auftaten und … sagten: „Wenn es doch nur schon regnen wollte““ (149); als ein aufziehendes Gewitter nicht zum Ausbruch kommt, fühlt er „Wut, … eine sinnlose Empörung der Ohnmacht, der Enttäuschung, des Verrats“ (151); nach einem nächtlichen Spaziergang durch die von ihm geradezu sinnlich empfundene Schwüle („Wie ein Polyp, ein weiches, glattes, saugendes Wesen umdrängte mich jetzt, berührte mich mit tausend Lippen die Nacht. 61

FIGUREN:

Protagonisten ohne Namen

… zum erstenmal empfand ich in dieser schwülen Umfassung sinnlich wie eine Frau, die sich auflöst in der sanften Ekstase der Hingebung“, 159) findet er in seinem Zimmer das Mädchen – „sie, an die ich unbewußt gedacht“ (162) –, das er in seine Arme nimmt und zu liebkosen beginnt: „Ich küßte und küßte sie und empfand, als genösse ich die große, schwüle, harrende Welt in ihr“ (163-164); als er bemerkt, dass sie nicht bei sich ist („eine Unbewußte, … eine Schlafwandlerin“, 164), und daraufhin von ihr ablässt, fordert sie ihn zunächst „mit einer sinnlosen Inbrunst“ (165) auf weiterzumachen; schließlich schläft sie fest ein und er empfindet sie nicht als „Frau mehr“, sondern als „die Nacht selbst, das Geheimnis der lechzenden, gequälten Natur, das sich mir aufgetan“ (166); als schließlich ein Gewitter losbricht, wacht sie auf und flieht voller Schrecken aus dem Zimmer; er empfindet das Gewitter als durchaus erotisch und erlösend: „Dämonisch schön war der wollüstige Kampf des Himmels mit der Erde, eine gigantische Brautnacht, deren Lust ich mitfühlend genoß“ (168); am nächsten Morgen kann sich das Mädchen an die Ereignisse der vergangenen Nacht nicht erinnern, der Protagonist spürt, „daß sie wach nichts mehr von mir wußte, daß unsere Gemeinschaft versunken war mit der magischen Dunkelheit. Fremd und weit waren wir wieder einander wie Himmel und Erde“ (171). --ein Mädchen, das mit seinen Eltern im selben Hotel wie der Protagonist Urlaub macht; siehe auch oben. •

„Die Gouvernante“ (Phantastische Nacht, 20-38): -zwei Schwestern, zwölf und dreizehn Jahre alt, die mit ihren Eltern, ihrem Cousin Otto [2] und ihrer Gouvernante in Wien wohnen; als sie bemerken, dass ihre Gouvernante traurig ist, vermuten sie eine Liaison zwischen ihr und Otto und finden durch Horchen an der Tür heraus, dass die Gouvernante ein Kind von Otto erwartet bzw. „hat“, was sie in ihrer Unschuld nicht verstehen („Wieso kann sie ein Kind haben? Sie ist doch nicht verheiratet, und nur verheiratete Leute haben Kinder“, 26); sie empfinden Mitleid mit ihrer Gouvernante und „glauben nicht mehr, was man ihnen sagt, wittern Lüge und Absicht hinter jedem Wort“ (28); als ihre Mutter die Gouvernante, deren Fehltritt offenkundig geworden ist, entlässt, belauschen sie auch diese Szene und empfinden das Verhalten ihrer Mutter als „gemein“ (32); sie kaufen der Gouvernante zum Abschied einen Strauß weiße Rosen, doch als sie sie ihr am nächsten Morgen überreichen wollen, stellt sich heraus, dass die Gouvernante das Haus in der Nacht schon verlassen hat; das Erlebnis markiert für sie das Ende ihrer Kindheit: „An diesem Nachmittag werden sie älter um viele Jahre. … ein jähes Grauen schüttelt sie, eine Angst vor alledem, was nun kommen wird aus dieser unbekannten Welt, in die sie heute den ersten erschreckten Blick getan haben“ (37). --ihre Gouvernante: erwartet ein Kind von Otto [2], dem Cousin der beiden Schwestern, die sie erzieht; wird entlassen, als die Schwangerschaft offenbar wird, und verlässt nachts das Haus, wobei sie in einem zurückgelassenen Brief verrät, dass Otto der Vater des Kindes ist. --ihre Mutter: entlässt die Gouvernante, als sie von deren Schwangerschaft erfährt: „Mit solchen Personen habe ich kein Mitleid. Was aus Ihnen jetzt wird, geht mich gar nichts an. Sie werden ja wissen, an wen Sie sich zu wenden haben“ (31); reagiert „verstört“ (35), als sie durch einen Brief, den die Gouvernante hinterlassen hat, erfährt, dass ihr Neffe Otto [2] der Vater des Kindes ist.



„Die Mondscheingasse“ (Der Amokläufer, 139-159): -ein wohlhabender Mann aus Geratzheim in Hessen, der von seiner Frau aufgrund seines Geizes bzw. seiner mangelnden Freigebigkeit verlassen wird; er reist ihr zunächst nach Berlin nach („ich kann nicht leben ohne sie. Ich liebe jedes Haar an ihr 62

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Protagonisten ohne Namen

… ihren Mund … ihren Leib, alles, alles“, 154), lässt sie dann aus Argentinien zurückholen; ein erneuter Versuch des Zusammenlebens scheitert, die Frau verlässt ihn abermals und wird Prostituierte in einer französischen Hafenstadt; der Mann sucht sie dort ständig auf, wird von ihr aber nur noch zurückgewiesen und gedemütigt; „jetzt sah ich erst deutlich unter der Lampe dies ausgemergelte Gesicht, zermürbt und fahl, die Haare feucht und dünn auf beinernem Schädel, die Gelenke lose und wie zerbrochen, eine Jämmerlichkeit ohne Kraft und doch nicht ohne Bösartigkeit“ (146); er fleht den Ich-Erzähler, der im Freudenhaus zufällig Zeuge seiner Demütigung wird und dem er daraufhin seine Geschichte erzählt, an, zwischen ihm und seiner Frau zu vermitteln, worauf dieser nicht eingeht; er droht, seine Frau umzubringen, und zeigt dem Ich-Erzähler ein Messer; am folgenden Abend beobachtet der Ich-Erzähler, wie er noch einmal das Freudenhaus betritt: „Metall blitzte in seiner Hand …; ich konnte aus der Ferne nicht unterscheiden, ob es Geld war oder das Messer, das im Mondlicht zwischen seinen Fingern verräterisch glitzerte“ (159). --seine Frau: aus armen Verhältnissen stammend; verlässt ihn und wird Prostituierte in einer französischen Hafenstadt; „Ihr Gesicht war eigentlich noch schön und ebenmäßig in den Zügen, aber wie durch eine innere Ermattung maskenhaft und gemein geworden, alles fiel schlaff nieder, die Lider waren schwer, locker das Haar; … In allem spürte ich einen Menschen, der müde ist und nur aus Gewohnheit, gleichsam fühllos, weiterlebt“ (144); siehe auch oben. •

„Die Wanderung“ (Buchmendel, 7-14): -ein junger Mann aus Judäa, der, zur Zeit Jesu Christi, aufgrund von Berichten über die Wundertaten des Messias sich auf den Weg nach Jerusalem macht, um „das Angesicht des Erlösers zu schauen“ (7); aus „Angst, er könnte sich verspäten und möchte das leuchtende Antlitz nicht mehr schauen, das seine Träume erhellte“ (10), überanstrengt er sich und bricht vor der Schwelle eines Hauses zusammen; die dort wohnende junge Syrierin, Frau eines römischen Centurio, der aber abwesend ist, lässt ihn bei sich ausruhen, gibt ihm Wein zu trinken und verführt ihn; erst als es dämmert, setzt er seine Wanderung nach Jerusalem fort, wo er abends eintrifft – zu spät, denn Jesus ist an diesem Tag gekreuzigt worden.



„Die Wunder des Lebens“ (Buchmendel, 15-95): -ein Antwerpener Maler, der zur Zeit der religiösen Bilderstürmerei im Auftrag eines Kaufherrn eine Muttergottes als zweiten Teil eines Altarbildes, dessen anderer Teil bereits von einem italienischen Künstler vollendet wurde, malen soll; „seine sanften und ruhigen Bewegungen harmonierten mit seinem etwas grobknochig-bäuerlichen, aber gutherzigen Gesicht, dem die weiße Wucht der herabwallenden Haare die Milde eines Evangelisten verliehen“ (16); er schiebt die Arbeit zunächst auf, da er glaubt, ihm sei „die Fähigkeit zerronnen, eines Menschen Angesicht würdig zu gestalten, daß es ihm selbst so schiene, als sei es göttlichen Wesens würdig“ (28); schließlich trifft er zufällig Esther, eine junge Jüdin, die ihm als ideales Modell für eine Madonna erscheint; er kann ihren Adoptivvater und sie überreden, ihm „als Folie eines Marienbildes“ Modell zu sitzen; sie fasst schnell Vertrauen zu ihm und kommt täglich in seine Werkstatt: „Und bald verband ein geheimes Bedürfnis diese zwei Menschen, die sich so ferne waren und doch so ähnlich in einer gewissen Einfachheit und Einfalt ihrer Empfindung“ (43); er versucht sie zum Christentum zu bekehren, womit er aber scheitert, da sie aufgrund ihrer Lebensgeschichte die Christen hasst; er entschließt sich, „sie als Madonna mit dem Kinde zu schaffen“ (55), und malt sie mit einem kleinen nackten Baby, das sie während der Sitzungen im Schoß halten muss und das sie nach anfänglicher Ablehnung lieb gewinnt: „diese Tage wurden die 63

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Protagonisten ohne Namen

Schöpferstunden des Bildes. Aus tausend Zärtlichkeiten schuf er eine, aus tausend … glücklichen, innigen Blicken einen Mutterblick“ (65); das Bild wird ein Meisterwerk und schließlich an der vorgesehenen Stelle in der Kirche aufgehängt; der Maler beschließt, „nach diesem Werke … nicht weiteres Stümperwerk zu schaffen, sondern seine Tage in tieferer Frömmigkeit … zu verbringen“ (70); als Antwerpen kurz darauf von protestantischen Bilderstürmern heimgesucht wird, betet der Maler „mit flehenden Händen … um die Rettung des Bildes“ (92) – vergebens; als er die Kirche, in der das Bild hängt, nach einer Nacht des Aufruhrs frühmorgens aufsucht, findet er sie völlig verwüstet und vor dem zerstörten Bild die Leiche Esthers; er deutet es als „Wunder …, daß dieses einsame Judenmädchen für der Madonna Ehre in den Tod gegangen war“ (94). --sein Auftraggeber: ein reicher Kaufmann aus Antwerpen, der in jungen Jahren in Venedig war, wo er „es nicht sehr christlich“ trieb (19); als ihn dort die Nachricht erreicht, seine Mutter liege im Sterben, gelobt er vor der Rückreise „der Muttergottes einen Altar …, wenn sie mir vergönnen wollte, meiner Mutter Gruß und Verzeihung zu erlangen“ (22); da seine Mutter nicht stirbt, gibt er in seiner Heimatstadt einen Altar in Auftrag, dessen einen Flügel ein Künstler aus Venedig mit einem Gemälde der Muttergottes ausführt; 20 Jahre später, durch die ihm als Wunder erscheinende Genesung seines Kindes an sein noch uneingelöstes Gelübde gemahnt, gibt er nun einem Antwerpener Maler den Auftrag, für den zweiten Flügel des Altares ein weiteres Muttergottesbild zu schaffen. •

„Sommernovellette“ (Phantastische Nacht, 7-19): -ein älterer Mann, der seinen Sommerurlaub in Cadenabbia am Comer See verbringt; „Livländer von Geburt, in Frankreich und später in England erzogen, berufslos seit je, ohne ständigen Aufenthalt seit Jahren“ (7); berichtet dem (namenlosen) Ich-Erzähler von einem Erlebnis, das er ein Jahr zuvor an demselben Ort hatte: Er erfand einen „geheimnisvollen Liebhaber“ (11) für ein sechzehnjähriges Mädchen, das die Ferien in demselben Hotel verbrachte, und schrieb ihr anonyme Liebesbriefe, wobei er mit zunehmender Faszination ihre Reaktionen und die Veränderungen beobachtete, die in ihr vorgingen: „ich fühlte mein Blut plötzlich an der Schläfe: das war ein anderes Mädchen, ein anderer Schritt. … Nun lockte mich das Spiel“ (12-13); schließlich traf das Mädchen einen jungen Mann, den sie für den erfundenen Liebhaber hielt, woraufhin der Protagonist das Spiel fortsetzen wollte: „Es reizte mich, nun mit zwei Personen zu agieren“ (15); doch am nächsten Tag reiste das Mädchen mit ihrer Familie ab; der Ich-Erzähler, dem der Protagonist das Erlebte als Novelle anbietet, teilt ihm mit, dass er die Erzählung zu Ende dichten und dabei nicht das Mädchen in den Mittelpunkt stellen, sondern den Protagonisten psychologisch ausdeuten würde: „Ich würde darzustellen versuchen, wie aus dem Spiele Ernst wird, wie er das Spiel zu beherrschen glaubt, da das Spiel schon ihn beherrscht. … Ich ließe ihn unstet werden, ihr nachreisen, um sie zu sehen…“ (17); daraufhin reagiert der Protagonist zunächst harsch und abwehrend, erkennt aber schließlich die Wahrheit: „Sie mögen recht haben. … Ich sehe, es ist gefährlich, jungen Leuten in Sommernächten Geschichten zu erzählen“ (18).



„Unvermutete Bekanntschaft mit einem Handwerk“ (Brennendes Geheimnis, 320363): -ein Taschendieb, der an einem Aprilmorgen 1931 in Paris, „Ecke Boulevard Haussmann und Rue Drouot“ (322), vom (namenlosen) Ich-Erzähler bei seinem Tun beobachtet wird; „ein dürrer, ausgehungerter Körper, schlecht eingewickelt in ein kanariengelbes Sommermäntelchen, das ihm sicher nicht eigens auf den Leib 64

FIGUREN:

Protagonisten ohne Namen – R. [1]

geschneidert war… Alles an diesem armen Teufel schlotterte falsch und schlapp – schiefschultrig mit dünnen Clownbeinen schlich er bekümmerten Gesichts“ (325); „einer von den unzähligen Armen und Gejagten und Kranken und Jämmerlichen dieser schief gezimmerten Welt“ (347); gegen Mittag bestiehlt er eine einfache Frau aus dem Volk und geht, vom zunehmend faszinierten Ich-Erzähler gefolgt, in ein Gasthaus, wo er eine Flasche Milch trinkt; er begibt sich, weiter vom Ich-Erzähler verfolgt, ins Auktionshaus Hôtel Drouot, wo er schließlich ausgerechnet diesen zu bestehlen versucht, „seinen Gedankenfreund, den einzigen, der ihn kannte bis in die Tiefe seines Handwerks“ (359); instinktiv wehrt der Ich-Erzähler den Diebstahl ab, indem er die Hand des Diebes packt, diesen dann aber aus Mitleid laufen lässt; als der Ich-Erzähler ihm nachsetzt, um ihm Geld zu schenken, flieht der Dieb aus Angst, er werde doch noch angezeigt. --dessen Opfer: „eine ungewöhnlich dicke Frau, eine sichtlich arme Person. An der rechten Hand hielt sie zärtlich ein etwa elfjähriges blasses Mädchen, am linken Arm trug sie eine offene Einkaufstasche aus billigem Leder, aus der zwei der langen französischen Weißbrotstangen unbekümmert herausstießen“ – eine „brave Frau aus dem Volk“ (340). •

„Vergessene Träume“ (Verwirrung der Gefühle, 71-78): -eine Frau, die in einer Villa am Meer lebt; gut aussehend, verheiratet mit einem reichen Grafen, den sie aufgrund seines Titels und seines Vermögens zum Mann genommen hat; als ihre Jugendliebe, ein Mann, den sie seit vielen Jahren nicht mehr gesehen hat, sie in ihrer Villa besucht, werden Erinnerungen an früher lebendig: „Mit leisen Worten … sprachen sie von vergangenen Dingen, von vergessenen Gedichten, verwelkten Blumen, verlorenen und vernichteten Schleifen, kleinen Liebeszeichen, die sie sich … damals … gegenseitig gegeben“ (74); als er sein Bedauern über ihre Heirat mit dem Grafen – „den indolenten, immer erwerben wollenden Geldmenschen“ (75) – zum Ausdruck bringt, gesteht sie ihm ihre Motive, „ihr tiefstes Geheimnis“ (78): „Ich träumte mich immer als ein Königskind … Ich träumte von Luxus und Pracht, weil ich beides liebte. … Ich haßte mich, wenn ich in meinen Alltagskleidern war, … und blieb oft tagelang zu Hause, weil ich mich vor mir selbst in meiner Gewöhnlichkeit schämte … was meine Träume gewollt, hat mir mein Mann erfüllt, und eben weil er dies vermochte, ist er mein Gemahl geworden“ (77); anschließend denkt sie darüber nach, wie ein Leben mit ihrer Jugendliebe hätte sein können: „Und langsam, langsam, ganz unmerklich, stirbt das Lächeln auf ihren träumenden Lippen“ (78). --ihre Jugendliebe: ein Mann, der sie seit vielen Jahren nicht mehr gesehen hat und mittlerweile in Amerika lebt; hat dort von ihrer Verlobung und Heirat erfahren; besucht sie eines Tages in ihrer Villa; bedauert sie, weil sie seiner Meinung nach nicht zu ihrem Gatten passt.



„Zwei Einsame“ (Brennendes Geheimnis, 216-220): -ein Fabrikarbeiter, „noch nicht alt und durchaus nicht schwächlich“ (216), aber mit gelähmtem Fuß; „Sein Gebrechen hatte ihn längst daran gewöhnt, einsam zu sein, und in der Einsamkeit war er ein verschlossener Philosoph geworden, der das Leben mit der Gleichgültigkeit des Verzichtenden empfand“ (216); trifft auf dem Heimweg nach Feierabend auf der Landstraße auf eine weinende Frau, seine äußerst hässliche Arbeitskollegin Jula (siehe auch dort); tröstet sie, indem er ihr von seiner Behinderung und seinem davon herrührenden Leid erzählt.

R. [1]: Adressat des Briefes einer ihm unbekannten Frau, der (namenlosen) Protagonistin der Erzählung „Brief einer Unbekannten“ (Brennendes Geheimnis, 153-199); ein bekannter 65

FIGUREN:

R. [2] – R., Ferdinand

Romanschriftsteller; kehrt an seinem 41. Geburtstag von einem dreitägigen Gebirgsausflug nach Wien zurück, wo er in seiner Wohnung den Brief findet, „etwa zwei Dutzend hastig beschriebene Seiten …, ein Manuskript eher als ein Brief“ (153); die Absenderin entpuppt sich als ehemalige Geliebte, die ihn seit ihrer Kindheit abgöttisch verehrt und Mutter eines Kindes von ihm ist, wovon er nichts wusste; zum Zeitpunkt, als R. den Brief, in dem sie ihm dies gesteht, liest, ist sie bereits tot; auch nach der Lektüre des Briefes, der ihn sehr bewegt, kann er sich kaum an sie erinnern: „Er fühlte Erinnerungen des Gefühls und erinnerte sich doch nicht“ (198). R. [2]: Zweiter bzw. Binnen-Ich-Erzähler der Erzählung „Die unsichtbare Sammlung“ (Buchmendel, 230-247); „ein älterer Herr …, einer der angesehensten Kunstantiquare Berlins“ (230), seit 37 Jahren in diesem Metier tätig, das schon sein Vater und Großvater ausgeübt haben; berichtet die sonderbare Geschichte des erblindeten Kupferstichsammlers Herwarth, seines „wohl ältesten Kunden“ (231), den er gerade besucht hat, um ihm eventuell einige Kunstwerke abzukaufen; bei seinem Besuch stellt sich heraus, dass Herwarths Frau und Tochter aus Geldnot und ohne sein Wissen fast die gesamte Sammlung verkauft haben, um in den dem 1. Weltkrieg folgenden Zeiten der Inflation von den schnell dahinschmelzenden Erträgen das tägliche Leben fristen zu können; als Herwarth ihm stolz seine Sammlung zeigt, die überwiegend nur noch aus weißen Blättern und billigen Imitaten besteht, lässt R. sich auf Bitten der beiden Frauen nichts anmerken: „… es war grauenhaft und doch gleichzeitig rührend für mich, denn in all den Jahren des Krieges hatte ich nicht einen so vollkommenen, so reinen Ausdruck von Seligkeit auf einem deutschen Gesichte gesehen“ (244); erhält von Herwarth die Zusage, nach dessen Tod die Auktion seiner Sammlung übernehmen zu dürfen. R., Graf: Arbeitgeber der Protagonistin RuŜena Sedlak in der (Fragment gebliebenen) Erzählung „Wondrak“ (Buchmendel, 123-152), der er als Haushälterin sein abgelegenes und kaum genutztes Jagdhaus anvertraut (126). R., Gräfin: Bekannte von Baron Friedrich Michael von R. in der Erzählung „Phantastische Nacht“ (Phantastische Nacht, 172-243), der dieser beim Pferderennen im Prater mit „Taktlosigkeit und Tollwütigkeit“ (202) einen Sessel wegnimmt. R., Minister: Dienstherr von Léonard während dessen Pariser Zeit im Romanentwurf Clarissa; „außer Jaurès besaß keiner diese zündende Kraft; er war die blendendste Begabung“ (69). R., Ferdinand: Protagonist der Erzählung „Der Zwang“ (Buchmendel, 153-196); ein Maler „aus Kriegsland“ (154-155), der, um der Einberufung zum 1. Weltkrieg und „dieser Stickluft der patriotischen Phrase“ (157) zu entgehen, in die Schweiz geflohen ist und mit seiner Frau Paula in einem Häuschen über dem Zürichsee lebt; als ihm der Postbote die amtliche Aufforderung zustellt, sich „zur erneuten Untersuchung auf Ihre militärische Tauglichkeit“ (159) ins Konsulat nach Zürich zu begeben, überkommt ihn ein innerer Zwang, dieser Aufforderung Folge zu leisten: „ich will nicht, nichts will in mir. Aber gegen meinen eigenen Willen werde ich gehen“ (162); „Man kann das nicht erklären. Es ist irgendein Zwang: ich kann nicht die Kette zerbrechen, die zwanzig Millionen Menschen erwürgt“ (163); gegen den Willen und alle Argumente seiner Frau fährt er am nächsten Morgen in aller Frühe zum Konsulat in Zürich; er schafft es nicht, seinen sorgfältig durchdachten Plan, der Einberufung zu widersprechen, in die Tat umzusetzen, und nimmt „wie ein Stock“ (177) die bereits ausgefertigten Papiere und die Einberufungsorder entgegen; kehrt daraufhin nach Hause zu seiner Frau zurück, die ihm abermals ins Gewissen redet, der Einberufung nicht Folge zu leisten, und ihm sogar mit einem Ende ihrer Ehe droht – vergebens: „Paula, täuschen wir uns 66

FIGUREN:

R., Friedrich Michael Baron von

nicht. Es ist soweit! Man kann nicht aus sich heraus. Ich habe versucht, mich zu wehren. Es ging nicht“ (180); als er am nächsten Morgen zum Bahnhof aufbricht, hat seine Frau das Haus verlassen; sie erwartet ihn am Bahnsteig und versucht bis zum Schluss, ihn mit körperlicher Gewalt zurückzuhalten; er reißt sich von ihr los und steigt in den Zug, der ihn zur Grenze bringt; dort geht eine erste Veränderung in ihm vor: „Er spürte, wie, seit er die Grenze körperlich sah, diese Brücke zwischen Tod und Leben, etwas in ihm zu arbeiten begann, … ein Wissen in ihm wach werden wollte und ein Widerstand“ (193); als ein Zug mit verwundeten französischen Austauschgefangenen im Grenzbahnhof eintrifft – „Verstümmelte mit leeren Ärmeln, Abgezehrte und Halbverbrannte, Überreste einer Jugend“ (194-195) –, endet sein innerer Zwang: „Freiheit stieg hoch, selig und groß, und zerriß den Gehorsam“ (195); er kehrt um und fährt zurück zu seiner Frau: „er fühlte, nie war er mit seinem wirklichen Wesen hier weggegangen, und doch war ihm wie einem, der aus dem Tod wieder ins Leben tritt“ (196). R., Friedrich Michael Baron von: Protagonist und Ich-Erzähler der Erzählung „Phantastische Nacht“ (Phantastische Nacht, 172-243); fällt im Herbst 1914 als österreichischer Reserveoberleutnant in der Schlacht bei Rawaruska, woraufhin ein von ihm aufgeschriebenes Erlebnis vom 7. Juni 1913, das er als „Drehpunkt meiner ganzen Existenz“ (174) bezeichnet, veröffentlicht wird: Er ist zu diesem Zeitpunkt 36 Jahre alt, reich und unabhängig, „beliebt und gerne gesehen“ (177); bemerkt, dass allmählich „eine Art Erstarrung in mein Gefühl gekommen war, daß ich … an einer seelischen Impotenz, einer Unfähigkeit zur leidenschaftlichen Besitznahme des Lebens litt“ (178); dies ändert sich am 7. Juni 1913 in wenigen Stunden, als er sich nachmittags zum Pferderennen in den Prater fahren lässt: Dort weckt das Lachen einer Frau in ihm plötzlich erotisches Verlangen; er beginnt mit ihr zu flirten; die erotische Spannung löst sich ins Groteske, als er mit ihrem Mann Lajos zusammenstößt, so dass dessen Renntickets zu Boden fallen, worauf dieser sich bemüht, sie alle wieder vom Boden aufzulesen – „Ich hätte mir diese boshafte Szene am liebsten ins Unendliche verlängert“ (195); er nimmt ein Ticket an sich und löst es ein, wodurch er 180 Kronen gewinnt; nun regt sich sein Gewissen: „Denn dies war … gestohlenes Geld“ (199); als er es erneut setzen und verspielen will, gewinnt er wieder, diesmal 640 Kronen, wobei er nun beim Rennen schon leidenschaftlich mitfiebert; seinem Wunsch, nun weiterzuspielen, kann er nicht nachgeben, da es das letzte Rennen war: „Ich konnte mich nicht damit abfinden, daß jetzt, da alle meine Nerven sich spannten und bebten, … alles zu Ende sein sollte“ (205); „ich spürte, daß ich in jenen Minuten zum erstenmal seit Jahren und Jahren wirklich lebendig … war“ (208); er geht daraufhin in den Wurstelprater, wo er zu seinem eigenen Bedauern unter den einfachen Leuten wie ein Fremdkörper wirkt; lässt sich spätabends aus „Angst vor der Einsamkeit“ (224) mit einer Prostituierten ein, die ihn in eine Falle locken will; obwohl er ihre Absicht bemerkt, folgt er ihr: „Es reizte mich, in die letzte Kloake des Lebens hinabzusteigen, in einem einzigen Tage meine ganze Vergangenheit zu verspielen“ (230); schenkt ihr und ihren beiden Zuhältern aus plötzlichem Mitleid eine große Geldsumme: „Alles gehörte mir mit einem Male, … und Freude des Hingebens, des Verschwendens schwellte mich allem zu. O wie leicht ist es, fühlte ich, Freude zu machen und selbst froh zu werden“ (237); er verschenkt daraufhin den Rest seines vom Gewinn noch übrigen Geldes an Bedürftige: „Ich könnte nicht mehr sagen, wo und wie ich sie alle verstreute, die Banknoten …, und als die letzten Blätter weggeflattert waren, fühlte ich Leichtigkeit, … eine Freiheit, die ich nie gekannt. … Seitdem sind nun vier Monate vergangen, und die Starre von einst ist nicht wiedergekehrt, … ich spüre seit jener Stunde mein eigenes warmes Blut mit jedem Atemzuge und spüre es mit täglich erneuter Wollust des Lebens“ (240-241). -die Frau beim Pferderennen: „üppig und breitgehüftet, … die Haare leuchteten rötlichblond … diese Frau war schön, herausfordernd schön, … ein fleischgewordenes

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FIGUREN:

R., Paula – Riczitsch, Branco

Wollustfanal“ (190); verheiratet mit Lajos; lässt sich schamlos auf Baron R.s Flirt ein: „Offenbar spielte sie mit mir ebenso anteillos wie ich mit ihr“ (192). -die Prostituierte im Prater: „ein kleines, verkrüppeltes, rachitisches Wesen ohne Hut, mit einem geschmacklos aufgeputzten Fähnchen von Kleid“ (225); lockt Baron R. in eine Falle, worauf er sich, obwohl ihm dies bewusst ist, einlässt. R., Paula: Frau des Malers Ferdinand R. in der Erzählung „Der Zwang“ (Buchmendel, 153196); versucht mit allen Mittel, ihren Mann davon abzuhalten, der Einberufung zum Krieg Folge zu leisten: „Warum mußt du? Sie können dir in der Schweiz nicht befehlen. Hier bist du frei“ (161) – „ich war stolz auf dich, weil ich wußte, du würdest … dich nicht hergeben dazu, Menschen zu morden“ (161) – „Was bin ich dir? Nicht soviel wie ein Fetzen Papier“ (163); versucht ihrem Mann klarzumachen, dass der Krieg nichts ist als „Mord und Sklaverei“ (179): „Man kann seinem Volke gehören, aber wenn die Völker wahnsinnig geworden sind, muß man es nicht mit ihnen sein“ (179); „man muß „Nein“ sagen, das ist heute die einzige Pflicht und nicht die, sich schlachten zu lassen“ (181); stellt Ferdinand schließlich vor die Wahl: „Verläßt du mich, um einzurücken, um diesen uniformierten Mördern zu folgen, so gibt es keine Rückkehr. … du hast jetzt zu wählen“ (183); als Ferdinand dennoch aufbricht, versucht sie noch auf dem Bahnsteig, „mit ihm ringend“ (190), ihn vom Betreten des Zuges abzuhalten – vergeblich; empfängt ihn nach seiner einem plötzlichen Sinneswandel folgenden Rückkehr beglückt und voller Liebe. Rahel: die aus der Bibel bekannte Figur; Protagonistin der Erzählung „Rahel rechtet mit Gott“ (Rahel rechtet mit Gott, 56-73); „Erzmutter Israels“ (58); wacht aus ihrem Grab auf, als Gott sich über „das halsstarrige und wetterwendische Volk zu Jerusalem“ (56) erzürnt, und versucht, ihn milde zu stimmen, indem sie ihm ihre eigene Geschichte erzählt, „wie ich einstens meinem Zorn obsiegte“ (58): Beim Schafehüten im Land Haran lernt sie Jakob kennen und verliebt sich in ihn; als Jakob bei ihrem Vater Laban um ihre Hand anhält, lässt dieser ihn sieben Jahre um sie dienen („unendlich lang schien uns Ungeduldigen die Frist“, 60); anschließend will Laban Jakob betrügen, indem er ihm seine älteste Tochter Lea [2], verhüllt im Brautschleier, als Braut unterschieben will; Rahel belauscht die geplante List, warnt Jakob und macht mit ihm ein Zeichen aus, an dem er die richtige Braut erkennen soll; am Tag der Hochzeit sperrt Laban sie in den Speicher, wo Lea sie besucht und ängstlich um Hilfe anfleht; Rahels Zorn verwandelt sich daraufhin in Mitleid: „Als die meine fühlte ich meiner Schwester Angst mit einemmal innen, und nicht meiner dachte ich mehr, sondern einzig ihrer schreienden Not“ (65); sie verrät ihr daraufhin das mit Jakob verabredete Zeichen – ein dreimaliges Küssen auf die Stirn – und bietet an, sich in der Hochzeitsnacht in Jakobs Zimmer zu verstecken, um antworten und ihn mit ihrer Stimme täuschen zu können, falls Jakob zu seiner Braut spricht; auf diese Weise gelingt die List: „hart ward es mir, … und mir war, als läge ich lebendigen Leibes im Feuer, als jener liebend Lea umfaßte und meinte, mich zu nehmen“ (67-68); als der Betrug am nächsten Morgen offenbar wird, wandelt sich Jakobs anfängliche Wut in Erbarmen; Rahel appelliert abschließend an Gott: „wir alle, die wir nur Menschen sind, … bezwangen das Böse des Neidens – du aber, du Allmächtiger, … du wolltest dich nicht erbarmen?“ (71) – Gott erhört sie und gibt ihrem Wunsch um Verschonung Jerusalems statt. Raoul: Urlaubsbekanntschaft von Marion im Romanentwurf Clarissa; „ein bezaubernder junger Bursch, ganz zart, ganz fein anzusehen“ (25); freundet sich mit Marion an, zeigt ihr aber bald darauf die kalte Schulter – wahrscheinlich, weil sie ein uneheliches Kind ist. Riczitsch, Branco: fiktiver Komplize von Christine Hoflehner bei dem von ihr und Ferdinand Farrner geplanten Geldraub im Roman Rausch der Verwandlung; laut Ferdinands Plan soll 68

FIGUREN:

Robert – Salomonsohn

Christine Riczitsch am Tag des Raubes ein Telegramm nach Bukarest schicken, in dem sie ihr Kommen „mit ganzem Gepäck“ (303) für den kommenden Tag ankündigt, und dadurch eine falsche Spur legen. Robert: Onkel von Elisabeth, Kitty und Margot in der Erzählung „Geschichte in der Dämmerung“ (Verwirrung der Gefühle, 79-115); hat Elisabeth und Margot das achteckige Medaillon, „irgendeine Münze von einer amerikanischen Republik“ (110), geschenkt, das sie am Handgelenk tragen. Roderich: älterer Sohn von Franz [2] und Nelly im Roman Rausch der Verwandlung; Bruder von Joachim (218). Roland: siehe D., Roland v. Rosenfeld: Kunstliebhaber oder -händler aus Chikago im Roman Ungeduld des Herzens (147). Rosie: Mitschülerin von Clarissa Schuhmeister im Romanentwurf Clarissa; „ein unhübsches, im Winter pickeliges, im Sommer sommersprossiges, rothaariges Mädchen, das aufpasserisch hinter allen Neuigkeiten her war und deren unbändige Schwatzsucht sich bei jedem Anlaß betätigte“ (19); lässt Marion, ein uneheliches Kind, „heimtückisch“ (28) nach der Bedeutung der Vokabel „bâtard“ fragen; Marion schmettert ihr daraufhin einen Teller an die Stirn, „daß das Blut niederlief“ (29). Rosky, Herr und Frau: amerikanische Bekannte von Claire und Anthony van Boolen im Roman Rausch der Verwandlung (147). Salomonsohn: Protagonist der Erzählung „Untergang eines Herzens“ (Verwirrung der Gefühle, 145-181); ein wohlhabender 65-jähriger Kontorsbesitzer aus Süddeutschland, Geheimer Kommissionsrat, verheiratet, Vater der 19-jährigen Erna; er leidet schwer an Gallenkrämpfen; hat sein Leben lang gearbeitet, um seiner Frau und seiner Tochter ein luxuriöses und sorgenfreies Leben zu ermöglichen; verbringt mit seiner Familie über Ostern einen Urlaub in einem Hotel in Gardone am Gardasee; als er nachts aufgrund heftiger Schmerzen nicht schlafen kann, geht er im Hotelflur auf und ab und beobachtet, wie seine Tochter um vier Uhr morgens aus dem Zimmer eines fremden Mannes kommt – eine Entdeckung, die ihn schockiert: „Der alte Mann schauerte am ganzen Leib, so durchfrostete ihn das Entsetzen“ (147); „er stöhnte unwillkürlich auf, der alte Mann. „Diese Schande! diese Schande! … mein Kind, mein zartes, behütetes Kind mit irgendeinem Mann““ (149); er erkennt, dass er sich in seiner Aufopferung für seine Frau und Tochter von ihnen entfremdet hat: „Den ganzen Tag schufte ich für sie, sitze vierzehn Stunden im Kontor, … nur Geld für sie zu schaffen, Geld, Geld, damit sie schöne Kleider haben und reich werden … und abends, wenn ich heimkomme, müde, zerschlagen, da sind sie fort: im Theater, auf Bällen, in Gesellschaft … was weiß ich denn von ihnen, was sie treiben den ganzen Tag?“ (149); spricht (wie er sich selbst eingesteht: „Weil ich schwach bin … weil ich feig bin“, 150) weder seine Frau noch seine Tochter auf das nachts von ihm Beobachtete an; versucht herauszufinden, welcher der Hotelgäste der Liebhaber seiner Tochter ist – glaubt schließlich, dass es ein italienischer Offizier ist, der sich (zusammen mit Conte Ubaldi und Baron Medwitz, zwei weiteren Hotelgästen) ständig bei seiner Tochter aufhält; versucht vergebens, erst im Zorn, dann bittend, seine Frau zur sofortigen Abreise zu bewegen; daraufhin beginnt „allmählich … der Untergang seines Herzens“ (169): Am nächsten Morgen reist er alleine zurück, wobei er das Angebot seiner nun erschrockenen Frau, mitzukommen, zurückweist; Briefe seiner Frau 69

FIGUREN:

Salomonsohn, Erna – Schuhmeister, Clarissa

und Tochter beantwortet er nicht, so dass sie den Urlaub abbrechen und ebenfalls nach Hause reisen; dort begegnet er beiden gleichgültig und entzieht sich jeder Aussprache: „Er fragte nach niemandem, merkte im eigenen Haus nicht die dumpfe Verzweiflung der Frau, die ratlose Frage der Tochter“ (176); er verfällt zunehmend und hält sich fast nur noch in seinem Zimmer auf: „Schließlich ließen sie ihn allein, man gewöhnte sich ab, nach ihm zu fragen, und er fragte nach nichts“ (178); als seine Anfälle zunehmen, unterzieht er sich einer Operation; seinen Tod vorausahnend, spendet er zuvor noch eine große Summe für wohltätige Zwecke; als er aus der Narkose erwacht, kommen seine Frau und seine Tochter an sein Krankenbett; als seine Tochter sich über ihn beugt, stößt er sie mit verzerrten Zügen weg; bald darauf stirbt er im Krankenhaus. -seine Frau: „schwerfällig und stark“ (161); führt vom Geld ihres Mannes ein luxuriöses Leben; verhält sich ihrem Mann gegenüber kalt und bestimmend; sein Auftreten im Hotel ist ihr peinlich („Wirklich eine Schande, wie er herumgeht, immer die Kleider zerdrückt, mit offenem Kragen“, 172); siehe auch oben. Salomonsohn, Erna: einzige Tochter des Protagonisten der Erzählung „Untergang eines Herzens“ (Verwirrung der Gefühle, 145-181); 19 Jahre alt, blond und gut aussehend; durch das Geld ihres Vaters an ein luxuriöses, sorgloses Leben gewöhnt; hat eine Affäre mit einem Gast des Hotels in Gardone, in dem sie mit ihren Eltern Urlaub macht; siehe auch unter Salomonsohn. Schönberg, Graf: Kunde von Jakob Mendel in der Erzählung „Buchmendel“ (Buchmendel, 197-229); ehemaliger Statthalter von Steiermark, „fanatischer Sammler heraldischer Werke“ (221). Schönthaler, Baron: Kamerad von Anton Hofmiller im Roman Ungeduld des Herzens (415). Schramek: Zimmernachbar von Bertold Berger in der Erzählung „Scharlach“ (Brennendes Geheimnis, 86-152); Jurastudent und Burschenschaftler, wird von Berger wegen seiner männlichen Art bewundert; „Er war eine kräftige, bäurisch derbe Gestalt, einem Arbeiter mehr ähnlich als einem Studenten“ (91); Berger gegenüber herzlich, aber oberflächlich und eigentlich nicht an diesem interessiert; nennt Berger „Bubi“; besteht trotz schlechter Vorbereitung sein Examen; ist an Bergers Sterbebett anwesend; siehe auch unter Bertold Berger. Schuhmeister, Clarissa: Protagonistin des Romanentwurfs Clarissa; Tochter von Leopold Franz Xaver Schuhmeister; geboren 1894 in einem „kleinen galizischen Garnisonstädtchen“ (7) – ihre Mutter stirbt bei der Geburt; Clarissa wächst bei ihrer Großmutter, „einer selbst schon hinfälligen Frau“ (7), und nach deren Tod bei „einer älteren Stiefschwester ihres Vaters“ (8) auf; kommt 1902, im Alter von acht Jahren, „in das Internat einer nahe bei Wien gelegenen Klosterschule“ (8), wo sie die nächsten zehn Jahre verbringt; erstattet in dieser Zeit ihrem Vater auf dessen Wunsch hin täglich Bericht, „indem sie vermerkte, was sie in jeder Unterrichtsstunde gelernt, welche Bücher sie gelesen, welche Stücke sie auf dem Klavier geübt“ (11); wird während der Schulzeit einmal monatlich, jeweils am vierten Sonntag, „mit methodischer Genauigkeit in genauem Abstand“ (14) von ihrem Vater besucht, der sie und ihre Schulhefte prüft; sie erwartet seinen Besuch jeweils mit Unruhe, aber im Hinblick auf ihre Schulkameradinnen auch mit Stolz, da „der Oberstleutnant weitaus der imposanteste der Väter“ (15) ist; freundet sich in der Schule mit Marion an, der sie in den Ferien Nachhilfe gibt, die das Internat aber bald nach einem Skandal verlassen muss; Clarissa verlässt die Klosterschule im Mai 1912, vor dem regulären Ende des Schuljahres und ihrer Schulzeit, auf Wunsch ihres Vaters; erhält von ihrem Vater nach dessen erzwungenem Abschied aus der 70

FIGUREN:

Schuhmeister, Clarissa

Armee die Hälfte des Vermögens seiner Frau, das diese einst in die Ehe gebracht hat und das sich mittlerweile auf etwas 36.000 Kronen beläuft; auf Ratschlag von Dr. Ebeseder, einem Freund ihres Vaters, beschäftigt sie sich nun mit verschiedenen Bereichen der Pädagogik, um sich beruflich zu orientieren: „Sie ließ sich einschreiben ganz allgemein, machte einen Säuglingspflegekurs durch, hörte die Vorlesungen auf der Universität für Pädagogik, arbeitete in den Hospitälern, besuchte Vorträge und machte sich mit den verschiedensten Erziehungsmethoden vertraut“ (44); erkennt, „daß Menschen zu dienen, ihr eine Freude war, durch die sie sich freier fühlte“ (45); besucht auch die Vorlesungen des Nervenarztes Professor Silberstein, der sie, beeindruckt durch ihre Fähigkeit, seine Vorlesungen schriftlich zu konzentrieren, als Sekretärin und Assistentin anstellt: „mit zwanzig Jahren war ihr ein Beruf zugefallen, der ihr nicht nur reichlich die Existenz sicherte, sondern an dem sie auch leidenschaftlich interessiert Anteil nahm“ (49); bewundert an Silberstein die „Beweglichkeit und Rapidität seines Intellekts, die Unermüdlichkeit seiner Arbeit sowie die Kunst, seine Zeit bis zur letzten Minute auszunutzen“ (49); nimmt im Juni 1914 an Stelle Professor Silbersteins, der andere Verpflichtungen hat, und auf seine Kosten am pädagogischen Kongress „L`éducation nouvelle“ (60) in Luzern teil: „Zum ersten Mal war sie auf sich gestellt. Es war ihre erste Reise, bei der sie in einem fremden Bett schlief“ (62); lernt dort den Organisator des Kongresses Léonard, einen Gymnasiallehrer aus Dijon, kennen; teilt diesem auf dessen Wunsch ehrlich und aufrichtig ihre durchaus kritischen Eindrücke vom Kongress mit; übernimmt am 28. Juni, dem Tag der Ermordung des österreichischen Thronfolgers Franz Ferdinand, als es auf dem Kongress durch die Abreise der österreichischen Teilnehmerin Dr. Kutschera, die die Abschlussrede halten sollte, zum Eklat zu kommen droht, diese Rede, worauf der Kongress „in glücklichster Form“ (81) endet; kommt Léonard während des Kongresses näher („Das Ruhige, das Menschliche in ihm sprach sie an“, 86 – „Sein Blick war der erste gewesen, den sie gern zu sich genommen und bei dem sie eine Art Zärtlichkeit gefühlt“, 87); stimmt gerne zu, als Léonard ihr vorschlägt, nach dem Kongress „noch ein paar Stunden, ein paar Tage … als gute Kameraden“ (86) gemeinsam in den Schweizer Bergen und in Italien zu verbringen: „Es wurde ein Beisammensein von größter Innigkeit ohne die äußern Gesten wilder Leidenschaft; nach zwei Tagen, die sie beisammen waren, war es, als ob es nie anders gewesen wäre und nie anders sein könnte“ (87); Clarissa fühlt dankbar, dass Léonard „die Bedrückung und Ängstlichkeit, die Hemmungen in ihr aufschloß, denn dadurch würde dieses Mit-sich-allein-Sein und Verhalten-Sein aufhören“ (88); „Clarissa hatte eine solche Art Glück nie gekannt“ (90); „Zum erstenmal war sie der Welt wirklich aufgetan“ (91); in Brescia erreicht sie ein Brief ihres Vaters, in dem er ihr seine Rückkehr nach Wien auf seine alte Stelle beim Militär mitteilt; sie bietet Léonard, nachdem sie vom Ausbruch des 1. Weltkriegs erfahren haben, an, ihn als seine Frau nach Frankreich zu begleiten, was dieser aber ablehnt; daraufhin trennen sie sich in Zürich, Clarissa fährt nach Wien zurück; dort erkennt sie mit Hinblick auf ihren französischen Geliebten angesichts des Patriotismus ihres Vaters und der Kriegsbegeisterung ihres Bruders, „daß sie einsam jetzt sein würde für Jahre und Jahre. … Nicht dem Bruder und nicht dem Vater konnte sie sich anvertrauen“ (101); meldet sich auf Wunsch ihres Vaters zum Pflegedienst an die Front, wo sie sich aufopferungsvoll um die Verwundeten kümmert: „sie arbeitete bis zur Erschöpfung, und über die Erschöpfung hinaus“ (107); erfährt am 19. Oktober durch ein Telegramm ihres Vaters, dass ihr Bruder in Serbien gefallen ist, worauf sie in Ohnmacht fällt; wird durch den Lazarettarzt Dr. Ferleitner auf die Idee gebracht, dass sie schwanger sein könnte, worauf sie geschockt reagiert: „Es war unausdenkbar, ein Kind eines Franzosen zu erwarten, das Kind eines Feindes, und dies zu bekennen“ (109); sie nimmt sich Urlaub und fährt nach Wien, wo sie einen Frauenarzt aufsucht, der ihr die Schwangerschaft bestätigt; Clarissa möchte, um ihrem Vater die „Schande“ (113) zu ersparen, das Kind abtreiben, und wendet sich an Professor Silberstein; dieser bietet ihr zwar volle Unterstützung an, kann sie aber vom Gedanken an eine Abtreibung abbringen; über seinen Vorschlag, sie solle das Kind in seinem 71

FIGUREN:

Schuhmeister, Eduard

Haus in Klein-Gmain zur Welt bringen, wo Frau Hausner, eine ihm ergebene Bäuerin, sich um Clarissa und das Neugeborene kümmern könnte, ist sie dankbar; kehrt anschließend zurück ins Feldlazarett an die Front, entschlossen, ihr Kind auf die Welt zu bringen; beobachtet auf Bitte von Dr. Ferleitner den mit einer Nervenstörung eingelieferten Gottfried Brancoric, den Ferleitner für einen Simulanten hält; sie widmet sich Brancoric, in dessen Gesicht sie wiederholt „eine grauenhafte Angst“ (128) bemerkt, und empfindet „unermeßliches Mitleid mit ihm“ (128); schließlich entdeckt sie, dass Brancoric ein Brechmittel nimmt, um sich krank zu stellen, und stellt ihn zur Rede; als er ihr seine Feigheit gesteht und sie erkennt, dass seine Angst echt ist, verrät sie ihn nicht; als er, schließlich für kriegsuntauglich befunden, sie bittet, ihn zu heiraten, lehnt sie zunächst ab („Es kam ihr vor wie ein Verbrechen gegen Léonard, wenn jemand um sie werben konnte“, 141); auf einer Cabaret-Veranstaltung des Kriegspressequartiers trifft sie ihre Schulfreundin Marion, die mittlerweile als Operettendiva auftritt: Diese erzählt ihr, dass sie ihre Mutter, die sie als uneheliches Kind auf die Welt brachte, mittlerweile verachtet, was Clarissa sehr betroffen macht; aus Angst vor der Geburt eines unehelichen Kindes denkt sie an Selbstmord mittels Gift und beschließt, Brancoric zu bitten, ihr Morphium zu besorgen; zunächst teilt sie ihm aber hinsichtlich der ihr von ihm angebotenen Heirat mit, dass sie schwanger ist, was ihn aber nicht weiter stört: Er erhält sein Heiratsangebot weiter aufrecht, bis sie es schließlich annimmt; sie geht mit Brancoric eine „Scheinehe“ ein, die ihm „keine Rechte gibt“ (157), und besteht darauf, ihm ihr von der Mutter ererbtes Vermögen zu überschreiben; durchlebt dabei einen Taumel der Gefühle: „Sie empfand alles zugleich: Unbehagen, Grauen, Leichtigkeit … Sie lebte und sie durfte es, und auch ihr Kind durfte leben“ (161); sie zieht in Brancorics Wohnung; bringt ihr Kind 1915 zur Welt und tauft es auf den Namen Leonard Leopold Brancoric; nimmt nachmittags den Dienst bei Professor Silberstein wieder auf, während eine alte Dienerin das Kind betreut; empfindet es als Glück, dass ihr Mann nicht bei ihr wohnt, sondern in ganz Europa herumreist; empfindet Angst und Scham, als Alois Huber, ein Komplize ihres Mannes, auf dessen Anweisung Schmuggelgut bei ihr versteckt und „schmutzige Geschäfte“ (170) abwickelt: „Es war das erste Mal, daß sie verstrickt war seit sie … Brancorics Namen trug“ (169); „Sie dachte auch an ihren Mann. Sie hatte einen Verbrecher geheiratet“ (171); als ihr Sohn aufgrund des Lebensmittelmangels 1917 erkrankt, bittet sie trotz ihrer Aversion gegen Alois Huber diesen um Hilfe bzw. geschmuggelte Lebensmittel, mit denen sie ihr Kind wieder aufpäppelt; nach Kriegsende schreibt sie Léonard, dem Vater ihres Kindes, erhält aber keine Antwort; Anfang 1919 kehrt ihr Mann Brancoric, der in einem türkischen Gefängnis gesessen hatte, zu ihr zurück; durch einen Betrug Alois Hubers ist er pleite und findet keine Arbeit; als Clarissa ihn tröstet, wird er gegen ihren Willen mit ihr intim: „Sie schämte sich vor sich selbst, weil sie doch Léonard liebte. Aber warum hatte er sie vergessen?“ (183); erst 1921 erfährt sie von ihrem Vater, dass Léonard nach Kriegsende fünf Briefe an ihre alte Adresse geschrieben hat, die ihr Vater aus Erbitterung über ihre Verbindung zu einem Franzosen („Du bist eine Spionin“, 184) nicht an sie weitergeleitet hat: „Jetzt war es zu spät, sie mußte die Lüge weiterleben, ihr Kind mußte sie glauben lassen, daß er der Sohn eines anderen sei“ (184); für Clarissa folgen nun von 1921 bis 1930 „die toten Jahre. Sie hatte nur das Kind.“ (185 – letzter Satz des Romanentwurfs) Schuhmeister, Eduard: zwei Jahre älterer Bruder von Clarissa im Romanentwurf Clarissa; geboren 1892; wächst nach dem Tod seiner Mutter bei der jüngeren Stiefschwester seines Vaters auf; wird 1902, im Alter von zehn Jahren, auf die Kadettenschule geschickt; besucht Clarissa gelegentlich in der Klosterschule, wo er sich bald als „Hahn im Korbe“ (18) fühlt; „Ebenso unbefangen als sein Vater gehemmt war“ (18); erhält von seinem Vater nach dessen erzwungenem Abschied aus der Armee die Hälfte des Vermögens seiner Frau, das diese einst in die Ehe gebracht hat und das sich mittlerweile auf etwas 36.000 Kronen beläuft; zieht zu Beginn des 1. Weltkriegs voller Begeisterung ins Feld („Was für famose Burschen wir sind. 72

FIGUREN:

Schuhmeister, Leopold Franz Xaver – Sedlak, RuŜena

… Verlaß dich darauf, wir werden sie unterkriegen. Diese Banditen, die Serben, schlagen wir zu Brei. Und dann geht`s gegen die Franzosen, die alles angezettelt haben“, 100); fällt im Oktober 1914 in Serbien. Schuhmeister, Leopold Franz Xaver: Vater von Clarissa und Eduard im Romanfragment Clarissa; seit der Geburt von Clarissa, bei der seine Frau starb, Witwer; zunächst Hauptmann des Generalstabs; wird 1902 als Militärattaché nach Petersburg geschickt, steigt anschließend zum Oberstleutnant im Generalstab auf; gilt „in den höheren militärischen Kreisen als einer der geschultesten und kenntnisreichsten Theoretiker und Taktiker“ (8); „Schuhmeister, ein zäher, verbissener Arbeiter, ziemlich scheu und ungelenk unter dem Anschein äußerer Härte, sah im Aufbau eines systematisch angelegten Informationsdienstes die Vorbedingung kriegerischen Erfolgs“ (9); sammelt deshalb „alle denkbaren Daten über die auswärtigen Armeen“ (9); eine „Autorität …, die man … im Ausland beachtete, mehr noch und sogar fürchtete“ (9); veröffentlicht seine Erkenntnisse in den „Militärstatistischen Tabellen“ (10); „selbst zu den Seelen seiner Kinder suchte er, gehemmt in seiner Zärtlichkeit und ungeschickt im Wort, seine väterliche Liebe nicht anders vorzudrängen, als indem er von ihnen ständigen schriftlichen Rapport über ihren Lebens- und Bildungsgang … abforderte“ (11); „Nur gewohnt an dienstlichen Umgang, … wußte der hohe schimmernde Mann nie mit dem scheuen und verlegenen Kinde [Clarissa] ein herzliches und persönliches Gespräch anzuknüpfen“ (16); nimmt im Alter von 58 Jahren, nach fast 40 Dienstjahren, „nicht freiwillig“ (34) seinen Abschied aus der Armee, nachdem er auf „die Schwäche in einigen Punkten unserer eigenen Ausrüstung“ (34-35) und die „artilleristische Unzulänglichkeit“ (36) hingewiesen und sich durch diese Kritik unbeliebt gemacht hat; verlässt Wien und zieht nach Berlin, um dort weiterhin an seinen statistischen Tabellen zu arbeiten; überlässt Clarissa und Eduard seine Wiener „Dreizimmerwohnung im vierten Stock“ (32) in der Spiegelgasse sowie das um Zinsen vermehrte Vermögen seiner Frau, das diese einst in die Ehe gebracht hat; bricht beim Abschied in Clarissas Armen in Tränen aus: „Er hatte zuviel in sich hineingeschwiegen und hineingefressen“ (40); kehrt nach der Ermordung Franz Ferdinands und noch vor Ausbruch des 1. Weltkriegs nach Wien zurück, wo er wieder seine alte Stelle beim Militär übernimmt; wirkt nach Kriegsausbruch „übermüdet und sorgenvoll“ (99); wird vom Tod seines Sohnes Eduard schwer getroffen: „Es war etwas tot in ihm“ (112); arbeitet, als der Krieg weiter fortschreitet, für den Verpflegungsdienst; wird für seine exakten Berechnungen ausgezeichnet: „Endlich hatte man … anerkannt, was er als Statisticus geleistet“ (171); wird nach Kriegsende „Hart und böse. Der Krieg hatte ihn zu Stein gemacht“ (184); bezeichnet Clarissa als „Spionin“ (184), da Briefe von Léonard an sie bei ihm eingetroffen sind, die er aus Ärger über den angenommenen Verrat nicht an Clarissa weitergeleitet hat. Sedlak, Karel: Sohn der RuŜena Sedlak und eines unbekannten Vaters in der (Fragment gebliebenen) Erzählung „Wondrak“ (Buchmendel, 123-152); arbeitet als Holzfäller im Wald; entzieht sich auf Wunsch seiner Mutter der Einberufung zum 1. Weltkrieg und versteckt sich bei ihr, wird aber schließlich doch entdeckt und eingezogen; siehe auch unter RuŜena Sedlak. Sedlak, RuŜena: Protagonistin der (Fragment gebliebenen) Erzählung „Wondrak“ (Buchmendel, 123-152); uneheliche Tochter „eines syphilitischen Brauknechtes“ (124); lebt in der Nähe des südböhmischen Städtchens Dobitzan, wo sie aufgrund ihrer schon im Mutterleib eingedrückten Nase unter dem Namen „Der Totenkopf“ (123) bekannt ist; „dumpf und trägen Sinnes“ (125); hat eine Stelle als Haushälterin im kaum genutzten Jagdhaus des Grafen R., „acht Fußstunden weit von der Stadt und vollkommen abgelegen von jeder menschlichen Begegnung“ (125-126); wird im Jahr 1899 von drei fremden Männern, „Holzdiebe vielleicht oder Wilddiebe oder Zigeuner“ (127), vergewaltigt und bringt daraufhin 73

FIGUREN:

Sergej – Silberstein, Professor

einen Sohn, Karel, zur Welt, der „zu einem breitnackigen, braunen hübschen Jungen mit einer kecken, neugierigen Nase und flinken geraden Beinen“ (131) heranwächst und ihr Ein und Alles ist: „Außer ihm kannte sie nichts“ (133); auf Druck des Gemeindeschreibers Wondrak lässt sie ihren Sohn zunächst taufen und amtlich erfassen und schickt ihn später auch zur Schule; den Vorschlag des Pfarrers Nossal, ihn auf eine weiterführende Schule zu schicken, lehnt sie ab, da sie ihn bei sich behalten möchte; verdingt ihn stattdessen als Holzfäller: „Es war schwerer Dienst, aber näher von ihr, bloß vier Stunden von ihrem Forst“ (133); als ihr Sohn, mittlerweile 18 Jahre alt, im Rahmen der Einberufungen zum 1. Weltkrieg gemustert und eingezogen werden soll, lässt sie ihn schwören, ihr zu gehorchen, und versteckt ihn bei sich im Jagdhaus; in Dobitzan verbreitet sie, Karel sei nach Budweis eingezogen worden und als Soldat auf dem Weg nach Italien; als Wondrak sie vor einem Gendarmeriekommando warnt, das nach Deserteuren sucht, eilt sie sofort zum Jagdhaus und versteckt ihren Sohn, der ihr in allem folgt, im „dichtesten, unzugänglichsten Teil des Forstes“ (141); kurz darauf, um fünf Uhr morgens, erscheinen die Gendarmen, durchsuchen das Haus und finden Karel schließlich mit Hilfe eines Spürhundes; als er abgeführt werden soll, appelliert seine Mutter zuerst an das Gewissen des Gendarmerieoffiziers, dann greift sie ihn tätlich an und verletzt ihn; sie wird mit ihrem Sohn abgeführt; in Dobitzan, wo sie mittags eintreffen, werden beide eingesperrt; RuŜena Sedlak soll am nächsten Tag wieder freigelassen, ihr Sohn nach Budweis gebracht werden. Sergej: russischer Soldat im Roman Rausch der Verwandlung; führt Ferdinand Farrner während dessen sibirischer Kriegsgefangenschaft aus Mitleid eine Frau aus dem Dorf zu; dickstirnig, schwer und gutmütig (247). Siegenfeld: Kunde von Jakob Mendel in der Erzählung „Buchmendel“ (Buchmendel, 197229); „der frühere Dekan der theologischen Fakultät, … der an einem Kommentar des Augustinus arbeitete“ (221). Silberstein, Professor: bekannter Nervenarzt im Romanentwurf Clarissa; 55 Jahre alt; jüdischer Abkunft; verheiratet, Vater eines 15-jährigen Sohnes, der später im 1. Weltkrieg verwundet wird; „er hatte ein scharfes Gesicht und war als blendender Redner bekannt … Vor allem literarisch war er versiert; Dostojewski und Poe waren für ihn entscheidend, zwischen ihren Werken stellte er Beziehungen her. … seine Gestalt war hager, ja mager, er ging etwas zu hoch vorgebückt. Seine Nase war zu groß. Sein Haar war sehr schwarz, so daß seine ganze Erscheinung sehr scharf wirkte. Zugleich hatte sie etwas Asketisches“ (45); zeichnet sich aus durch „Beweglichkeit und Rapidität seines Intellekts, die Unermüdlichkeit seiner Arbeit sowie die Kunst, seine Zeit bis zur letzten Minute auszunutzen“ (49); arbeitet an einem Werk mit dem Titel „Die Neurosen der Völker“ (49), seinem Lebenswerk; ist „sowohl bei Kollegen als bei seinen Patienten nicht recht beliebt …; er hatte … eine brüske, oft sogar grobe Art gegenüber seinen Patienten und liebte es …, die Leiden und Klagen zu bagatellisieren“ (50); bewundert Freud und „seine geniale geistige Kraft, seinen Mut, seine menschliche Anständigkeit“ (53), unterscheidet sich fachlich aber von ihm: „Freud will die Menschen auf die Causa ihrer Verstörung bringen, ich will sie davon wegbringen“ (53); macht die Protagonistin Clarissa Schuhmeister, beeindruckt durch ihre Fähigkeit, seine Vorträge konzentriert und konzise schriftlich wiederzugeben, zu seiner Assistentin und Sekretärin; „bald gewöhnte sich der Gelehrte so sehr an ihre Hilfe, daß ihre Tätigkeit die ganzen Nachmittage und oft die Abende in Anspruch nahm“ (49); lässt Clarissa an seiner Stelle und auf seine Kosten am pädagogischen Kongress „L`éducation nouvelle“ (60) in Luzern teilnehmen, da er andere Verpflichtungen in Edinburgh hat; betrachtet den 1. Weltkrieg als „ein Verbrechen und eine Dummheit“ (103): „Für mich gibt es keine französischen, keine russischen, keine österreichischen Nieren, und Feinde sind in Blutpartikeln nicht 74

FIGUREN:

Simche – Sporschil

nachweisbar“ (103); bringt Clarissa, als diese ihn um Hilfe bei der Abtreibung ihres Kindes bittet, davon ab: „Sie dürfen etwas nicht aus einer momentanen Scheu tun, was Sie späterhin bereuen könnten. … Sie haben sich frei hingegeben … Sie haben dieses Kind gewollt“ (116117); bietet ihr seine Hilfe an: Sie solle das Kind in seinem Haus in Klein-Gmain zur Welt bringen, wo die ehemalige Besitzerin Frau Hausner, eine ihm ergebene Bäuerin, der er das Haus einst abgekauft hat, sich um Clarissa und das Neugeborene kümmern könnte; verfasst eine Broschüre gegen den Krieg, in der er festhält, „Wissenschaft sei international, übernational; ein geistiger Mensch habe abseits zu stehen, habe sich nicht einzumengen“ (124); wird daraufhin aus der Akademie ausgeschlossen. Simche: ein in Rom lebender Jude in der Erzählung „Der begrabene Leuchter“ (Rahel rechtet mit Gott, 74-191); „Schreiner, ein arg verwachsener Mann“ (89); weist auf die Risiken für die Juden hin, sollten sie alle der von den Vandalen geraubten Menorah zum Hafen folgen; Rabbi Elieser beschließt daraufhin, dass „nicht alle … ihr Leben wagen“ (89-90) sollen, sondern nur die Ältesten. Simczic, Graf: Förderer des jungen Mirko Czentovic in der Erzählung „Schachnovelle“ (Buchmendel, 248-314); ein „Fanatiker des Schachspiels“ (252); finanziert die Ausbildung Czentovics bei einem Wiener Schachmeister. Sophia: Tochter des Herilunt und einer Krämerin, Zwillingsschwester von Helena und mit ihr Protagonistin der Erzählung „Die gleich-ungleichen Schwestern“ (Verwirrung der Gefühle, 116-144); lebt mit ihrer Mutter und Schwester in der Hauptstadt Aquitaniens; sie und Helena „hatten … von der Mutter die strahlende Schönheit geerbt und waren so zwiefach ähnlich einander in Gestalt und Anmut der Rede, daß man vermeinte, hier blicke als lebender Spiegel ein liebliches Bild das andere an“ (119); „Wie aber von der Mutter die stürmische Schönheit, so hatten … die Zwillingsschwestern von ihrem Vater auch jenen Unband von Ehrgeiz und Herrschsucht geerbt, so daß jede von ihnen die andere … in jeder Beziehung zu übertreffen strebte. …. Keine gönnte der anderen ein Lob, eine Zärtlichkeit, ein besseres Gelingen“ (120); wie ihre Zwillingsschwester unzufrieden „mit dem niederen Stand ihrer Mutter“ (121) und ihrer Armut; als ihre Schwester eine reiche und begehrte Hetäre wird, beschließt Sophia, „gerade das in eine Kostbarkeit zu verwandeln, was ihre Schwester vorzeitig verschwendete, und ihre Tugend ebenso sichtlich zur Schau zu stellen wie jene Buhlerin den jungen Leib“ (125): Sie wird Novizin in einem Orden und widmet sich „der Wartung und Pflege der Gebrestigen im Siechenhause“ (126); aus Ehrgeiz und Missgunst überlegen beide, „die eine die Reichste … und die andere die Reinste der Stadt, … welcher Art sie einander Abbruch tun könnten“ (129); „in ihrem unbändigen Hochmut“ (131) und um zu beweisen, dass sie jedem Mann widerstehen kann, stimmt Sophia zu, eine Nacht mit Sylvander, einem der zahlreichen Geliebten ihrer Schwester, zu verbringen; sie erliegt ihm prompt; „ebenso rasch umgewandelt wie umgewandet“ (140), schließt sie sich nun ihrer Schwester an und lebt mit ihr als Hetäre: „und bald war diese Stadt berüchtigt … als ein neues Sodom dank der schlimmen Gegenwart der endlich einig gewordenen Schwestern“ (141); als beide älter und für ihr Gewerbe untauglich werden, vollzieht sich, ausgelöst durch Sophia, „eine wunderbare Umkehr des Sinnes“ (142): Beide ziehen sich in ein Frauenkloster zurück und vermachen ihr Vermögen dem Hospital ihrer Heimatstadt, womit dort „ein neues und herrliches Siechenhaus zu Schmuck und Krönung der Stadt“ (143) gebaut wird. Sporschil: Toilettenfrau im Café Gluck in der Erzählung „Buchmendel“ (Buchmendel, 197229); „weißhaarig, zerrauft“ (213), die einzige Mitarbeiterin des Cafés, die den Protagonisten Jakob Mendel noch kennt: „kaum daß ich nach Jakob Mendel fragte, starrte sie mich mit

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FIGUREN:

Standhartner – Theodor

vollen, geradezu strömenden Augen an“ (214); tritt (vergebens) für Mendel ein, als er von der Geheimpolizei verhaftet wird; erzählt dem Ich-Erzähler von Mendels Schicksal und Ende. Standhartner: ehemaliger Besitzer des Cafés Gluck in der Erzählung „Buchmendel“ (Buchmendel, 197-229); hat das Café nach dem 1. Weltkrieg „für achtzigtausend rasch zerblätterte Papierkronen“ an Florian Gurtner verkauft. Steinhübel, Graf: Freund von Anton Hofmiller im Roman Ungeduld des Herzens; Rittmeister (24) und „Pferdenarr“ (368); erhält einen Rüffel von Oberst Bubencic, als ihm bei einer Übung sein neu erworbenes Pferd durchgeht; überlässt dieses Pferd gerne Hofmiller, der es, um sich abzureagieren, zureiten will. Strodtmann, Frau Geheimrat: Gast im Palace Hotel in Pontresina im Roman Rausch der Verwandlung; Witwe eines berühmten Chirurgen; „Ihr Rollstuhl (die alte Frau war gelähmt) galt unbestritten als Auskunftei aller gesellschaftlichen Neuigkeiten und vor allem als letzte Instanz, die zwischen zulässig und unzulässig endgiltig entschied; diese militante Nachrichtenstelle im heimlichen Krieg aller gegen alle arbeitete Tag und Nacht mit fanatischer Präzision“ (135); sie verbreitet die Wahrheit über die Herkunft der Protagonistin Christine Hoflehner, die im Hotel unter falschem Namen auftritt, im ganzen Hotel. Sturz(entaler), Peter: ehemaliger Schauspieler in der Erzählung „Die spät bezahlte Schuld“ (Phantastische Nacht, 39-69), der als heruntergekommener Armenhäusler sein Alter in einem Tiroler Bergdorf in der Nähe von Bozen verbringt, aus dem sein Vater, ein Holzfäller, stammte; wird dort von den Einheimischen, die über seine Vergangenheit nicht Bescheid wissen, verächtlich behandelt; „Er mochte etwa fünfundsechzig Jahre alt sein, war stark beleibt … Ein Schlagfluß mußte die eine Körperseite leicht gelähmt haben, denn auch sein Mund war nach dieser Seite hin schief verzogen, und auch über dem linken Auge hing das Lid sichtlich tiefer und schlaffer herab … er trug … gelbe schlottrige Pantalons, die einmal weiß gewesen sein mochten, sowie einen Rock, der ihm offenbar seit Jahren zu eng geworden war und an den Ellbogen gefährlich glänzte … Etwas Heruntergekommenes war in seinem ganzen Aufzug … Die Stirn … hatte etwas Gebietendes, aber knapp unter den buschigen Augenbrauen begann schon der Verfall“ (47); hatte früher zwei Jahre lang am Stadttheater in Innsbruck gespielt, wo er viele jugendliche Verehrerinnen hatte, u.a. die Protagonistin Margaret, die ihm nun als altem Mann in einem Gasthaus in dem Tiroler Bergdorf wiederbegegnet und sich daran erinnert, dass er einst „eine gefährliche Minute lang mein ganzes Leben in Händen gehabt“ (56); aus Dankbarkeit verschafft sie ihm bei den Dorfbewohnern Achtung, indem sie ihn respektvoll und ehrfurchtsvoll als „Hofschauspieler Sturz“ (65) anspricht und sich mit ihm über seine früheren Erfolge als Schauspieler unterhält: „eine wunderbare Stunde für ihn … Er hatte sich längst vergessen und begraben geglaubt, und nun war da eine Hand und pochte an seinen Sarg und holte ihn heraus und täuschte ihm einen Ruhm vor, den er in Wahrheit nie gehabt“ (67); siehe auch unter Margaret. Sylvander: einer der vielen Liebhaber der Helena in der Erzählung „Die gleich-ungleichen Schwestern“ (Verwirrung der Gefühle, 116-144); der schönste Jüngling des Landes, „dem noch keine Frau widerstand“ (133); bezahlt „sieben Pfund reinen Goldes sowie andere Geschenke“ (133), um eine Nacht mit Helena zu verbringen; verbringt stattdessen auf Bitten Helenas die Nacht mit ihrer Zwillingsschwester Sophia, die unter Beweis stellen will, dass sie jedem Mann widerstehen kann, und ihm erliegt. Theodor: Onkel von Marion im Romanentwurf Clarissa (23).

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FIGUREN:

Thomas – Virata

Thomas: Einwohner von Klein-Reifling im Roman Rausch der Verwandlung (278). Tilde: Mitschülerin von Clarissa Schuhmeister im Romanentwurf Clarissa (18). Trenkwitz, Herr und Frau von: Gäste im Palace Hotel in Pontresina im Roman Rausch der Verwandlung; schlesische Gutsbesitzer (110), „die in ihrem Umgang streng auf Feudal und Klasse setzen und mitleidlos alle Bürgerlichen schneiden“ (136); machen bei den van Boolens eine Ausnahme, da ihnen für ihren Sohn Harro eine „Bekanntschaft mit einer amerikanischen Erbin nicht völlig zwecklos“ (137) erscheint; sie brechen jedoch jeglichen Kontakt mit den van Boolens ab, nachdem herausgekommen ist, dass deren Nichte Christine Hoflehner aus einfachen Verhältnissen kommt. Trenkwitz, Harro von: zweitältester Sohn der Trenkwitz, „dessen Gut sich unter schwerverzinslicher Last von Hypotheken beugt“ (137). Ubaldi, Conte: einer der Hotelgäste, die mit Erna Salomonsohn in der Erzählung „Untergang eines Herzens“ (Verwirrung der Gefühle, 145-181) flirten und mit denen sie und ihre Mutter – sehr zum Missfallen ihres Vaters – gesellschaftlichen Umgang haben; „schmalköpfig“ (149). Vibert, Mademoiselle: Teilnehmerin am im Juni 1914 in Luzern stattfindenden Kongress „L`éducation nouvelle“ im Romanentwurf Clarissa (79). Viennot, Professor: französischer Arzt im Roman Ungeduld des Herzens; hat einen seit zwei Jahren gelähmten Patienten mit einer neuen Therapie „so weit gebracht …, daß er munter wieder fünf Stockwerke steigt“ (196); hat dazu „eine Reihe von Behandlungen merkwürdig gekoppelt …, eine Sonnenbestrahlung in Cannes, eine Apparatur und eine gewisse Gymnastik“ (196); wird von Dr. Condor schriftlich um nähere Informationen zu dem Fall gebeten, die er ihm prompt mitteilt: „Bei seinen Heilungen handelte es sich um Erkrankungen des Rückenmarks auf tuberkulöser Grundlage, wo … durch Änderung der Drucklage die motorischen Nerven wieder in volle Funktion eingeschaltet werden können“ (232). Virata: Protagonist der Erzählung „Die Augen des ewigen Bruders“ (Rahel rechtet mit Gott, 12-55); „ein Edler“, der in der Zeit vor Buddha „im Land der Birwagher“ (12) lebt; verheiratet, Vater zweier Söhne; „Seine Stirne war hell, aufrecht standen seine Augen vor der Frage der Menschen: nie ward seine Hand gekrümmt gesehen zum bösen Knollen der Faust, nie seine Stimme gehört im Schreie des Zorns“ (13); schlägt als Heerführer erfolgreich eine Revolte gegen den König nieder, wobei er seinen älteren Bruder Belangur tötet; schwört daraufhin, „kein Schwert mehr zu fassen“ (18), und lehnt die ihm vom König erwiesene Ehre ab, oberster Heerführer zu werden: „Ich kann nicht Führer sein im Kriege, denn im Schwerte ist Gewalt, und Gewalt befeindet das Recht“ (19); wird daraufhin oberster Richter des Königs – ein Amt, in dem er sich viel Ruhm erwirbt, wobei er nie die Todesstrafe verhängt; verurteilt nach sechs Jahren im Amt einen elffachen Mörder zu elf Jahren Kerkerhaft, worauf dieser ihm Willkür und Marter vorwirft: „Hast du im Kerker gesessen, daß du weißt, wie viele Frühlinge du nimmst von meinen Tagen? Ein Unwissender bist du und kein Gerechter, denn … nur wer gelitten hat, darf Leiden messen“ (25); daraufhin tauscht Virata, ohne jemandem davon zu erzählen, mit dem Verurteilten, wobei er diesen schwören lässt, nach einem Monat in den Kerker zurückzukehren bzw. den König über den Tausch zu informieren; nach 18 Tagen im Kerker durchlebt Virata „Welten des Entsetzens“ (33), weil er fürchtet, der Verurteilte könnte nicht zurückkommen; dieser erfüllt seinen Schwur und Virata wird vom König persönlich befreit, den er daraufhin bittet, die Gefangenen freizulassen und ihn seines Amtes zu entheben: „Ich kann nicht mehr wahrsprechen, seit ich weiß: keiner kann keines 77

FIGUREN:

Vornemann – Wagner, Helene

Richter sein. … Gerecht kann nur sein, der nicht teilhat an keines Geschick und Werk“ (3435); lebt daraufhin ohne Amt in seinem Haus „Tage des Lichts“ (35); als seine Söhne sechs Jahre später einen seiner Sklaven, der ungehorsam war, auspeitschen, kommt er zu der Erkenntnis, dass Sklaverei Unrecht ist, und will alle seine Sklaven freilassen: „ein Gerechter darf nicht Menschen zum Tiere machen. Ich will allen die Freiheit geben, damit ich ohne Schuld sei wider sie auf Erden“ (40-41); als sich seine Söhne dagegen auflehnen, überlässt er ihnen seinen Besitz und geht in die Wildnis, wo er „abseits von den Menschen und ohne Schuld“ (43) leben will; sein Beispiel, von dem auch der König erfährt, zieht weitere Männer in den Wald, „sich wie jener eine Hütte zu zimmern und dem Gotte zu leben“ (46); als er eines Tages in ein nahe gelegenes Dorf geht, wo ihm alle ehrfürchtig begegnen, wirft ihm eine Dorfbewohnerin vor, ihr Leben zerstört zu haben: Sie erzählt, dass ihr Mann Paratika sie verlassen habe, um Viratas Beispiel zu folgen und als Einsiedler zu leben – daraufhin verhungerten ihre drei Kinder, denen der Ernährer fehlte: „Darum, daß du näher seist dem wahren Wesen des Gottes, sind drei Kinder meines Leibes in die harte Erde gefahren“ (50); Virata gibt daraufhin sein Leben als Einsiedler auf und kehrt in die Stadt zurück, wo er den König wieder um ein Amt bittet: „Ich bin im Kreise gegangen … Ich wollte frei sein von Schuld und mied alles Tun, aber auch ich ward verstrickt in das Netz, das den Irdischen gespannt ist … Nur wer dient, ist frei, wer seinen Willen gibt an einen andern“ (52-53); der König, der vermutet, Virata sei kindisch geworden, macht ihn zum Aufseher der Hunde; Virata übt das Amt bis zu seinem Tod aus, „und er war dessen froh“ (54). Vornemann: Gast im Palace Hotel in Pontresina im Roman Rausch der Verwandlung; in der Sprit-Industrie tätig; in seinem Appartement („Im ersten Stock, Nr. 112“, 100) findet die Pokerrunde statt, an der Anthony van Boolen teilnimmt. W.: ein jüdischer Physiker, Dozent an einer Universität in einer mitteldeutschen Provinzstadt in der Erzählung „Verwirrung der Gefühle“ (Verwirrung der Gefühle, 182-279); begleitet zusammen mit seiner Frau Roland v. D. und die Frau von dessen Mentor auf einen Ausflug an einen Badesee. -seine Frau: „wahrscheinlich wohl eher seine Geliebte, ein junges Mädel, der das Lachen unablässig vom Mund fuhr, einfältig und ein wenig dalbrig“ (256). W., Prinz: ehemaliger Soldat im Regiment von Anton Hofmiller im Roman Ungeduld des Herzens, den Oberst Bubencic trotz seiner Verwandtschaft „mit dem allerhöchsten Kaiserhaus“ (424) und entsprechenden Interventionen aus Wien nach einem nicht näher benannten Vergehen zu vierzehntägigem Arrest verurteilt. Wagner, Fritz: Mann von Irene Wagner in der Erzählung „Angst“ (Verwirrung der Gefühle, 280-353); Anwalt; einer der „bekanntesten Verteidiger der Residenz“ (286); „Die Stirne war hell und edel, wie von einer inneren starken, geistigen Anstrengung geformt, der Mund aber streng und ohne Nachgiebigkeit. Alles war straff in den sehr männlichen Zügen, Energie und Kraft“ (300); betreibt seinen Beruf leidenschaftlich gern: „Aufspüren, Entfalten, Erpressen eines Verbrechens konnte ihn beschäftigen wie andere Hasardspiel oder Erotik“ (312); erfährt zufällig von der Affäre seiner Frau und engagiert eine Schauspielerin, die seiner Frau gegenüber als Erpresserin auftritt, um sie zurück zu ihrer Familie zu bringen; siehe auch unter Irene Wagner. Wagner, Helene: Tochter von Fritz und Irene Wagner in der Erzählung „Angst“ (Verwirrung der Gefühle, 280-353); zerstört aus Neid ein Spielzeugpferd ihres älteren Bruders, worauf ihr Vater sie einer Befragung und „Gerichtsverhandlung“ (325) unterzieht, bis sie weinend ihr „Vergehen“ gesteht. 78

FIGUREN:

Wagner, Irene – Wawruschka

Wagner, Irene: Protagonistin der Erzählung „Angst“ (Verwirrung der Gefühle, 280-353); eine Frau Ende 20, seit acht Jahren verheiratet mit Fritz Wagner, Mutter eines siebenjährigen Sohnes und einer jüngeren Tochter (Helene); wohlsituiert; hat eine Affäre mit Eduard, einem Pianisten: „sie hatte sich ihm hingegeben, ohne seiner zu bedürfen oder ihn nur stark zu begehren, aus einer gewissen Trägheit des Widerstandes gegen seinen Willen und einer Art unruhigen Neugier. Nichts in ihr, weder ihr durch eheliches Glück voll befriedigtes Blut, noch das bei Frauen so häufige Gefühl, in ihren geistigen Interessen zu verkümmern, hatte ihr einen Liebhaber zum Bedürfnis gemacht, sie war vollkommen glücklich an der Seite eines begüterten, geistig ihr überlegenen Gatten, … träge und zufrieden gebettet in ihrer behaglichen, breitbürgerlichen, windstillen Existenz“ (287); „Sie war eine jener Frauen, … deren innere Bürgerlichkeit so stark ist, daß sie selbst in den Ehebruch eine Ordnung … mitbringen“ (290); wird nach einem Rendezvous mit ihrem Geliebten von einer Frau angesprochen, die sich als dessen Freundin bzw. frühere Geliebte ausgibt; aus Angst vor einem Skandal und „einer vagen Eingebung gehorchend“ (282-283), steckt Irene ihr Geld zu und flieht; ihren Mann Fritz, der sie zu Hause fragt, wo sie so lange war, belügt sie; sie beschließt, ihren Geliebten zunächst nicht mehr in dessen Wohnung aufzusuchen; trifft sich auf Wunsch Eduards mit diesem in einer Konditorei; wird auf dem Rückweg von diesem Rendezvous vor ihrer Wohnung wieder von der ihr unbekannten Frau angesprochen, die nun auch ihren Namen und ihre Adresse kennt – und verfällt in Panik: „Jetzt war alles verloren, sie ihr rettungslos ausgeliefert“ (294-295); gibt ihr abermals Geld, worauf diese beginnt, sie zu erpressen und „wie ein Alp auf ihrem Leben“ zu „lasten“ (297); Irene verlässt nun das Haus nicht mehr; hat Alpträume, die von ihrem Mann bemerkt werden, worauf sie sich fragt, ob dieser schon etwas weiß; auf seine wiederholten Gesprächsangebote geht sie aber vor allem aus Scham nicht ein – auch nicht, als die Erpresserin ihr Geldforderungen per Post schickt, sie schließlich persönlich in ihrer Wohnung aufsucht und immer höhere Summen von ihr verlangt, so dass sie ihr ihren wertvollen Verlobungsring gibt; ihre Angst und Verzweiflung nehmen immer weiter zu: „Wie Scheidewasser hatte die ätzende Angst ihr Leben zersetzt“ (317-318); schließlich beschließt sie, sich umzubringen: „als geschiedene Frau, Ehebrecherin, befleckt vom Skandal, hinzuleben, dazu war sie zu müde, und zu müde auch, weiter dies gefährliche Spiel einer erkauften und auf Frist gewährten Beruhigung fortzusetzen“ (336); auf der erfolglosen Suche nach der Erpresserin, der sie, bevor sie ihrem Leben ein Ende setzen will, noch ihren Verlobungsring abkaufen möchte, sucht sie noch einmal Eduard auf, um ihn nach der Adresse der Erpresserin (angeblich ja seiner ehemaligen Geliebten) zu fragen; sie überrascht ihn mit einer neuen Geliebten, doch er streitet ab, mit der Erpresserin je etwas zu tun gehabt zu haben, und hält Irene für wahnsinnig; sie flieht aus seiner Wohnung und sucht eine Apotheke auf, um sich dort Morphium zu besorgen; als sie das Fläschchen mit dem Betäubungsmittel entgegennimmt, taucht ihr Mann Fritz, der sie verfolgt hat, plötzlich in der Apotheke auf und bringt sie nach Hause; dort bricht sie zusammen und gesteht ihm alles; er wiederum gesteht ihr, dass die Erpresserin eine Schauspielerin war, die er, nachdem er zufällig von ihrer Affäre erfahren hatte, engagierte, „daß sie dich treiben sollte“ (351); schließlich erkennt Irene „das grauenvolle Netz, in dem sie verstrickt gewesen war“ (352), und ist nun langsam wieder fähig, „all dies tiefer zu genießen, was ihr Leben war und nun auch ihr Glück“ (353). -ihr Sohn: sieben Jahre alt; erhält von seiner Tante ein Spielzeugpferd, das seine jüngere Schwester Helene aus Neid zerstört. -ihre Tochter: siehe unter Helene Wagner. -die Erpresserin: gibt vor, die ehemalige Geliebte Eduards zu sein; tatsächlich eine arbeitslose Schauspielerin, die von Fritz Wagner engagiert wurde, damit seine Frau ihren Geliebten aufgibt. Wawruschka: Kamerad von Anton Hofmiller im Roman Ungeduld des Herzens (61). 79

FIGUREN:

Wiezner – Zacharias

Wiezner: Anwalt der enterbten Angehörigen der Fürstin Orosvár im Roman Ungeduld des Herzens; bringt die als Erbin eingesetzte Gesellschafterin der Fürstin Annette Beate Dietzenhof (die spätere Ehefrau Lajos von Kekesfalvas) zu einem Verzicht auf drei Viertel ihrer Erbschaft (141). Willner, Dr.: Stabsarzt in einem Feldlazarett im Romanentwurf Clarissa; „gefürchtet … wegen seiner Grobheit und seiner brüsken Art“ (127); untersucht Gottfried Brancoric und vermutet, dieser sei ein feiger Simulant. Wolinski: Rittmeister im Roman Ungeduld des Herzens; ist auf ein Dienstmädchen, das sich als Gräfin ausgab, hereingefallen – diese „öde Geschichte“ (35) wird, obwohl sie schon 16 Jahre her ist, unter den Kameraden von Anton Hofmiller immer noch zum Besten gegeben. Wondraczek: Major im Regiment von Anton Hofmiller im Roman Ungeduld des Herzens; nutzt „jeden Anlaß …, um seinen poetischen Fimmel in humoristischen Versen und Schnadahüpfeln zu entladen“ (297); hat ein „respektables Bäuchlein“ (297); trägt auf dem von Baron Balinkay ausgerichteten Fest ein „Gelegenheitsgedicht“ (297) vor. Wondrak, Karel: Gemeindeschreiber in der südböhmischen Stadt Dobitzan in der (Fragment gebliebenen) Erzählung „Wondrak“ (Buchmendel, 123-152); „unerschütterlich in seiner Fettleibigkeit“ (127); wird in den Wald geschickt, um die weit abgelegen wohnende Protagonistin RuŜena Sedlak daran zu erinnern, ihren Sohn Karel taufen und amtlich erfassen zu lassen; zwingt sie, als Karel sieben Jahre alt ist, dazu, ihn in die Schule zu schicken, indem er ihr droht, „das Kind würde man ihr wegnehmen und in die Waisenanstalt tun“ (132); gibt ihr, als sie ihren Sohn vor der drohenden Einberufung in den Krieg versteckt, den Hinweis, „ein Gendarmeriekommando aus Prag mit kärntnerischen Soldaten“ suche „jetzt die Häuser nach Burschen ab, die nicht eingerückt seien“ (139). Wrba: Schneider in der südböhmischen Stadt Dobitzan in der (Fragment gebliebenen) Erzählung „Wondrak“ (Buchmendel, 123-152); sein Bruder wird im Zuge der Einberufungen für den 1. Weltkrieg „von Amerika zurückgerufen“ (136). X., Gräfin: Patientin des Nervenarztes Professor Silberstein im Romanentwurf Clarissa (51). Zacharias: ein in Byzanz lebender Jude in der Erzählung „Der begrabene Leuchter“ (Rahel rechtet mit Gott, 74-191); Urenkel von Hyrkanos ben Hillel; Goldschmied, „ein kleiner, zarter und buckliger Mann“ (143); arbeitet seit 30 Jahren für den kaiserlichen Schatzmeister, dem er bei einem Aufstand gegen den Kaiser vor einigen Jahren in seinem Haus Zuflucht und Versteck gewährte; verschafft Benjamin Marnefesch über diese Beziehung eine Audienz bei Kaiser Justinian; holt Benjamin Marnefesch nach dessen Scheitern bei Justinian in seine Werkstatt und eröffnet ihm, dass er, Zacharias, ein Replikat der Menorah für die kaiserliche Schatzkammer anfertigen soll, bevor der Leuchter nach Jerusalem gebracht wird; fertigt dieses Replikat, das vom Original nicht zu unterscheiden ist, in sieben Tagen an und schlägt vor, das Original zu behalten; die Entscheidung überlässt er Benjamin Marnefesch („Nimm unsern Leuchter und tu damit nach deinem Bedünken“, 176).

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FIGUREN:

geordnet nach Erzählungen und Romanen

Aufstellung der Figuren, geordnet nach den Erzählungen und Romanen, in denen sie auftreten „Angst“ (Verwirrung der Gefühle, 280-353): Amélie; Eduard; Fritz Wagner; Helene Wagner; Irene Wagner; ihr Sohn; die Erpresserin „Brennendes Geheimnis“ (Brennendes Geheimnis, 7-85): Edgar; seine Großmutter; sein Vater; Baron Grundheim; Mathilde „Brief einer Unbekannten“ (Brennendes Geheimnis, 153-199): Ferdinand [1]; Johann; Protagonistin ohne Namen; ihre Mutter; ihr Sohn; R. [1] „Buchmendel“ (Buchmendel, 197-229): John Aldridge; Deubler; Edler von Pisek; Franz [1]; Florian Gurtner; Ich-Erzähler ohne Namen; Jean Labourdaire; Mandl; Jakob Mendel (genannt Buchmendel); Graf Schönberg; Siegenfeld; Sporschil; Standhartner Clarissa: Michel Arnaud; Gottfried Brancoric; Leonard Leopold Brancoric; Dimoff; Dr. Ebeseder; Eve; Dr. Ferleitner; Finkelstein; Hausner; Roderich Heindl; Hinterhuber; Graf Hochfeld; Alois Huber; Professor Jaquinot; Kollmann; Kubianka; Dr. Kutschera; Léonard; Carmen Mariilla; Marion; Minister R.; Raoul; Rosie; Clarissa Schuhmeister; Eduard Schuhmeister; Leopold Franz Xaver Schuhmeister; Professor Silberstein; Theodor; Tilde; Mademoiselle Vibert; Dr. Willner; Gräfin X. „Das Kreuz“ (Der Amokläufer, 54-66): Protagonist ohne Namen „Der Amokläufer“ (Der Amokläufer, 74-138): Ich-Erzähler ohne Namen; Protagonist ohne Namen; seine Patientin; deren Geliebter „Der begrabene Leuchter“ (Rahel rechtet mit Gott, 74-191): Mose Abthalion; Rabbi Elieser; Jojakim ben Gamaliel; Hyrkanos ben Hillel; Benjamin Marnefesch; Simche; Zacharias „Der Stern über dem Walde“ (Verwirrung der Gefühle, 7-18): François; Gräfin Ostrowska „Der Zwang“ (Buchmendel, 153-196): Jeannot; Nußbaum; Ferdinand R.; Paula R. „Die Augen des ewigen Bruders“ (Rahel rechtet mit Gott, 12-55): Belangur; Paratika; seine Frau; Virata „Die Frau und die Landschaft“ (Phantastische Nacht, 145-171): Protagonist (und zugleich Ich-Erzähler) ohne Namen; ein Mädchen „Die gleich-ungleichen Schwestern“ (Verwirrung der Gefühle, 116-144): Helena; Herilunt; Ich-Erzähler ohne Namen; Sophia; Sylvander „Die Gouvernante“ (Phantastische Nacht, 20-38): Otto [2]; Protagonistinnen ohne Namen (zwei Schwestern); ihre Gouvernante; ihre Mutter „Die Hochzeit von Lyon“ (Buchmendel, 111-122): Robert de L.; seine Verlobte

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FIGUREN:

geordnet nach Erzählungen und Romanen

„Die Legende der dritten Taube“ (Rahel rechtet mit Gott, 7-11): Noah „Die Liebe der Erika Ewald“ (Verwirrung der Gefühle, 19-70): Erika Ewald; ihr Vater; ein Geigenvirtuose; ein Kavallerist; Jeanette Ewald „Die Mondscheingasse“ (Der Amokläufer, 139-159): Françoise; Ich-Erzähler ohne Namen; Protagonist ohne Namen; seine Frau „Die spät bezahlte Schuld“ (Phantastische Nacht, 39-69): Ellen; Kilcher; Margaret; Peter Sturz(entaler) „Die unsichtbare Sammlung“ (Buchmendel, 230-247): Annemarie; Herwarth; Ich-Erzähler ohne Namen; Luise; R. [2] „Die Wanderung“ (Buchmendel, 7-14): Protagonist ohne Namen „Die Wunder des Lebens“ (Buchmendel, 15-95): Esther; ihr Adoptivvater; Protagonist ohne Namen; dessen Auftraggeber „Ein Mensch, den man nicht vergißt“ (Brennendes Geheimnis, 313-319): Anton [2]; IchErzähler ohne Namen „Ein Verbummelter“ (Der Amokläufer, 67-73): Liebmann „Episode am Genfer See“ (Der Amokläufer, 191-200): Boris; Fürst Metschersky „Geschichte eines Unterganges“ (Der Amokläufer, 7-53): Abbé von Courbépine; sein Neffe; Madame de Prie „Geschichte in der Dämmerung“ (Verwirrung der Gefühle, 79-115): Bob; Gräfin E.; Elisabeth; Ich-Erzähler ohne Namen; Kitty; Margot; Robert „Im Schnee“ (Buchmendel, 96-110): Josua; Lea [1]; ihr Großvater „Leporella“ (Der Amokläufer, 160-190): Anton [1]; Freiherr von F.; seine Frau; Crescentia Anna Aloisia Finkenhuber (genannt Leporella) „Phantastische Nacht“ (Phantastische Nacht, 172-243): Alfons; Diane; Ich-Erzähler ohne Namen; Lajos; Gräfin R.; Baron Friedrich Michael von R.; Frau beim Pferderennen; Prostituierte im Prater „Praterfrühling“ (Brennendes Geheimnis, 200-215): Hans; Lise/Lizzie „Rahel rechtet mit Gott“ (Rahel rechtet mit Gott, 56-73): Jakob; Laban; Lea [2]; Rahel Rausch der Verwandlung: Alwin van Boolen; Anthony van Boolen; Claire van Boolen; Dicky van Boolen; Christiane von Boolen; Božena; Carla; Madame Duvernois; Edwin; General Elkins; Ferdinand Farrner; Franz [2]; Franz Fuchsthaler; Geza; Herr und Frau Guggenheim; Gräfin Gütersheim; Herdlitschka; Andreas Hinterfellner; Bonifazius Hoflehner; Christine Hoflehner; ihr Vater; Marie Hoflehner; Otto Hoflehner; Huber; Joachim; Karplus; Herr und Frau Kinsley; Klara; Herr und Frau Linsey; Löwy; Nelly; Nikolai; Percy; 82

FIGUREN:

geordnet nach Erzählungen und Romanen

Michael Pointner; Branco Riczitsch; Roderich; Herr und Frau Rosky; Sergej; Frau Geheimrat Strodtmann; Thomas; Herr und Frau von Trenkwitz; Harro von Trenkwitz; Vornemann „Schachnovelle“ (Buchmendel, 248-314): Dr. B.; Mirko Czentovic; Ich-Erzähler ohne Namen; Koller; McConnor; Graf Simczic „Scharlach“ (Brennendes Geheimnis, 86-152): Bertold Berger; seine Vermieterin; Edith Berger; Fix; Karl; Karla; Mizzi; Schramek „Sommernovellette“ (Phantastische Nacht, 7-19): Ich-Erzähler ohne Namen; Protagonist ohne Namen Ungeduld des Herzens: Annerl; Balinkay; Bella; Svetozar Bubencic; Anton Condor; Dr. Emmerich Condor; sein Vater; Klara Condor; Dessauer; Deszö; Annette Beate Maria Dietzenhof; Efdopulos; Erwin; Eugen; F.; Felber; Ferdinand [2]; Ferdl; Ferleitner; Franzi; Goldbaum; Dr. Gollinger; Frau Großmaier; Herr Großmaier; Gurtner; Ferencz Hawliczek; Anton Hofmiller; Daisy Hofmiller; Ulrich Hofmiller; Ich-Erzähler ohne Namen; Ilona; Jonak; Jonas; Josef; Jozsi; Elemér von Juhácz; K.; Leopold Kanitz; Annette Beate Maria von Kekesfalva; Edith von Kekesfalva; Lajos von Kekesfalva; Kusma; Baron Lajos; Mislywetz; Uli Neuendorff; Neutitscheiner; Fürstin Orosvár; Petrovic; Pista; Rosenfeld; Baron Schönthaler; Graf Steinhübel; Professor Viennot; Prinz W.; Wawruschka; Wiezner; Wolinski; Wondraczek „Untergang eines Herzens“ (Verwirrung der Gefühle, 145-181): Baron von Medwitz; Salomonsohn; seine Frau; Erna Salomonsohn; Conte Ubaldi „Unvermutete Bekanntschaft mit einem Handwerk“ (Brennendes Geheimnis, 320-363): Ich-Erzähler ohne Namen; Protagonist ohne Namen (ein Taschendieb); dessen Opfer; Marguerite (Tochter des Opfers) „Vergessene Träume“ (Verwirrung der Gefühle, 71-78): Protagonistin ohne Namen; ihre Jugendliebe „Verwirrung der Gefühle“ (Verwirrung der Gefühle, 182-279): Roland v. D.; sein Vater; sein Mentor; dessen Frau; W.; seine Frau/Geliebte „Vierundzwanzig Stunden aus dem Leben einer Frau“ (Phantastische Nacht, 70-144): Annette; Blanche; Mrs. C; ihr „Schützling“; Henriette; ihr Liebhaber; ihr Mann; Ich-Erzähler ohne Namen „War er es?“ (Brennendes Geheimnis, 272-312): Betsy; ihr Mann; Ellen Limpley; John Charleston Limpley; seine Tochter; Ponto „Widerstand der Wirklichkeit“ (Brennendes Geheimnis, 221-271): Geheimrat G.; Ludwig; seine Geliebte; seine Frau; Otto [1] „Wondrak“ (Buchmendel, 123-152): Jennisch; Nossal; Graf R.; Karel Sedlak; RuŜena Sedlak; Karel Wondrak; Wrba „Zwei Einsame“ (Brennendes Geheimnis, 216-220): Jula; Protagonist ohne Namen

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