Vom Rhein an die Salzach

March 12, 2018 | Author: Anonymous | Category: N/A
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Vom Rhein an die Salzach Wechselvolle Geschichte einer 100-jährigen Elektrolokomotive

Vom Rhein an die Salzach Wechselvolle Geschichte einer 100-jährigen Elektrolokomotive

Impressum: Text: Gunter Mackinger Redaktion: Daniela Neumaier, Wolfgang Richter, Mattis Schindler, Alexandra Weiß Fotos: Herbert Fritz, Gunter Mackinger, Sammlung Clemens Rennebaum, Archiv Wolfgang Richter, Sammlung Paul-Heinz Schwieres, Dieter Waltking Gestaltung: Zweiblatt, Sabine Heide Titelfoto: Lok 14 in Baumberg 1958

von Gunter Mackinger, im Mai 2013

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Beschaffung und gleich ein Weltkrieg Das mächtige Rheinisch-Westfälische Elektrizitätswerk (RWE) setzten nach der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert auf eine Flächenelektrifizierung von Industrie, Handel und Privathaushalten. Für einen gleichmäßigen Absatz waren aber auch Klein- und Straßenbahnen von Bedeutung, welche gleichzeitig eine Bindung der ganzen Region an den Energieversorger sicherstellten. Weitestgehend nach dem gleichen Schema wurden meist normalspurige Kleinbahnen nach dem preußischen Kleinbahngesetz realisiert, welche als „echte Eisenbahnen“ konzessioniert waren und neben dem Personenverkehr auch dem Güterverkehr in der Fläche dienten. Die „Geburtsstätte“ der meisten AEG-Gleichstromlokomotiven, das Werk Brunnenstraße in Berlin

Wechselvolle Geschichte einer 100-jährigen Elektrolokomotive In unserer schnelllebigen Zeit ist es kaum vorstellbar, dass technische Einrichtungen oft 100 Jahre und mehr zuverlässig und sicher ihren täglichen Dienst tun. Dies scheint unter anderem besonders bei Schienenbahnen der Fall zu sein, wo stetige gute Pflege, mangelnde Investitionsmittel und ganz spezielle Einsatzgebiete diesen Umstand besonders fördern. Die Salzburger Lokalbahnen haben mit ihrer Elektrolokomotive E11 einen solchen „Schatz“ noch im täglichen Betriebseinsatz. Seit mehr als 30 Jahren an der Salzach im Einsatz verzeichnet diese Lokomotive nicht weniger als vier Vorbesitzerbahnen. Exemplarisch für viele unscheinbare Lokomotiven bei Klein- und Lokalbahnen, bei Industriebetrieben und in Werksverkehren soll nachstehend die Geschichte dieser kleinen Lok nachgezeichnet werden.

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1913 wurde die Konzession für eben eine solche elektrische Kleinbahn am Niederrhein auf der Strecke Wesel – Rees – Emmerich erteilt. Neben den notwendigen Personentriebund Beiwagen beschaffte das RWE auch zwei zweiachsige Lokomotiven mit den Bestandsnummern 14 und 15. Die Loks wurden von AEG Berlin geliefert und entsprachen der typischen Bauform mit Mittelführerstand, welche in ähnlicher Form immerhin mit 14 Exemplaren an die RWE-Bahnen zwischen 1912 und 1928 geliefert wurden. Die Bauform schaffte dem Lokführer einen guten Überblick über die Strecke und – beim Rangieren besonders wichtig – ein gutes Sichtfeld auf Kupplung und Puffer der eigenen Lokomotive. „Unsere 14“ wurde 1913 gebaut und stand zur Teileröffnung 1914 auf der neuen Kleinbahnstrecke von Wesel nach Rees bzw. von Rees nach Empel zum Einsatz bereit. Da die Elektrifizierung der Strecke von Rees nach Emmerich zunächst auf Grund der Kriegsereignisse unterblieb und eine militärstrategische Bedeutung nicht erkennbar war, bestand letztlich kein wirklicher Bedarf nach Einsätzen der Lok 14 am Niederrhein; ihre Schwester, Lok 15, reichte für den Betrieb völlig aus.

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Das erste Fotodokument der Lok 14, am Eröffnungstag der Kleinbahn Wesel – Rees – Emmerich, dem 25. Mai 1914, im Hintergrund auf Gleis 5 der Wagenhalle Rees stehend

Sehr wohl gab es aber bei anderen RWE-Bahnen eine massive Erhöhung des Frachtaufkommens, wenn strategische Firmen die jeweilige Kleinbahn als Verknüpfung zum Vollbahnnetz nutzten. In Entsprechung dieser Tatsache wurde die Lok 14 Anfang des zweiten Kriegsjahres 1915 rheinaufwärts versetzt. Im Juli 1915 befand sich die Lok 14 – von ihrem neuen Betreiber als Lok 103 bezeichnet – mit zwei typengleichen Schwestern bei der Kleinbahn Siegburg - Zündorf im Nahbereich von Bonn. Die offizielle Inbetriebnahme datiert vom 07. August 1915; diese wurde von der Königlich Preußischen Eisenbahndirektion Cöln mit gleichem Datum ausgestellt. An dieser RWE-Kleinbahn befanden sich zwei Munitionsfabriken, welche während des Ersten Weltkrieges bis zu 15.000 Beschäftigte aufwiesen. Da der Lokomotivmangel drückend war, die kriegswichtigen Beförderungsleistungen aber ständig anstiegen, wurden für die Kleinbahn Siegburg - Zündorf zwei weitere – in ihrer Bauform bereits etwas moderner ausgeführten – Elektrolokomotiven bestellt und neben den eigenen Bestandslokomotiven und der Lok 14 eine zusätzliche Lok zugeführt, die ebenfalls für die Kleinbahn Wesel – Rees- Emmerich bestellt worden war. Bei Kriegsende 1919 standen nicht weniger als 6 typengleiche Elektrolokomotiven zur Verfügung – was einen deutlichen Überstand bedeutete. Die drei jüngsten Lokomotiven (104-106) verblieben bei der Kleinbahn Siegburg - Zündorf, die Lokomotiven 101 und 102 gelangten zur Kleinbahn Wesel – Rees – Emmerich, die Lok 103 (Vulgo 14) ist ab 1921 bei der Kleinbahn Langenfeld – Monheim – Hitdorf nachgewiesen und sollte dort rund 60 Jahre verbleiben.

Leider gibt es kein Foto vom Einsatz der Lok 14 bei der Kleinbahn Siegburg – Zündorf, dieses Foto zeigt die Schwesterlokomotive 106

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Einsatz unter dem Wappen der Gänseliesl Die 1909 eröffnete Kleinbahn der Rheingemeinden (Monheim, Hitdorf und Rheindorf) wurde ebenfalls vom RWE betrieben. Bald entwickelten sich entlang der Kleinbahnstrecke umfangreiche Industrieansiedlungen. Allerdings hatte das RWE auch hier mit Lokomotivmangel aufgrund der strategischen Bedeutung während des Ersten Weltkrieges zu kämpfen – von den zwei Elloks wurde eine an die Mülheimer Kleinbahn (Kleinbahn Schlebusch) abgegeben, und die Kleinbahn der Rheingemeinden musste in den Kriegsjahren sogar leihweise Dampflokomotiven einsetzen. Da nach dem Krieg ein Überbedarf an Lokomotiven bei der Kleinbahn Siegburg - Zündorf bestand, lag es auf der Hand eine der „älteren“ Lokomotiven nach Monheim zu versetzen. Dies erfolgte 1921 mit der dort als 103 geführten Lokomotive 14 – ehemals Wesel – Rees – Emmerich. Die Lok wurde bei den Rheingemeinden unter ihrer alten Bezeichnung in Betrieb gesetzt und behielt diese bis zu ihrem Ausscheiden aus dem Aktivstand. Zur Lok 14 in ihrer frühen Monheimer Zeit am Hafen in Hitgleichen Zeit wurde auch noch eine neue Lokomotive beschafft, dorf, 1928 die mit der 1914 freigewordenen Nr.2 in Dienst gestellt wurde. Das RWE plante ursprünglich ein einheitliches Bezeichnungsschema für seine Fahrzeugflotte bei den Pachtbahnen, wie auch bei den im Eigentum befindlichen Kleinbahnen. Leider kam dies nicht zur Umsetzung und so gibt es eine verwirrende Vielfalt von Fahrzeugnummern – teilweise in Doppelbesetzung. Die Lok 14 (ehemals Wesel – Rees – Emmerich) wurde auf ihrer ursprünglichen Stammstrecke zum Beispiel durch eine „neue“ 14 abgelöst, bei dieser handelte es sich um die ehemalige 101 der Kleinbahn Siegburg - Zündorf.

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1927 entstand an der Kleinbahn die Rheinische Pappenfabrik, wodurch das Güteraufkommen neuerlich gesteigert werden konnte. Um den Wirtschaftsbetrieben attraktive Verlademöglichkeiten zu bieten, vergrößerte das RWE 1930 die Hafenanlagen in Hitdorf, was die Geschäfte weiter ankurbelte. Diese entwickelten sich so gut, dass 1928 eine weitere Elektrolokomotive (15) angeschafft werden musste. Die in grüner Farbe mit rotem Fahrgestell und schwarzen Beschneidungslinien gehaltene 14 wurde gemeinsam mit ihren Schwestern intensiv genutzt und war in der Bevölkerung als „die Kraft“ ein Begriff. Um den Anforderungen des Güterverkehrs weiter zu entsprechen, wurde 1932 in Langenfeld ein neuer Übergabebahnhof zur Reichsbahn eröffnet. 70 bis 80 täglich überLok 14 im Übergabebahnhof Langenfeld gebene Waggons waren keine Seltenheit – 1936 wurden zum Beispiel nicht weniger als 360.000 t durch die Kleinbahn der Rheingemeinden befördert. Während der folgenden Jahre des Zweiten Weltkrieges war trotz schwierigster Betriebsbedingungen (Fliegerangriffe waren ab 1941 gang und gäbe) ein intensiver Güterverkehr zu verzeichnen, musste doch neben den Produkten der Rheinischen Pappenfabrik auch die Mineralölprodukte der Rhenania-Ossag (später Shell) und zahlreicher Mittelbetriebe abgefahren werden. Als im März 1945 die Befreiung nahte und sich die Front dem Rhein näherte, sollte die Lok 14 gemeinsam mit der 15 bei der Gummersbacher Kleinbahn (auch ein RWE-Betrieb) in Sicherheit gebracht werden. Die Reise begann am 14. März 1945, allerdings erreichte der Transport nur mehr Wuppertal, sodass die beiden Lokomotiven und ein Stückgutwaggon, beladen mit wichtigen Akten, bei der Kleinbahn Loh - Hatzfeld im Wuppertal sicher hinter stellt wurden. Erst Ende 1945 wurden die beiden ausgelagerten Lokomotiven wieder

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in ihre Heimat zurück gebracht – eher war an die Wiederaufnahme des Güterverkehrs aufgrund mannigfacher Schäden nicht zu denken. In der Zeit des Wiederaufbaus und des Wirtschafswunders entwickelte sich die Kleinbahn der Rheingemeinden prächtig. „Unsere“ 14 schleppte gemeinsam mit ihren Schwestern 1, 2 und 15 lange Kesselwagenzüge von der Shell in Baumberg zum Übergabebahnhof in Langenfeld, aber auch Papierzüge von der Pappenfabrik in Blee zum Hitdorfer Hafen. Bemerkenswert dabei war vor allem die Durchfahrt durch das Stadtzentrum in Monheim, welches bei jeder Zugfahrt aufgrund der Führung im Straßenraum ein Erlebnis darstellte. Im Jahr 1960 begann der Rückzug des RWE – auch vom Betrieb der Kleinbahn der Rheingemeinden. Zunächst wurde der Pachtvertrag mit dem Hafen Hitdorf aufgekündigt und mit Wirkung vom 01. Jänner 1963 übernahm die Stadt Monheim mit ihren neu gegründeten Unternehmen „Bahnen der Stadt Monheim GmbH“ (BSM) den Betrieb auf Schiene und Straße. Unter dem neuem Eigentümer wurde der Schienenpersonenverkehr in Abschnitten eingestellt und bereits ab 15. Juni 1963 verkehrte der letzte Personenzug der BSM. Der Güterverkehr war unverändert aktiv – 1961 wurden zum Beispiel mehr als 250.000 t Güter befördert. Das Rückgrat der Zugförderung bildeten die Lokomotiven 14 und 15, welche Ende der 1960er Jahre die später typische gelbe Farbgebung mit Warnstreifen und Rangierfunk erhalten hatten.

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An der Spitze Lok 14, gefolgt von Lok 1 und Lok 15 vor der Wagenhalle Monheim um 1928

Bereits seit der Vorkriegszeit war die Diskussion in den Bau einer Neubaustrecke zur Anbindung der wichtigen Güterkunden unter gleichzeitiger Herausnahme der Kleinbahn aus dem Stadtzentrum geführt worden. Nach vielen Jahrzehnten der Projektüberlegungen erfolgten die notwendigen Weichenstellungen in den 1970er Jahren und das Bauvorhaben konnte 1979 in Angriff genommen werden. Gleichzeitig war in Anbetracht des damaligen Umgangs mit den Erdölressourcen klar, dass die Neubahnstrecken des BSM nicht mehr elektrifiziert wurden und der Betrieb künftig mit diesen Lokomotiven geführt wurde. Am 17. Dezember 1979 verkehrte letztmalig ein elektrisch geführter Zug und ab 18. Dezember 1979 wurden die Lokomotiven 14 und 15 im Lokschuppen Langenfeld hinter stellt.

Lok 14 am Hafen Hitdorf, 1978

Lok 14 leistet Lok 15 Vorspanndienste vor einem schweren Kesselwagenzug im Shell-Werk Baumberg, 1979

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Bedarf in Salzburg Die Salzburger Lokalbahn (SLB) bestand im Jahr 1980 aus der 25 km langen – mit Gleichspannung – elektrifizierten Strecke von Salzburg nach Lamprechtshausen. Ähnlich den Bahnen der Stadt Monheim hatte auch die Salzburger Lokalbahn Höhen und Tiefen in ihrer Geschichte zu verzeichnen und Ende der 1970er, Anfang der 1980er Jahre schien sich die Geschichte zum Positiven zu wandeln. Im Unterschied zu den BSM wird neben umfangreichen Güterverkehr auch SPNV durchgeführt. Der Lokomotivpark für den Güterverkehr – der Personenverkehr wurde ähnlich wie in Monheim weitgehend mit Triebwagen abgewickelt – bestand bei der Salzburger Lokalbahn Anfang 1980 aus einem Gütertriebwagen, einer zweiachsigen und drei vierachsigen Lokomotiven.

Lokparade vor der Wagenhalle Monheim v.r.n.l. die Lokomotiven 14, 15 und 1, 1978

Am 24. April 1980 wurde die zweiachsige Lokomotive (E12) bei einem Unfall so schwer beschädigt, dass eine Reparatur aussichtslos erschien. Zu diesem Zeitpunkt wurde der elektrische Betrieb zweier Westdeutscher Kleinbahnen eingestellt. Einerseits war dies die Güterbahn der Wuppertaler Stadtwerke von Loh nach Hatzfeld, andererseits waren es die Bahnen der Stadt Monheim. Zunächst nahm die Salzburger Lokalbahn auf der Suche nach einem Ersatz für die verunfallte E12 die kleinere der beiden Wuppertaler Lokomotiven, weil vierachsig, ins Visier. Das ebenfalls auf elektrischen Lokalbahnbe- Lok 14 und 15 mit einem schweren trieb spezialisierte Eisenbahnunternehmen Stern & Hafferl war schneller und erwarb Güterzug in der Stadtdurchfahrt beide Lokomotiven der Wuppertaler Stadtwerke. Auf der Suche nach weiteren Optio- Monheim, 1977 nen kam es zu einem Gedankenaustausch zwischen den Herrn Paul-Heinz Schwieres von den BSM und den Freunden der Monheimer Bahn Clemens Rennebaum und Jürgen Grosch. Diese wiesen darauf hin, dass von den BSM jüngst abgestellte Elektrolokomotiven gegebenenfalls verfügbar wären. Also

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begab sich der damalige Leiter der SLB-Betriebsabteilung Gunter Mackinger auf den Weg an den Rhein, wo sich eine nicht ganz einfache Situation präsentierte.

Die Vorgängerin E12 – hier am Salzburger Lokalbahnhof, 1971

Die Lokomotive 1 war bereits an das AEG-Werksmuseum in Berlin abgegeben worden. Die Lokomotiven 14 und 15 standen noch im Lokschuppen Langenfeld, allerdings war die Lok 14 für eine Aufstellung als Denkmal in Monheim vorgesehen und die Lok 15 sollte einen Kinderspielplatz der Stadt Leverkusen in Blee bereichern. Mit tatkräftiger Unterstützung des damaligen BSM-Direktors Schumacher gelang es Gunter Mackinger im Mai 1981 die politisch Verantwortlichen in Leverkusen und Monheim für einen Ringtausch zu begeistern.

Die Stadt Monheim war bereit die Lok 14 gegen die Lok 15 zu tauschen. Dies war damals notwendig, weil die Gleisanlagen der Salzburger Lokalbahn noch nicht für hohe Fahrzeuggewichte ertüchtigt waren. Die Stadt Leverkusen war bereit die Lok 15 abzutreten, wenn ein geeignetes Ersatzobjekt für den Kinderspielplatz gestellt würde. Letzteres wurde im Nachlass der Pappefabrik Blee gefunden. Es handelte sich um die Dampfspeicherlokomotive 2 (Hohen Zollern 3307/1915, Typ „Neuss“) der Vereinigten Verpackungs-Gesellschaft mbH, welche der Stadt Leverkusen als Tauschobjekt angeboten werden konnte. Im Juni 1981 konnte mit einer Unterschrift aller Beteiligten der Ringtausch auch juristisch korrekt umgesetzt werden. Am 07. August 1981 untersuchte ein Beamter des DB-Maschinenamtes Wuppertal die Lok 14 im Lokschuppen Langenfeld, um die Überstellung zur Verladung ins DB-Ausbesserungswerk Opladen zu ermöglichen. Nachdem alle Formalitäten für die Überstellung nach Opladen über die dichtbefahrene DB-Strecke Düsseldorf – Köln erledigt waren,

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gelangte die Lok 14 eben dort zur Verladung auf einen Spezialtieflader der DB. Es würde zu weit führen, die noch folgenden Kuriositäten mit DB, ÖBB und Zollbehörden zu schildern. Gesagt sei nur, dass die Tatsache, dass lediglich ein Kaufvertrag über eine Dampflokomotive der VVG vorgelegt werden konnte, aber in Salzburg eine Elektrolokomotive ankam, für erhebliche Verwirrungen sorgte. Faktum ist am 20. August 1981, traf die Lok letztlich wohlbehalten in Salzburg Itzling in der neuen Heimat ein.

Ein neues Aufgabenfeld an der Salzach Nach der Abladung mittels Autokran am Ladegleis in Salzburg Itzling wurde die Lok 14 – nunmehr als E11 der Salzburger Lokalbahn bezeichnet – in der Lokalbahnremise hinter stellt. Ende des Jahres 1981 begann eine Hauptuntersuchung, welcher einer Generalüberholung gleichkam. Alle Verschleißteile wurden ausgebaut und aufgearbeitet, es kamen ein neuer Stromabnehmer und Kathodenfallableiter zum Einbau, die Heizung wurde erneuert und die Lüftung für die Anfahrwiderstände verbessert. Die Reste der alten Rangierfunkanlage wurden entfernt – gleiches gilt für die Stangen zur Lichtraumdefinition von Vollbahnwagen, welche wie ein Hirschgeweih auf den Vorbauten der Lok montiert waren. Selbstverständlich erhielt die Lok auch einen neuen Anstrich in den Traditionsfarben der Salzburger Lokalbahn – Rot mit cremefarbenen Beschneidungslinien. Liebevoll wird die Salzburger Lokalbahn im Volksmund ja auch Rote Elektrische genannt. Nach mehreren Probefahrten wurde

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Auf dem Weg nach Salzburg, Lok 14 verladen auf einen Spezialtransporter im Güterbahnhof Opladen, 1981

die E11 – von den Mitarbeitern bald spontan „Jumbo“ genannt – am 27. Mai 1982 der Obersten Eisenbahnbehörde zur Genehmigung vorgestellt. Das Ergebnis war durchwegs positiv und so konnte die Lok ab sofort im Güterzugdienst eingesetzt werden. Schwerpunkt des Einsatzes war vor allem die Verschubtätigkeit in Salzburg Itzling, aber auch der Einsatz im schweren Bauzugverkehr. Die 1980er Jahre waren bei der Salzburger Lokalbahn von massiven Erhaltungsinvestitionen gekennzeichnet und so hat die ehemalige „Monheimerin“ wesentlich zum dauerhaften Erhalt dieser wichtigen Regionalbahn beigetragen. Zu einer besonderen Ehre gelangte die E11 am 18. Juni 1982 als der damalige Lokalbahn-Chef Ing. Dr. Josef Riedl seinen Kollegen Josef Schumacher von den BSM mit deren Aufsichtsratsvorsitzenden Heinrich Kirberg in Salzburg begrüßen durfte. An diesem Tag wurde die fast 70-jährige „Dame“ so zusagen offiziell den Betrieb in Salzburg übergeben und seither schmückt das Monheimer Wappen mit der Gänseliesl dieses Fahrzeug. Gastgeschenke wurden ausgetauscht und eine Fahrt mit der E11 samt Beiwagen nach Lamprechtshausen und zurück unternommen. Gründliche Aufarbeitung in der Werkstätte der Salzburger Lokalbahn, 1981

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Der B405 kommt im Gegenzug nach Monheim Am Rande der Feierlichkeiten erwähnte Direktor Schumacher, dass in Monheim das Interesse bestünde für Sonderveranstaltungen über einen Reisezugwagen zu verfügen. Die Gelegenheit dazu ergab sich 1984 als die Salzburger Lokalbahn nach Inbetriebnahme der ersten Stadtbahntriebwagen (ET41-45) sechs ehemalige ÖBB-Triebwagenbeiwagen abstellen konnte. Als bestes Fahrzeug dieser Serie wurde der B405 auserkoren. Es handelte sich dabei um den 1934 bei der Waggonfabrik Uerdingen für die Deutsche Reichsbahn gebauten VB145 093, welcher nach dem Zweiten Weltkrieg von den Österreichischen Bundesbahnen als 7658.102 eingesetzt wurde. 1972 erfolgte der Verkauf an die Salzburger Lokalbahn. Die ehemaligen Beiwagen zu Dieselschnelltriebwagen bewährten sich im Nahverkehr der SLB nicht – bestachen aber durch eine ungeheure Laufruhe. Im Oktober 1984 wurden noch diverse Reparaturen durchgeführt und am 08. Oktober 1984 verließ der B405, vollgepackt mit Ersatzteilen, Salzburg mit dem Ziel Monheim. Dort war die (freudige) Der 405 auf dem Weg nach Monheim – die letzten Meter Überraschung groß, da man eigentlich nicht damit gerech- in Salzburg mit E11, 1984 net hatte, tatsächlich in absehbarer Zeit einen Reisezugwagen zu erhalten. Zunächst noch mit der originalen Inneneinrichtung eingesetzt, erfolgte bald die Adaptierung zum Gesellschaftswagen in der eigenen Werkstätte der BSM. Heute ist dieser Waggon aus dem Angebot der BSM wohl nicht mehr wegzudenken.

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E11 – der Alltag in Salzburg Nach der feierlichen Inbetriebnahme – BSM-Direktor Schumacher zierte sogar das Titelbild des „Amtsblattes der Landeshauptstadt Salzburg“, welches ihn mit roter Dienstkappe und Befehlsstab, also den Insignien des Fahrdienstleiters zeigen – folgten die Niederungen des Alltags. Die Leistungen der kleinen Lokomotive waren beachtlich und bereits 1985 mussten erste Verbesserungen durchgeführt werden. Im März 1987 blockierte plötzlich ein Ankerlager und die Lok konnte ihre Heimatdienststelle – zwar mit eigener Kraft, aber nur aufgebockt auf einen Achsbruchschemel, so zusagen auf einer Achse fahrend – erreichen. Im Juli 1987 folgte ein weiterer Schaden, als durch die ständige Belastung im Bau- und Verschubverkehr ein Kurzschlussbrand Fahrschalter und Widerstände zerstörte. Abermals konnten die Bahnen der Stadt Monheim helfen – sie überließen der Salzburger Lokalbahn Fahrschalter und Widerstände der mittlerweile als Denkmallok aufgestellten Lok 15. Im Gegenzug wurde der ausgebrannte Fahrschalter der E11 äußerlich aufgearbeitet und befindet sich bis heute als Kulisse in der Monheimer 15. Die Reparatur des Brandschadens wurde dazu genutzt, der Lok auch

Links: Feierliche Jungfernfahrt der E11 in Salzburg mit den Gästen aus Monheim in Lamprechtshausen, 1982

ein neues Blechdach zu verpassen. 1990 war es Zeit für eine planmäßige Hauptuntersuchung. Dabei wurden zahlreiche weitere Verbesserungen an der Lok vorgenommen. Die schwer zu bedienende Wurfhebelbremse wurde durch ein Handbremsrad ersetzt. Ein Umformer wurde eingebaut – dieser ermöglicht die Lieferung von 24 Volt für Beleuchtung und Funk. Knorr-Bremsen lieferte eine Sicherheitsfahrschaltung (SIFA), welche ab nun auch die einmännige Besetzung der Lokomotive erlaubte. Die noch vorhandene – aber nicht mehr aktivierte – Druckluftglocke wurde wieder in Betrieb gesetzt. Letztlich wurde der alte Holzfußboden durch einen Noppenboden aus Kunststoff ersetzt und die Lokomotive neu lackiert. Nach einem Achsbruch erhielt Treffen von Klassikern in Salzburg Itzling, die ÖBB (ÖGEG) die Lok 1992 zwei neue Achswellen, welche von Dampflokomotive 93.1455 – neben der rund 15 Jahre älteren E11 in Salzburg Itzling, 1996 SGP gefertigt wurden. Von regem Einsatz zeugte die Notwendigkeit einer weiteren Hauptuntersuchung im Jahr 2002, an deren Ende wiederum die Neulackierung stand. Eine neue Aufgabe kam auf die Lok zu, als die Salzburger Lokalbahn den Auftrag für die Wartung der neuen FLIRT-Triebwagen der Berchtesgadener Land Bahn (BLB), einer jeweils 50%igen Tochter von Bayerischer Regentalbahn und Salzburger Lokalbahn, erhielt. Die neuen Triebwagen waren nur für den Betrieb unter Wechselstromfahrleitung geeignet und müssen daher im Kernbereich der SLB von einer Gleichstromlokomotive bewegt werden.

Rechts: E11 im schweren Verschub von Kohlewaggons für das Heizkraftwerk in Salzburg Itzling, 1982

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Zusammenfassung

Bis zum Jahr 2000 traf die E11 auf die 600 mm Feldbahn des Torfwerkes Zehmemoos, hier mit einer Lokomotive der Firma Jung

Gelegentlich hatte sich die E11 auch vor schweren Güterzügen – hier nahe Weitwörth-Nußdorf – abzumühen, 1982

Dafür ist die 100jährige E11 bestens geeignet. Die Lok ist klein, wendig und leistungsstark und bietet dem Lokführer eine gute Übersicht. Seit Frühjahr 2010 liegt die Hauptaufgabe der E11 beim Verschub der FLIRT-Triebwagen, dabei ist sie für die Überstellung von Salzburg Itzling in das Lokalbahnbetriebswerk und nach Abschluss der Wartungsarbeiten für die Rücküberstellung zum Salzburger Hauptbahnhof zuständig. Da die FLIRT-Triebwagen nur über eine Scharfenbergkupplung verfügen, erhielt auch E11 eine diesbezügliche Übergangskupplung. Ein Jahr vor dem 100sten Geburtstag wurde die Lok 2012 neuerlich einer Hauptuntersuchung unterzogen – dabei erhielt sie als zusätzliche Verbesserung eine Lufttrocknungsanlage um mit den „Bayerischen Nachbarn“ noch besser zu harmonieren.

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AEG lieferte in den Jahren 1908 bis 1928 vierzehn zweiachsige Gleichstromlokomotiven für den Bedarf der Kleinbahnen der Rheinisch-Westfälischen Elektrizitätswerke. Die robuste und ausgereifte Bauart hat sich in nunmehr hundert Jahren bewährt und zeugt von der Langlebigkeit elektrotechnischer Produkte aus den Anfängen des 20. Jahrhunderts. Dass die unter der AEG-Fabriknummer 1570 für die Kleinbahn Wesel – Rees - Emmerich gebaute Lokomotive nach 100 Jahren, zwei Weltkriegen und zumindest vier Besitzern noch immer im täglichen Betriebseinsatz steht, ist einer Anhäufung von Zufällen zu verdanken. Jedenfalls ist diese Langlebigkeit auch das Produkt einer gründlichen und liebevollen Pflege durch Generationen von Eisenbahnern. Die Beliebtheit der Lokomotive spiegelt sich auch im Modellbau wieder. Allein der große Freund der BSM und SLB Jürgen Grosch hat nicht weniger als drei Modelle dieser Lok in unterschiedlichen Maßstäben gefertigt. Selbst ein Serienprodukt eines Wiener Unternehmens befindet sich derzeit auf dem Markt und ermöglicht allen Interessierten die Lok im Maßstab 1:87 ins eigene Heim zu holen. Oben: E11 bei der Bedienung der Anschlussbahn Konsum-Brotfabrik in Salzburg, heute ein Kinocenter, 1982 Unten: Auch in Salzburg gab es, wie in Monheim, ein Shell-Tanklager, hier E11 mit zwei vierachsigen Kesselwagen in Salzburg Itzling, 1982

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Ein besonderer Höhepunkt in der Laufbahn der kleinen Lok sind die Feierlichkeiten zu ihrem 100sten Geburtstag im Mai 2013. Diese Festlichkeiten sind auch Ausdruck einer seit 1981 gepflegten Freundschaft zwischen den Bahnen der Stadt Monheim und den Salzburger Lokalbahnen, wobei den Bahnen der Stadt Monheim für den Fall, dass die Lok doch einmal in den Ruhestand treten sollte, sogar ein Rückkaufsrecht zusteht – welches aus heutiger Sicht jedoch frühestens 2113 zum Tragen kommt.

1984 fiel es der E11 zu, den legendären „Gläsernen Zug“ der DB auf der SLB-Strecke von Salzburg nach Lamprechtshausen zu schleppen

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Heute das Haupttätigkeitsfeld der 100-jährigen Lokomotive, der Verschub der Wechselstromtriebwagen der Berchtesgadener Land Bahn (BLB) im Gleichstrombereich der Salzburger Lokalbahn

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Quellenverzeichnis: Clemens Rennebaum/Paul-Heinz Schwieres; Bahnen der Stadt Monheim, Verlag Zeunert 1980 Stefan Kunig/Gunter Mackinger; Die Bahnen der Stadt Monheim, Verlag Kenning 2008 Evert Heusinkveld; Die Kleinbahnen Rees – Empel und Wesel – Rees – Emmerich, Verlag Kenning 2013

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